Alain Badiou: "Trump. Amerikas Wahl"

Wie Widerstand möglich ist

Trump steht vor schwarzem Hintergrund an einem Rednerpult, spricht und gestikuliert mit der rechten Hand.
US-Präsident Donald Trump kündigt am 16.06.2017 in Miami (USA) neue Maßnahmen in der Kuba-Politik an. © Evan Vucci/AP/dpa
Von Svenja Flaßpöhler |
Wie erklärt man den Wahlsieg Donald Trumps? Dieser Frage geht Alain Badiou in seinem Buch "Trump" nach. In zwei Essays bezieht der Philosoph Stellung zur Situation in den USA. Neben der Analyse entwickelt er einen radikalen Gegenentwurf.
Trump ist das Symptom einer Welt, in der es keine Wahl gibt: Das ist die Kernthese des jüngsten Buches von Alain Badiou, einem der führenden Intellektuellen Frankreichs, Schriftsteller, Philosoph, Kommunist. In zwei Vorträgen liest Badiou den US-Präsidenten als notwendige Folge eines alternativlosen Kapitalismus. Hatte es bis in die 1980er-Jahre hinein noch den kommunistischen Weg als real existierende Alternative gegeben, die mit dem Eigentum auch die Ungleichheit abschaffen wollte, ist die Welt, wie wir sie heute kennen, durch die Überzeugung gekennzeichnet, "dass der liberale Kapitalismus, der praktisch alle Länder der Welt beherrscht, das einzig mögliche Schicksal der Menschen darstellt."

Demokratischer Faschismus

Doch der Kapitalismus sei an seine Grenze des Möglichen gestoßen, so Badiou. Er werde den Herausforderungen der Gegenwart immer weniger gerecht, was zur Erosion des politischen Systems, ja, geradewegs in einen "demokratischen Faschismus" führe. Der demokratische Faschismus zeichne sich durch Politiker aus, "deren Typ weniger dem des gebildeten Politikers, als mehr und mehr dem des Gangsters und Mafiosos entspricht." Siehe Berlusconi, siehe Sarkozy, siehe Trump, Männer, die den Faschisten der 1930er-Jahre durchaus ähneln, wie Badiou meint, nur dass ihnen "keine unbeugsamen Feinde gegenüber" stünden "wie damals in Gestalt der UDSSR und der kommunistischen Parteien." Weil das politische System, um stabil zu bleiben, am Kapitalismus unhinterfragt festhält und nur einen "schwachen Widerspruch" von links und rechts akzeptiert, fehlt dieser Feind gegenwärtig. Oder man müsste genauer sagen: er fehlt noch. Denn durch die wachsende Unzufriedenheit und linke Akteure wie Bernie Sanders wird der Antagonismus wieder stärker, das System kommt unter Spannung – was Badiou klar als Chance sieht.

Die Gewalt der Gleichheit

Doch so nachvollziehbar Badious Ruf nach einer wahren Wahl sein mag: Geradezu manichäisch mutet das Weltbild des Philosophen an, wenn er den liberalen Kapitalismus als "Ungeheuer" beschreibt, aus dessen "Bauch" uns nur das Licht des kommunistischen Versprechens zu führen vermag. Dialektisch zu denken hieße, die Widersprüchlichkeit ein- und derselben Sache zu sehen und so vermeintliche Gegensätze zu überwinden. Genau das tut Badiou aber nicht, wenn er, wie so viele vor ihm, den bösen Liberalismus vom guten Kommunismus unterscheidet. Dialektisch im schönsten Sinne wäre es gewesen, sich dieser Aufgabe zu stellen: Wie ließe sich das liberale Ideal der Freiheit mit dem kommunistischen Ideal der Gleichheit vereinen? Stattdessen wandelt Badiou auf längst ausgetretenen Pfaden, was sein Buch so ungeheuer ermüdend macht.

Alain Badiou: Trump. Amerikas Wahl
Herausgegeben von Peter Engelmann
Übersetzt von Martin Born
Passagen Verlag Wien 2017
72 Seiten, 10,20 Euro

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