Atomenergie als Heilsbringer
James Lovelock gilt als Begründer der Gaia-Theorie. Diese beschreibt die Erde als ein sich selbst regulierendes, auf ein Gleichgewicht ausgerichtetes System. Dieses Gleichgewicht aber ist durch Menschenhand aus den Fugen geraten. Als Folge prognostiziert Lovelock Umweltkatastrophen unbeschreiblichen Ausmaßes. Er sieht nur einen Ausweg: die uneingeschränkte Nutzung der Atomenergie.
Der inzwischen 87-jährige englische Chemiker, Biologe, Biophysiker James Lovelock gilt als der Begründer der Gaia-Theorie, die die Erde als ein sich selbst regulierendes System versteht, das es bislang verstanden hat, die dem Leben zuträglichen Umweltverhältnisse zum Beispiel hinsichtlich der Temperatur, der Sonneneinstrahlung und so weiter stabil zu halten.
Jetzt allerdings droht dieses Gleichgewicht durch die durch Menschen gemachte Klimaerwärmung zu kippen – mit katastrophalen Folgen. Lässt sich der Klimawandel nicht mehr verhindern, werden die Meere so aufgeheizt, dass fast alles Leben aus ihnen verschwindet. Vom Äquator bis in den Norden der USA und Europas wärmen sich die Landmassen so auf, dass alle Wasserreservoire austrocknen, lebensfeindliche Wüsten entstehen. Der Rest der Menschheit, rund eine Milliarde Menschen flüchtet sich auf die nördliche Halbkugel, siedelt in der Nähe des Polarkreises auf den getauten arktischen Böden.
Eine apokalyptische Vision, die für James Lovelock nur durch den massiven Einsatz der Kernkraft verhindert werden kann. Sie allein stellt ausreichend kohlendioxidfreien Strom zur Verfügung, um die Zivilisation vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Die erneuerbaren Energien sind seiner Ansicht nach dazu nicht imstande.
Ausführlich begründet Lovelock die Vorteile der Atomenergie und mokiert sich über grüne Bedenkenträger, so als gäbe es keinerlei Gefahren. Tschernobyl ist für ihn ein kleiner Unglücksfall mit nur 75 Toten – vernachlässigbar gegenüber den Opfern, die ein Staudammbruch eines Wasserkraftwerkes fordern würde. Er beruft sich dabei auf Zahlen der WHO, die eindeutig getürkt sind und längst widerlegt. Allein tausende Helfer, die den Reaktormüll begruben, kamen ums Leben oder sind schwer erkrankt. Die Krebsrate der Kiewer Kinder ist drastisch erhöht. Lovelock schreckt selbst vor der absurden Behauptung nicht zurück, hochradioaktiver Abfall sei so harmlos, dass er gerne die ganze Jahresproduktion eines Kernkraftwerks in seinem Garten in Beton bette. Damit könne er prima sein Haus heizen. Gesundheitliche Gefahren gäbe es keine.
Auf der anderen Seite unterstellt er den erneuerbaren Energien weder ausgereift noch einsatzbereit, zu teuer und zu wenig effizient zu sein. Seine Vorwürfe sind kaum ernst zu nehmen, da er mit falschen Zahlen operiert. So behauptet er zum Beispiel, Solarzellen würden nur zehn Jahre halten, während jeder Hersteller heute 20 Jahre Lebensdauer garantiert, rechnet bei der Windkraft noch mit Ein-Megawattturbinen, während die Technik längst bei fünf Megawatt angekommen ist, beklagt die Verspargelung schöner Landstriche durch Windräder, verschweigt aber die Hunderte Kilometer langen Hochspannungsleitungen neuer Atomkraftwerke. Mit Windkraft könne man kein Auto antreiben. Offenkundig geht das mit Atomkraft. Zur Wärmedämmung schweigt der Autor, dabei verbrauchen Heizungen über ein Drittel der fossilen Energie.
Energieeffizienz in der Produktion - Fehlanzeige. Biogas – kaum erwähnenswert. Geothermie – ein lapidarer Hinweis, dass es nur wenige Orte gäbe, an denen sie leicht zu bekommen wäre. Stimmt, nur gilt das auch für eine Reihe von Uranfundstellen. Dass Uran ein endlicher Brennstoff ist, wischt er mit dem Hinweis beiseite, in Granit stecke auch Uran. Über die Kosten, es zu extrahieren, schweigt er sich lieber aus, so wie er überhaupt über die Kosten der Atomenergie, das heißt neuer Kraftwerke einfach hinweggeht, als seien sie aus der Portokasse zu bezahlen. Warum ist unter Bush trotz gelockerter Gesetzgebung in den USA kein einziges gebaut worden, wenn sie denn so kosteneffizient sind?
