Entwürfe eines besseren Lebens
Für den Philosophen Ernst Bloch, der heute vor 40 Jahren starb, war die Utopie zentrales Lebensthema: Die Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft, die sich auch in seinem Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung" zeigt.
Die Pfeife, die Hornbrille, die nach hinten gekämmten weißgrauen Haare. Mit durchdringendem Blick, feinsinniger Sprache und utopischen Vorstellungen einer besseren Welt hat Ernst Bloch der 68er-Generation neue Horizonte des Denkens eröffnet.
Ernst Bloch: "Die Verhältnisse sind nicht so. Und wenn die Verhältnisse den Menschen bilden, so müssen, sagt Marx, die Verhältnisse selbst erst menschlich gebildet werden."
Sein Hauptgedanke: Im Menschen steckt bereits die Utopie, die Vorstellungen eines schöneren, gerechteren Lebens.
"Wir haben, also philosophisch wohl nicht genügend reflektiert, aber als Material reichhaltig vorliegend haben wir Entwürfe eines besseren Lebens. Solange die Menschheit lebt. Entwürfe."
Blochs philosophische Formel dafür ist das "noch nicht". Das dem Menschen nicht Bewusste.
"Also etwas, was nicht nur nicht ist, sondern noch nicht ist. Womit die Welt schwanger geht. Das Neue, was kommt, das Heraufbringen von Neuem. Das schläft, das aufgeweckt wird. Das noch nicht Bewusste als Zeichen des noch nicht Gewordenen. Der Tagtraum statt des Nachttraums. Mit Wünschen erfüllt, mit Unsinn erfüllt von oben bis unten. Aber auch mit Geniewerken erfüllt, die alle noch nicht da waren."
Und genau darum dreht sich Blochs philosophisches Hauptwerk "Das Prinzip Hoffnung": Die menschliche Hoffnung zeigt stets einen aktuellen Mangel auf und zielt immer auf etwas, was noch nicht existiert, was erst Wirklichkeit werden muss.
Von der DDR enttäuscht
Die soziale Utopie, auf die es seinerzeit zu hoffen galt, sieht Bloch lange im Marxismus. Nach seiner Zeit im amerikanischen Exil geht der Philosoph so in die DDR. 1948 erhält er eine Professur für Philosophie an der Universität Leipzig. Doch der blutig niedergeschlagene ungarische Volksaufstand bringt Ernst Bloch zum Umdenken und auf Gegenkurs zum SED-Regime.
"Also, ich war ganz ungestört und brachte Unruhe in den Marxismus und den Schematismus und die Scheuklappenmentalität."
1961, nach dem Bau der Berliner Mauer, kehrt Bloch von einer Reise in die Bundesrepublik nicht mehr in die DDR zurück. Er wird Gastprofessor an der Universität Tübingen. Und auch im Westen sorgt er für Unruhe, kritisiert die kapitalistische Gesellschaftsordnung, ruft zum Kampf gegen Unrecht auf.
Am Ende hat sich Bloch nie vereinnahmen lassen, meint der Hörfunksatiriker Peter Zudeick, der in den 1970er-Jahren über Ernst Bloch promovierte.
"Dieser Bloch war ja immer, Walser hat gesagt, ein Ketzer durch und durch. Und das war er und das war er überall und das war er auch in jedem System der Bundesrepublik Deutschland. 'Denken heißt überschreiten', so seine Maxime. Der naive Tagtraum von einer schöneren Politik für ein schöneres Leben."
Bloch: "Wir haben also… wir haben nur Hoffnung… nur."
Heimat in der Utopie
In der Utopie hat der Rastlose seine Heimat gefunden, dieser philosophische Metaphysiker und ketzerische Querdenker Ernst Bloch.
"Etwas treibt in uns, will weiter!".
Bis zum Schluss. Bis sich der 92-Jährige eines Morgens entkräftet vor den Manuskriptschrank seines Arbeitszimmers legt. "Ich kann nicht mehr" soll der letzte Satz gewesen sein, den er raunte - heute vor 40 Jahren.