Aarhus hat sich für das Jahr 2017 das Motto "Rethink" - neu denken/anders denken - gegeben. In Kolloquien, Ausstellungen aber auch im öffentlichen Raum werden die Fragen gestellt, die im Moment viele Menschen beschäftigen: Was ist die Zukunft der Demokratie in Europa? Wie bewahren wir die Vielfalt des Denkens im Angesicht rechtsnationaler Abschottungstendenzen? Wie können nachhaltige Gesellschaften aussehen, die trotzdem keine Einschränkungen bei der Umsetzung ihrer digitalen Agenda hinnehmen wollen?
Der Autor Harald Brandt über Aarhus:
Dabei werden Entwicklungen aufgegriffen und in einen erweiterten Kontext gestellt, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Stadt verändert und neu gestaltet haben. Zum Beispiel die Verlagerung des Containerterminals nach Süden und die Entwicklung eines neuen Stadtviertels im Norden.
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Das
Aarhus-2017-Team um die englische Festivalleiterin Rebecca Matthews stellt die Fragen, die viele Europäer im Moment beschäftigen. Diversität, Demokratie und Nachhaltigkeit sind die Leitmotive.
Rebecca Matthews: "Ich bin britisch, der Brexit hat leider stattgefunden. Es kann natürlich nicht die Aufgabe einer Kulturhauptstadt sein, detaillierte Protokolle zu erarbeiten, wie man diese Probleme lösen kann, aber wir können eine Plattform für offene Diskussionen schaffen."
Was bedeutet die aktuelle Krise wirklich, was bedeutet sie für Dänemark, was bedeutet die für Europa? Ist Demokratie ein Auslaufmodell?
Trailer zu den Krimis mit Dicte Svendsens auf Youtube:
Südlich von der neuen Bibliothek Dokk1 befindet sich ein altes Gaswerk, das seit 30 Jahren als Residenz für Maler und Bildhauer genutzt wird. In dem Atelier der Malerin Lena Kühl hängen Bilder, in denen sie mit kraftvollen Farben ihre Eindrücke von der früheren dänischen Kolonie verarbeitet. In diesem Teil des Hafens gibt es eine soziale Einrichtung für Grönländer, die auf der Straße leben und Alkoholprobleme haben, sagt sie. Die Frage nach der eigenen Identität ist für die jungen Moslems, die als Flüchtlinge nach Dänemark gekommen sind, genauso schwierig wie für die Grönländer, die zwar die dänische Nationalität haben, die aber auch aus einer ganz anderen Kultur kommen.
1953 wurde Grönland, nach über 200 Jahren dänischer Kolonialherrschaft als eigene Provinz in das Königreich Dänemark eingegliedert. 1978 stimmte die Mehrheit der Inselbevölkerung für die Autonomie und seit 1979 hat Grönland ein eigenes Parlament, das die Geschicke der Insel bestimmt. Die Hoheit über die Justiz sowie die Verteidigungs- und Außenpolitik liegt aber immer noch in Kopenhagen. Zwei grönländische Abgeordnete sitzen als ständige Vertreter im dänischen Parlament.
Kolonialherrschaft bedeutet auch eine gemeinsame Geschichte, meint der grönländische Polarforscher Minik Rosing: "Dänemark ist so ein kleines Land, und der einzige Ort, wo man durchatmen und sich frei fühlen kann, ist Grönland. In dieser ganzen Debatte, was Dänemark aus Grönland herausholt – in Anführungsstrichen – wird oft vergessen, dass Dänemark etwas bekommt, was exotisch und interessant ist, und was mit Lebenserfahrung oder Erweiterung des Horizonts zu tun hat."
Dänemarks Einwanderungspolitik
Ein Gespräch mit der Autorin Janne Teller über die Abschottungstendenzen in Europa: "Ich sehe das auch in Dänemark, über Jahre hinweg wurde die Menschenrechtserklärung immer mehr kritisiert - die internationale Flüchtlingskonvention - und als etwas dargestellt, das radikal oder fundamentalistisch ist. Irgendwie haben es die rechten Nationalisten geschafft, die Ideen der Aufklärung zu pervertieren und sie als fundamentalistisches Gedankengut hinzustellen. Wenn ein Land, das so reich und so stabil wie Dänemark ist, den internationalen Verpflichtungen nicht mehr nachkommt, weil es vielleicht etwas unkomfortabel ist und weil manche Leute denken, dass wir schon zu viele Flüchtlinge haben - was wirklich nicht der Fall ist - warum sollte dann irgendein anderes Land noch seine Verpflichtungen respektieren?"
