"Ich will schon auch Sand im Getriebe sein"
Hanna Poddig hat keinen Beruf erlernt, ist aber rund um die Uhr beschäftigt: Sie kettet sich an Bahngleise, klettert aufs Brandenburger Tor, seilt sich von Brücken ab oder hält kritische Reden auf Aktionärsversammlungen. Die 32-Jährige sieht sich als Vollzeitaktivistin. Zur Zeit kämpft sie vor allem gegen Atomtransporte. Was treibt sie dazu?
"Vielleicht ist es der LKW, den ich sehe, der am nächsten Kindergarten vorbeifährt. Vielleicht ist es auch das Schiff, auf dem es einen Großbrand gibt, und dann kommt erst Wochen später raus, dass der Senat gerade versucht zu verheimlichen, dass da nukleare Stoffe an Bord waren und was da eigentlich alles hätte passieren können. Es ist glaube ich immer so ein Puzzle von unterschiedlichen Dingen, die mich an den Punkt bringen zu sagen: Ich kann und will es so nicht stehen lassen, und ich will mich in irgendeiner Form einbringen."
Hanna Poddig lehnt den Staat ebenso ab wie die herrschende Wirtschaftsform. Ihr Essen holt sie sich deshalb aus Müllcontainern großer Supermärkte, ihre Kleidung ist gebraucht, und sie lebt meistens bei Freunden. Wobei ihr klar ist, dass sie immer auch Teil des Systems, das sie eigentlich ablehnt, bleibt:
"Auf eine gewisse Ebene entziehen kann ich mich alleine deswegen nicht, weil ich mich in dieser Welt bewege. Ich will nicht als Einsiedlerin im Wald leben. Ich habe auch irgendwie eine Krankenversicherung und finde das auch gut so, und natürlich komme ich aus ganz vielen Dingen an der Stelle nicht raus."
Tipps für ein Leben im Protestmodus
Selbst Gefängnisstrafen können die selbst ernannte Widerstands-Nomadin nicht abschrecken. In ihrem 2009 veröffentlichten Buch "Radikal mutig - Meine Anleitung zum Anderssein" agitiert sie gegen das bestehende System und gibt praktische Tipps für ein Leben im Protestmodus. Dadurch ist Hanna Poddig bekannt geworden und trat in verschiedenen Talkshows auf. Als Ikone des Widerstands sieht sie sich allerdings nicht:
"Ich will schon auch Sand im Getriebe sein. Und ich komme nicht raus aus dem Dilemma, dass Leute, denen das gefällt, ein Stück weit dazu neigen, solche Sachen auch zu verklären. Aber was ich mir wünschen würde ist, dass Menschen selber aktiv werden."
"So viel Gewalt wie nötig und so wenig wie möglich"
Wobei sie den Einsatz von Gewalt nicht ausschließt:
"Ich bin überhaupt gar kein Fan davon, Menschen wehzutun. Und trotzdem gibt es Momente, in denen ich es nicht falsch finde, und ich glaube, da würden mir die meisten Leute auch zustimmen, weil es Notwehr-Momente gibt. Weil es Momente gibt, in denen ich mich z.B. gegen einen Übergriff auch körperlich wehre. Dann mache ich das nicht, weil ich ein Fan von Gewalt bin, sondern weil ich so viel Gewalt wie nötig und so wenig wie möglich einsetzen will. Und so ist es in der politischen Auseinandersetzung auch."