Allergien

Bauernhofkinder sind gesünder

Ein kleiner Junge besucht Kühe im Stall.
Auf einen Bauernhof zu ziehen, ist vermutlich die effektivste Maßnahme, um seinen Nachwuchs vor Allergien zu schützen. © imago/Michael Westermann
Von Christine Westerhaus |
Wer als Kind viel im Kuhstall gespielt hat, hat gute Chancen, ohne Heuschnupfen und Asthma groß zu werden. Neben der Milch schützt auch die Stallluft Kleinkinder vor Allergien. Warum das so ist, fangen die Wissenschaftler erst jetzt an zu verstehen.
Der Bauernhof "Gunnagård", etwa 40 Kilometer von Göteborg entfernt. 80 Kühe trotten hier zwei Mal täglich zur automatischen Melkanlage.
Bauer Gunnar Niklason und seine Frau Ulla trinken die Milch ihrer Kühe seit vielen Jahren unbehandelt. Nicht pasteurisiert und nicht homogenisiert. Als Rohmilch also. Beide sind überzeugt, dass die Milch gut ist für sie und ihre Kinder:
Ulla Nilson: "Wir haben vier eigene Kinder und keines von ihnen ist allergisch."
Wer von klein auf Rohmilch trinkt, ist besser vor Allergien geschützt als Kinder, die mit pasteurisierter Milch groß werden. Das haben Studien gezeigt, in denen Forscher untersucht haben, warum Kinder vom Bauernhof seltener Allergien bekommen, als Stadtkinder. Erika von Mutius vom Haunerschen Kinderspital der LMU München war eine der ersten, die diesen Zusammenhang untersucht hat:
"Wir sehen ganz klar, dass wenn diese Milch erhitzt wird, auch wenn die Bauern ihre eigene Milch abkochen, dann geht dieser Effekt verloren."
Doch bisher waren es nur statistische Zusammenhänge, die die Forscher beobachtet haben, erklärt Johan Garssen von der Utrecht Universität.
"Bisher gab es keine Studie, bei der Forscher Rohmilch direkt vom Bauernhof an Tiermodellen getestet haben um zu sehen, ob sie tatsächlich vor Allergien schützt. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass Rohmilch das Allergierisiko tatsächlich beeinflusst."

Unbehandelte Kuhmilch kann gefährliche Keime enthalten

Erst vor einer Woche haben Garssen und seine Kollegen auf einer internationalen Konferenz zu Allergien eine Untersuchung vorgestellt, bei der sie Mäusen entweder Rohmilch zu trinken gaben oder abgekochte Milch. Alle Mäuse hatten durch gentechnische Veränderungen ein sehr hohes Risiko, Asthma zu entwickeln. Die Tiere, die abgekochte Milch bekamen, entwickelten später typische Anzeichen einer Asthma-Erkrankung. Mäuse, die Rohmilch zu trinken bekamen, blieben davon verschont.
Unbehandelte Kuhmilch kann jedoch unter Umständen gefährliche Keime enthalten, wie zum Bespiel Listerien oder EHEC. Johan Garssen rät Eltern deshalb davon ab, Kleinkindern Rohmilch zu geben. Er hält es für besser, in der Milch nach den Bestandteilen zu suchen, die verhindern, dass das Immunsystem fehlgeleitet wird:
"Bisher können wir aus unseren Ergebnissen zwar nicht ablesen, welche das sind. Doch wir werden das nun weiter aufdröseln, verschiedene Komponenten aus der Rohmilch isolieren und diese dann an unseren Mäusen testen. So finden wir hoffentlich am Ende heraus, welche Inhaltsstoffe den Schutz ausmachen."
Neben der Milch schützt auch die Stallluft Kleinkinder vor Allergien. Je früher sie damit in Kontakt kommen, desto besser, so Erika von Mutius.
"Wir wissen, dass während der Schwangerschaft, wenn die Mutter auf einem Bauernhof aktiv arbeitet, dass das Kind bei Geburt eine etwas andere Immunreaktion hat als Kinder, deren Mütter nicht auf dem Bauernhof, sprich im Stall, gearbeitet haben. Also die Prägung fängt ganz früh an, sie geht weiter über die ersten Lebensjahre. Also es ist nicht alles geschehen, aber die Kinder, die von Anfang an im Stall waren, die Mutter schon dort gearbeitet hat auch diese Milch mit konsumiert haben, dass die, wenn die immer wieder dem ausgesetzt sind, dass die den allerbesten Schutz haben."

