Kunst als Konsumanreiz
Zwei gibt es bereits. Doch bald sollen die Art Malls in chinesischen Städten wie Pilze aus dem Boden sprießen. Die Frage Shoppen oder Museum stellt sich dann nicht mehr. Es wird einfach im Museum eingekauft.
Mitten in Shanghais Luwan Distrikt steht ein gigantischer, 61 Stockwerke hoher Wolkenkratzer. Das ist für die chinesische Megacity nichts Besonderes, allein in Shanghai gibt es weit über 300 davon. Das Einzigartige am "Hong Kong New World Tower" aber ist sein Inneres. Denn darin befindet sich die erste Art Mall der Welt, ein Hybrid aus kommerziellem Einkaufszentrum und Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst. Die wird nicht nur bei Sonderausstellungen in den eigenen Museumsräumen im Unterschoss gezeigt, sondern auch vereinzelt auf sechs Stockwerken vor Geschäften, in den Gängen, sogar in Aufzügen. Zwischen den Shops und Restaurants, Videoinstallationen, Skulpturen, Gemälde. Ein Mitarbeiter erzählt:
"Es gibt einen Buchshop, einen Laden für Kunst im Untergeschoss. Wir schaffen hier viel Raum für besondere Orte wie hier eine Leseecke oder auch Coffee-Shops oder Schokoladengeschäfte.Wir haben einen eigenen Museumsraum in der Ebene B3, das ist für all unsere Ausstellungen. Aber gleichzeitig haben wir im gesamten Raum der Verkaufsfläche Arbeiten von Künstlern. Genau dort, wo sich Menschen aufhalten. Wir haben chinesische Künstler, westliche Künstler, wie Damien Hirst usw.."
K11 nennt sich das Konzept des 38-jährigen Hong Kong Chinesen Adrian Cheng, einem der reichsten Männer Chinas. Cheng besitzt im ganzen Land Immobilien und mehrere Unternehmen, darunter die K11-Einkaufszentren und eine riesige Juwelierkette.
Kunst und Konsum
In den letzten Jahren wuchs er zu einem aktiven Kunstförderer in China. Seine 2010 gegründete Non-profit Organisation "K11 Art Foundation" fördert die zeitgenössische chinesische Kunst und ist zur Plattform für internationale Kulturprojekte gewachsen. Vor vier Jahren eröffnete Cheng seine erste Art Mall in Shanghai:
"K11 ist eine Marke, mit der wir versuchen zeitgenössische chinesische Kultur der Öffentlichkeit zu vermitteln. Es gibt einen traditionellen Vertrieb mit Verkauf, Einkaufszentren, Bürokomplexen. Die inhaltliche Seite wird von der Kunststiftung übernommen. Da geht es um einen Erziehungs- und einen Erfahrungsauftrag. Wir verbinden Kunst mit Konsum. Und das schöne daran ist, dass es nachhaltig ist. Denn wir machen Profit und diesen Profit können wir dann wieder in die Stiftung stecken. Und diese fördert dann wiederum die chinesische Kultur. Menschen können täglich Kunst und Kultur erleben, weil es öffentlich zugänglich ist. Es ist eine Demokratisierung der Kultur."
Kunst und Konsum zu verbinden ist nichts Neues, denkt man nur an Auktionshäuser oder große internationale Museen, die in ihren Shops fast jeden möglichen Gebrauchsgegenstand mit Prints von Monet, Modigliani oder Hockney anbieten, um die Kassen zu füllen. Ähnlich sieht es in den Art Malls auch aus, Adrian Cheng schafft mit seiner Kunststiftung aber zusätzlich einen Austausch mit westlichen Institutionen und arbeitet mit Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist oder Klaus Biesenbach.
Riesige Künstlerdörfer
"Oft beziehen wir die regionalen, lokalen Künstler mit in Projekte ein, um Wissenswertes über die Geschichte und das Kulturerbe der jeweiligen Regionen zu vermitteln. Wenn es im Norden ist, dann nehmen wir viele Künstler aus Peking. Es kommt immer auf das Projekt an, denn jedes hat eine eigene Personality.", sagt Adrian Cheng.
In den kommenden Jahren wird Adrian Cheng 24 Art Malls in neun chinesischen Städten eröffnen. Er versteht es als Sozialinnovation, die der Bevölkerung neue Bildungswege öffnet. Die Stiftung besitzt und kauft etliche Werke internationaler Künstler. Damit Adrian Chengs nationaler Erziehungsauftrag in den Einkaufszentren aber auch erfüllt wird, baut er riesige Künstlerdörfer. Dort wird der kreative Nachwuchs Chinas ausgebildet und später gefördert. Passen die Künstler und ihre Werke dann in das aktuell sehr von Medienkunst geprägte Programm von K11, wählen Kuratoren die Arbeiten später für das Museum oder die Einkaufszentren aus. Ein simpler kapitalistischer Gedanke, der hier der Kunst zu Gute kommt.
Adrian Cheng: "Wir sehen es nicht als Einkaufszentrum. Wir sehen es als einen Ort, an dem Einzelhandel kuratiert wird. In der Vergangenheit gab es für die Menschen nur feste Ideen. Museum ist ein Museum und Einkaufszentren sind Orte, an denen man einkauft. Das sind aber alles Teile deines Alltags, wieso also nicht einfach alles kombinieren? Es ist super einfach. Warum können Museen nicht in einem Einkaufszentrum sein? Weil es zu verpönt ist? Zu kommerziell, zu unprätentiös?"
Ein Geschäftsmann, der es nicht scheut, die Kunst zum uneingeschränkten Allgemeingut zu machen. Das ist eine feine Sache, solange die Kunstwerke in den Art Malls denn auch Kunst bleiben. Denn bereits der Philosoph Theodor W. Adorno sagte, dass Kunstwerke philosophisch reflektiert und nicht zur Ware reduziert werden sollten. Konsumierbar ist in den Art Malls fast alles, bis auf die Kunst. Die soll der Unterhaltung und der Weiterbildung dienen. Das gelingt an einigen Stellen allerdings nur bedingt. Eine Damien Hirst Bronzeskulptur einer schwangeren Frau ohne Kopf, vor einem Armani Store, wirkt dann doch wie Dekoration.