Trailer zu "Nichts. Was im Leben wichtig ist" auf Youtube:
Über Janne Teller:
Bevor sich Janne Teller ausschließlich dem Schreiben widmete, hat die studierte Politikwissenschaftlerin lange Zeit für die UNO in verschiedenen Krisenregionen der Welt gearbeitet. In ihrer Novelle "Nichts" beschreibt Janne Teller das Schicksal eines jungen Mannes, der auf einen Baum klettert und deklariert, dass das Leben keinen Sinn hat. Seine Mitschüler sind entsetzt. Sie versuchen ihm das Gegenteil zu beweisen. In einer Scheune entwickeln sie ein Ritual, bei dem jeder von ihnen das opfern muss, was ihm im Leben am wertvollsten ist. So wollen sie ihren Mitschüler Pierre davon überzeugen, dass es jenseits aller persönlichen Werte noch etwas Größeres, Höheres gibt. Aber das Ritual entwickelt eine grausame Eigendynamik, die in einem Mord endet. JanneTeller: "Irgendwann wird die Idee, den Sinn des Lebens zu finden, wichtiger als das Leben selbst, als die Gefühle füreinander, die Gefühle für sich selbst. Und das ist typisch für Gruppen, die fanatisch werden."
Treppe der Evolution im Museum für Archäologie und Vorgeschichte Moesgaard, südlich von Aarhus.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Am kleine Fluss Aarhus Å ist Aarhus entstanden. Der alte Name Aros steht für "Stadt am Fluss". Diese wurde von den Wikingern um das Jahr 770 als Handelszentrum gegründet. Die Topografie der Küste und die Auenlandschaft an der Flussmündung machten diese Gegend für sie interessant. Hier waren ihre Langboote vor den Winterstürmen geschützt und an den Flussufern konnte man die Waren lagern, die sie auf ihren Beutezügen zusammengetragen hatten.
Jeanette Varberg, Museum für Vorgeschichte und Völkerkunde
Moesgaard: "Bei Ausgrabungen im Stadtzentrum hat man Überreste von kleinen Geschäften und Ständen gefunden, wo zum Beispiel Kämme oder Textilien gehandelt wurden. Alles, was die Leute brauchten, wurde in so einer Stadt umgeschlagen. In einem Grab hier haben wir Frauenskelette gefunden, und die Analyse der Strontiumisotopen in den Knochen zeigte, dass diese Frauen wahrscheinlich aus Polen kamen. Das waren vielleicht Sklavinnen, die man von einem der Beutezüge mitgebracht hatte."
Blick über die alten Hafenanlagen vor der neuen Zentralbibliothek.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Vor über zehn Jahren wurde mit der Umgestaltung des Hafens begonnen. Stadtarchitekt Stephen Willacy: "Als ich hierher kam, gab es wenig Kontakt zwischen der Stadt und dem Hafen und dem Wasser. Es war ein Industriehafen. In den letzten zehn Jahren haben wir die Hafenfront und den alten Containerbereich umgekrempelt. Jetzt gibt es einen visuellen und direkten physischen Kontakt mit der Bucht. Der alte Containerhafen war auch zu klein geworden und hatte außerdem nicht mehr genug Tiefe für die großen Containerschiffe. Das war auch ein Grund, warum man plante, den Containerhafen weiter nach draußen zu bauen, um ihn für die großen Schiffe besser zugänglich zu machen."
Neubauten im ehemaligen Containerhafen.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Der Schiffsbau wurde in Aarhus Ende 1999 eingestellt, nachdem die Betreiberfirma der Werftanlagen Pleite gegangen war. Aus dem Hafenbereich direkt gegenüber der Altstadt von Aarhus sind mit der Verlagerung des Containerterminals nach Süden alle Industriegebäude verschwunden. Nur das Zollhaus und ein denkmalgeschütztes Lagerhaus stehen noch dort. Manche Menschen befürchten, dass die alte Hafenatmosphäre ganz aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwindet, aber der Stadtarchitekt Stephen Willacy hält dagegen: "Im Südhafen stehen die Dinge ganz anders. Einige der alten Kraftwerke sind in Büros und moderne Gemeinschaftseinrichtungen umgewandelt worden. Noch weiter südlich, im Schlachthofdistrikt, gibt es eine Menge von heruntergekommenen Gebäuden, wo sich jetzt viele Startup-Firmen angesiedelt haben, das ist ein sehr kreatives Viertel. Die alte Architektur und ihr Umfeld haben einen authentischen Charakter, den wir erhalten wollen, selbst wenn die Gebäude an sich architektonisch nichts Besonderes sind."