Bakterien trainieren das Immunsystem

Sehr wahrscheinlich sind es die Bakterien in der Stallluft, die das Immunsystem trainieren. Denn kürzlich hat eine finnische Studie gezeigt: Kinder, die schon als Babys zuhause mit sehr vielen unterschiedlichen Bakterien in Kontakt gekommen waren, hatten im späteren Leben ein geringeres Risiko, an Asthma zu erkranken.
Die Forscher haben außerdem eine interessante Korrelation beobachtet: Wenn Babys in einem Haushalt aufwachsen, in dem ähnliche Bakterien vorkommen, wie auf Bauernhöfen, sind auch sie besser vor Asthma geschützt. Gemeinsam mit den finnischen Forschern sucht Erika von Mutius nun nach den Bakterien, die für den Schutzeffekt verantwortlich sind:
"Wir wissen, es ist der Kuhstall. Natürlich können Sie jetzt nicht eine Kuh in eine städtische Wohnung einbringen, aber da versuchen wir wirklich raus zu kriegen: Was sind die einzelnen Elemente die sich dahinter verbergen."
Falls es den Forschern gelingt, diejenigen Bakterien zu identifizieren, die für den Allergieschutz verantwortlich sind, könnte man diese Mikroben eventuell gezielt in Stadtwohnungen ansiedeln.

Alles vermeiden ist die falsche Idee

Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, wie Eltern ihre Babys möglicherweise vor Allergien bewahren können. Vor kurzem haben britische Forscher in der sogenannten LEAP-Studie nachgewiesen: Empfindliche Kinder tolerieren Erdnüsse später im Leben deutlich besser, wenn sie diese von klein auf in größeren Mengen gegessen haben.
Dieses Ergebnis widerspricht den Empfehlungen, die viele Eltern bisher befolgt haben: Es hieß, dass Babys mit einem erhöhten Allergierisiko möglichst spät Erdnüsse, Eier oder Weizen essen sollten, um nicht allergisch auf diese Lebensmittel reagieren.
Mutius: "Diese Idee, man müsste alles vermeiden. Das kann man heute nicht mehr aufrecht erhalten. Es gibt Studien, die das auch mit anderen Nahrungsmitteln bestätigen. Und natürlich kann man unsere Bauernhof Studien auch zum Teil in diese Richtung interpretieren."
Mit der Familie gleich ganz auf einen Bauernhof zu ziehen, wäre derzeit vermutlich die effektivste Maßnahme, um seinen Nachwuchs vor Allergien zu schützen.
Mutius: "Das gibt es jetzt hier im Bayerischen, dass Landwirte einen Kindergarten auf dem Bauernhof machen. Und das finde ich einfach eine super Idee. Weil ich glaube, dass es den Kindern Spaß macht, ich glaube, dass Kinder da auch lernen, wo Lebensmittel herkommen, was Tiere sind, wie ein solches Leben ist und wenn es vielleicht möglicherweise noch einen Schutz bietet vor Heuschnupfen-Entstehung, vor Allergieentstehung, bei Asthma ist es vielleicht mit drei Jahren schon ein bisschen spät - aber man kann ja auch Heuschnupfen und Allergien vermeiden, das wäre vielleicht durchaus eine Form, die man sich vorstellen kann."
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