Aidan Truhen: "Fuck you very much"
Aus dem Englischen von Sven Koch und Andrea Stumpf
Suhrkamp, Berlin 2018
350 Seiten, 14,95 Euro
Krimi im Stil einer Screwball-Komödie
Jack Price aus Aidan Truhens "Fuck you very much" ist Drogendealer und versorgt seine Kunden mit bestem Stoff zu Spitzenpreisen. Sein Geschäft läuft blendend, bis ihm eine Bande von Auftragskillern auf den Leib rückt. Doch Jack wehrt sich mit Kürbiskanone und Dauergequassel.
Vermutlich konnten weder Gerhard Schröder noch Peter Hartz wirklich vorstellen, was eine Ich-AG ist, obwohl sie diese Lebensform erfunden hatten. Sie hatten "Fuck you very much" von Aidan Truhen noch nicht gelesen. Denn das ist der erste Roman, der diese neue ökonomische Spezies in der ganzen herrlichen Selbstüberschätzung darstellt, die man zu ihrer Verwirklichung braucht. Er ist erst jetzt erschienen. Verfasst ist er von einem gewissen Aidan Truhen. Das ist ein Pseudonym. Nach der atemlosen Lektüre vermutet man dahinter etwas ganz Seltsames. Zum Beispiel ein Schreibcomputer auf Speed, ein Alien oder ein Wiedergänger von Laurence Sterne, der im 18. Jahrhundert die Abweichung vom Thema zur Kunstform erhoben hat.
Drogendealer als Ich-AG
"Fuck you very much" erzählt, wie die Ich-AG Jack Price unverschuldet in eine Krise gerät und sich daraus befreit. Price ist Drogendealer und liefert, wie schon Zoë Becks "Lieferantin" saubere Drogen zu Spitzenpreisen. Price ist ein Genie in digitaler Akquise und Marketing, ein Vertriebs-As, an dem sich die Leute, die Bitcoins in Dollars und Euros umwandeln, noch ein Scheibchen abschneiden können. Statt zu verraten, wie sein Laden läuft, agiert er wie Mark Zuckerberg und Steve Jobs, indem der Cyber-Kriminelle sich als der Beste und Größte aufplustert: "Ich bin das Uber der illegalen Drogen." "Ich bin Infrastruktur." Eines seiner Produkte heißt "Weißer Peruanischer Hengst" - Wow!
Als Jacks streitsüchtige 80-jährige Nachbarin eine Etage unter seinen Privatgemächern erschossen wird, weiß er, dass sich was gegen ihn zusammenbraut. Und schon erscheinen sie am Handlungshorizont, die "Sieben Dämonen": die tödlichste, nie versagende Bande von Auftragskillern mit einem PR-Profi als Chef. Jack erwacht aus seiner tiefen Langweile. Da er als Ich-AG weitgehend auf sich gestellt ist, bleiben ihm nur zwei Waffen: die Überraschung und das Quasseln. Beides beherrscht er aus dem Effeff. Einen der Dämonen nietet er mit einer Kürbiskanone um, und sein Gequassel bringt alle um die Orientierung, manchmal sogar den Leser. Denn Jack Price ist - wie kann es anders sein - der überdrehte Ich-Erzähler dieses vollständig abgefahrenen Romans.
Überdreht, bizarr und karnevalesk
Truhen steht in der Tradition der Kriminalschriftsteller, die aus dem eh schon künstlichen Gebilde Krimi durch Wortwitz, überdrehte Handlung und bizarre Figuren ein karnevaleskes Verwirrspiel machen. Beliebt ist dieses Modell besonders im angelsächsischen Bereich, etwa bei Declan Burke, Christopher Brookmyre oder Elmore Leonard. Im besten Fall verwandeln sich diese von Sketch zu Sketch hetzenden mit Waffen ausgetragenen Screwball-Comedies in literarische Zerrspiegel, die erhellende Blitze auf die sogenannte Realität werfen und deren Absurdität durchschaubar machen. Truhens 350 Seiten langes Wortgewitter gelingt dies so blendend, dass wir am Ende fest davon überzeugt sind, dass die zukünftige Gesellschaft nur aus Ich-AGs bestehen und höllisch viel Spaß haben wird. Jacks Warnung zum Trotz: "Ich bin ein Arschloch."