Nachhaltigkeit ist eins der Leitmotive, die das Programm von Aarhus 2017 bestimmen. Dabei spielen die Fragen der Energieerzeugung eine zentrale Rolle. Auf einem Kai in der Nähe des neuen Containerhafens im Süden der Stadt befindet sich das Testzentrum für Windturbinen der Firma
Vestas. Hier werden alle Komponenten eines Windkraftwerks getestet, sagt der leitende Ingenieur Kasper Tobiesen. Die größte Testbank ist 42 Meter lang, 9 Meter breit und bringt zusammen mit dem Motor, den zu testenden Generatoren oder Getrieben und dem Windsimulator ein Gewicht von 700 Tonnen auf die Wage. Es ist die größte Anlage dieser Art weltweit, hier testet Vestas die neue Generation von 20-Megawatt-Turbinen. "Das ganze Gebäude ist eine alte Werft, die vor vielen Jahren ein Teil der alten Aarhus Trockendocks war. Wir haben uns 2004 für diese Anlage entschieden, weil sie die richtige Höhe und die richtige Länge für die großen Kurbelwellen bietet."
Zentralbibliothek Dokk1 im Hafen
Das futuristische Gebäude der neuen Zentralbibliothek
Dokk1 auf den alten Kais im Hafen hat sich schnell zu einem Treffpunkt für Menschen jeden Alters und aus allen Bevölkerungsschichten entwickelt. Hinter den alten Silos, die bei der Eröffnungsfeier des Kulturhauptstadtjahrs als Projektionsfläche dienten, befindet sich ein Filminstitut, auf der anderen Seite der Kais ist eine Modefirma in die Hallen der stillgelegten U-Boot Werft eingezogen. Stephen Willacy: "Ein großer Teil der Menschen, die in Aarhus leben, sind Studenten, etwa 52.000 bei einer Gesamtbevölkerung von 320.000. Also, demografisch sind wir eine junge Stadt, da gibt es auch Bedarf nach Studentenunterkünften. Wir beschäftigen uns gerade damit, wie man diese Herausforderung am besten meistern kann."
Museum für moderne Kunst ARoS.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Schon 1859 wurde das Kunstmuseum
ARoS eingeweiht, das bis heute ein Publikumsmagnet ist. Mit der Eröffnung des zehn Stockwerke hohen Neubaus im April 2004 wurde ARoS zu einem der größten Kunstmuseen in Nordeuropa. Über 800.000 Menschen aus der ganzen Welt besuchen jährlich die Ausstellungen und Installationen. "No man is an island - Kein Mensch ist eine Insel" ist der Titel einer Ausstellung, die sich mit den aktuellen Entwicklungen in Europa und der Welt beschäftigt.
Erlend Hoyersten (Direktor): "Das erste, was ins Auge fällt, bevor man den Text sieht, ist ein riesiger, zusammengekauerter Junge. Es ist ein sehr großer Junge, wenn er sich erheben könnte, wäre er zehn Meter hoch. Aber jetzt ist er mehr wie fünf Meter, vier Meter. Diese Skulptur ist zu einer Ikone für ARoS geworden - er war früher unten in der Eingangshalle, also in einem sehr offenen Raum - die Kinder haben ihn geliebt und auch die Erwachsenen. Aber als wir ihn nach oben in die Galerie gebracht haben, wo die Decke viel niedriger ist, sieht er auf einmal aus, als hätte er Angst, erdrückt zu werden. Heute sieht man all diese Bilder von Flüchtlingskindern. Und man verschließt sich davor, um sich zu schützen. Man verdrängt das. Wenn man dann plötzlich mit diesem großen Jungen konfrontiert ist, der in seinem engen Raum verängstigt wirkt, dann wird man an die Bilder erinnert, die so schwer zu ertragen sind."
Hinter dem Jungen ist eine 20 Meter lange, schwarze Tafel, die ein bisschen wie das Vietnam-Memorial in Washington aussieht: Weiße Namen auf einer Oberfläche, die schwarzem Granit ähnelt. Hier befinden sich die Namen von Banken, die zwischen 2008 und 2013 bankrott gegangen sind – eine immense Zahl.
"The Aarhus-Story" im Freilichtmuseum Den Gamle By
Den Gamle By, was übersetzt "Die alte Stadt" bedeutet, ist wie ein großes Dorf, in dem Wohnhäuser, Geschäfte und Werkstätten aus vielen Jahrhunderten die Geschichte des Landes wieder lebendig machen. Im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres wird das Museum um eine unterirdische Anlage erweitert. Martin Brand Djupdræt, dem Kurator des Projekts "The Aarhus Story", geht es darum, authentische Orte aufzubauen, die für die Entwicklung der Stadt wichtig waren: "Das ist eine Dampflokomotive aus dem Jahr 1920, die hier in Aarhus gebaut wurde. Aarhus hatte ein enormes Wachstum und es gibt zwei Hauptgründe dafür: Da ist der Hafen mit hochqualifizierten Leuten und dann ist da die Eisenbahn. Man hatte sich entschieden, die Eisenbahn durch Aarhus zu führen - es hätte auch andere Strecken durch Jütland geben können -, aber Aarhus hat diesen Wettbewerb sozusagen gewonnen. Durch die Bahnstrecke bekamen wir Verbindungen nach Deutschland und in andere Teile Dänemarks."
Der Fluss Aarhus Å im Zentrum von Aarhus.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Mit der Industrialisierung entwickelte sich in Aarhus eine starke Gewerkschaftsbewegung, die den Bau von Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen durchsetzte. Es war schwierig, genügend Ärzte zu finden, erzählt mir Martin Brand Djupdræt bei unserem Weg durch die neue Ausstellung "The Aarhus Story", das war mit ein Grund, warum in den 1920ern die Universität gegründet wurde. Und mit der besseren Ausbildung stieg das Bedürfnis nach Kultur und Kunst. So entstanden das Schauspielhaus und die Musikakademie.
Auf einem Schienengelände in der Nähe des Bahnhofs befindet sich das Kulturzentrum
Godsbanen. Ursprünglich war es ein Ensemble von Werkstätten und Montagehallen, in denen Lokomotiven und Wagons repariert wurden. Werkstätten gibt es immer noch, aber sie dienen der Herstellung von Skulpturen, Plakaten und Dekoelementen für die Theateraufführungen, die hier stattfinden.
Das Projekt "Atlas von Aarhus"
Robert Christensen leitet das Projekt
"Atlas von Aarhus". Es geht darum, jeden Tag einen Text über Aarhus zu veröffentlichen, der auf unkonventionellen Trägern auch Leuten zugänglich gemacht wird, die sonst nicht lesen. Das können Texte sein, die auf Hauswänden, Türen, Parkbänken oder den Reifen der City Bikes stehen, oder sogar auf dem knallgelben Strafzettel für Falschparker. "Es geht also darum, Barrieren zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen hier in Aarhus zu überwinden. Meine Idee ist, dass sich die Menschen in Aarhus besser kennenlernen, wenn sie sich hinsetzen und die gleichen Geschichten lesen und so vielleicht mehr Interesse und Empathie füreinander entwickeln."
Das Projekt "Rethink the human being"
8.000 Broschüren des Frage-und-Antwort-Spiels
"Rethink the human being" hat Christian Diedrichsen beim Musikfestival in Roskilde verteilt. Er erzählt von Menschen, die sehr ungehalten reagieren, wenn sie mit Fragen nach dem Sinn des Lebens und der eigenen Haltung in der Gesellschaft konfrontiert werden. Aber in den meisten Fällen ist die Reaktion positiv und es entstehen lebhafte Diskussionen. "Vor fünf Jahren, als die Debatte in der Stadt über das Thema "Rethink - Überdenken" begann, gab es eine Menge Projekte, die Dinge außerhalb von uns selbst überdenken wollten. Das Überdenken unserer Kommunikationssysteme zum Beispiel, oder wie man Leute zusammenbringt, die vorher noch nicht zusammengearbeitet haben. Aber wir haben keine Projekte gesehen, bei denen wir uns als Menschen überdenken konnten. Daraus entstand dann eine Vereinigung, die wir "Rethink the human being - den Menschen überdenken" genannt haben. Wir sind immer noch dabei, herauszufinden, was das genau bedeutet, und das tun wir, indem wir Projekte anstoßen. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger auf den Antworten, sondern mehr auf den Fragen. Wir versuchen, einen Rahmen für diese Selbstreflexion zu schaffen - im persönlichen Bereich, aber auch im sozialen Umfeld, also bei der Interaktion mit anderen Menschen."
Das Projekt "Moving Spaces"
Die deutsch-französische Theatermacherin Isabelle Reynaud lebt seit 1990 in Dänemark. Im Rahmen der Kulturhauptstadt realisiert sie mit anderen Künstlern aus Aarhus das Projekt
"Moving Spaces". Es sind Interventionen in acht verschiedenen Städten Jütlands, die immer das Ziel haben, anonym oder kalt wirkende urbane Räume menschenfreundlicher zu gestalten. Ihre eigenen Inszenierungen an verschiedenen Theatern basieren sehr oft auf einer dokumentarischen Recherche über Menschen, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen. "Ich habe immer so gearbeitet, dass ich irgendwelche Themen, die mich interessiert haben, aus persönlich Gründen, da habe ich dann die Leute interviewt. Zum Beispiel, ich habe ein persönliches Problem, dass ich mit Alkoholismus aufgewachsen bin. Und dann habe ich ein Stück gemacht über erwachsene Kinder von Alkoholikern. Da haben wir 33 erwachsene Alkoholikerkinder interviewt, und dann haben vier Schriftsteller und Dramatiker auf Grund dieser Interviews zusammen ein Stück geschrieben."
Das Projekt "Kein Mensch ist eine Insel - Die satanischen Verse"
Ausstellung "No man is an island - The satanic verses" in ARoS, 2016/2017.© Deutschlandradio / Harald Brandt
Erlend Hoyersten wundert sich, dass die Aufdeckung weltweiter Korruptionsmechanismen auf höchster Ebene, die durch die Panama Papers 2016 ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wurden, so schnell wieder aus dem Bewusstsein verschwunden ist. Er glaubt, dass vielen Regierungen das Überangebot an wahren oder falschen Informationen durchaus genehm ist, weil es dazu beiträgt, die Fähigkeit zu kritischer Reflexion einzuschränken. Eine Ausstellung wie
"Kein Mensch ist eine Insel - Die satanischen Verse", die im AroS stattfindet, ist für ihn wie ein "mentales Fitnessstudio". Ein Raum, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und neue Perspektiven zu entwickeln. "Für monochromatisches Denken - im politischen oder im religiösen Bereich - ist die Kunst gefährlich. Das konnte man im Dritten Reich sehen, in der Sowjetunion und jetzt vielleicht auch bei Trump. Literatur und Kunst sind gefährlich. Warum? Weil Kunst eine Einladung ist, anders zu denken. Das hat etwas mit dem innersten Wesen des Menschen zu tun, deshalb brauchen wir Kunst in einer Gesellschaft. Um die Fähigkeit zu bewahren, in verschiedenen Perspektiven zu denken und zu sehen."
Panama Papers, Brexit, populistische Strömungen in vielen Ländern Europas, Klimawandel und globale Flüchtlingsbewegungen - die Bandbreite an Themen, die während des Kulturhauptstadtjahres 2017 in Aarhus angesprochen werden, ist groß. Aber der Glaube an die heilenden Kräfte von Solidarität, Dialog und kreativer Energie ist bei den Festivalmachern ebenso ungebrochen,
Produktion dieser Langen Nacht:
Autor: Harald Brandt, Redaktion: Dr. Monika Künzel, Regie: Harald Brandt, Sprecher: Bodo Primus, Caroline Schreiber, Anne Leßmeister, Nadine Kettler, Doris Wolters, Oliver Kraushaar, Stephan Roschi, Robert Besta, Web- und Webvideoproduktion: Jörg Stroisch
Über den Autor:
Harald Brandt lebt und arbeitet als Autor und Journalist in Wiesbaden. Er studierte Philosophie an der Universität Hamburg und machte später eine Theater- und Tanzausbildung an der Universität der Provence in Aix-Marseille I. Seit 1986 ist er als freier Autor und Regisseur für deutsche und französische Rundfunkanstalten tätig. Zusammen mit anderen Künstlern betreibt er die Webseite Auditorium Mundi, bei der es um die Erforschung narrativer Strukturen in den Klängen der Welt geht.