Völlig unverständlich auch Lovelocks Aussage, die Kernkraft könne kurzfristig helfen. Abgesehen davon, dass der Bau eines Reaktors rund zehn Jahre dauert, gibt es gar nicht ausreichend technische Kapazitäten, um hunderte gleichzeitig zu errichten. Die wären aber notwendig, um den CO² Ausstoß rasch zu senken.
Statt die erneuerbaren Energien, die es bereits gibt, zu propagieren, phantasiert James Lovelock von großtechnischen Lösungen wie einem riesigen Sonnenschirm im All, der einen Teil der Sonnenstrahlung ablenkt. Wie schnell so etwas gebaut werden kann, was es kostet und welche Folgewirkungen es haben könnte – danach fragt er nicht.
Auf solche Auslassungen, Ungereimtheiten, Falschmeldungen stößt man allerorten im Buch. So allgemeinverständlich James Lovelock auch formuliert, seine rätselhafte Einäugigkeit verärgert massiv. Das war von einem seriösen Wissenschaftler wie ihm nicht zu erwarten gewesen. Umso größer ist die Enttäuschung. Dem Klimaschutz erweist er damit einen Bärendienst.
Rezensiert von Johannes Kaiser
James Lovelock: Gaias Rache. Warum die Erde sich wehrt
Übersetzt von Hartmut Schickert
List Verlag Berlin 2007
294 Seiten, 18 Euro
Jetzt allerdings droht dieses Gleichgewicht durch die durch Menschen gemachte Klimaerwärmung zu kippen – mit katastrophalen Folgen. Lässt sich der Klimawandel nicht mehr verhindern, werden die Meere so aufgeheizt, dass fast alles Leben aus ihnen verschwindet. Vom Äquator bis in den Norden der USA und Europas wärmen sich die Landmassen so auf, dass alle Wasserreservoire austrocknen, lebensfeindliche Wüsten entstehen. Der Rest der Menschheit, rund eine Milliarde Menschen flüchtet sich auf die nördliche Halbkugel, siedelt in der Nähe des Polarkreises auf den getauten arktischen Böden.
Eine apokalyptische Vision, die für James Lovelock nur durch den massiven Einsatz der Kernkraft verhindert werden kann. Sie allein stellt ausreichend kohlendioxidfreien Strom zur Verfügung, um die Zivilisation vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Die erneuerbaren Energien sind seiner Ansicht nach dazu nicht imstande.
Ausführlich begründet Lovelock die Vorteile der Atomenergie und mokiert sich über grüne Bedenkenträger, so als gäbe es keinerlei Gefahren. Tschernobyl ist für ihn ein kleiner Unglücksfall mit nur 75 Toten – vernachlässigbar gegenüber den Opfern, die ein Staudammbruch eines Wasserkraftwerkes fordern würde. Er beruft sich dabei auf Zahlen der WHO, die eindeutig getürkt sind und längst widerlegt. Allein tausende Helfer, die den Reaktormüll begruben, kamen ums Leben oder sind schwer erkrankt. Die Krebsrate der Kiewer Kinder ist drastisch erhöht. Lovelock schreckt selbst vor der absurden Behauptung nicht zurück, hochradioaktiver Abfall sei so harmlos, dass er gerne die ganze Jahresproduktion eines Kernkraftwerks in seinem Garten in Beton bette. Damit könne er prima sein Haus heizen. Gesundheitliche Gefahren gäbe es keine.
Auf der anderen Seite unterstellt er den erneuerbaren Energien weder ausgereift noch einsatzbereit, zu teuer und zu wenig effizient zu sein. Seine Vorwürfe sind kaum ernst zu nehmen, da er mit falschen Zahlen operiert. So behauptet er zum Beispiel, Solarzellen würden nur zehn Jahre halten, während jeder Hersteller heute 20 Jahre Lebensdauer garantiert, rechnet bei der Windkraft noch mit Ein-Megawattturbinen, während die Technik längst bei fünf Megawatt angekommen ist, beklagt die Verspargelung schöner Landstriche durch Windräder, verschweigt aber die Hunderte Kilometer langen Hochspannungsleitungen neuer Atomkraftwerke. Mit Windkraft könne man kein Auto antreiben. Offenkundig geht das mit Atomkraft. Zur Wärmedämmung schweigt der Autor, dabei verbrauchen Heizungen über ein Drittel der fossilen Energie.
Energieeffizienz in der Produktion - Fehlanzeige. Biogas – kaum erwähnenswert. Geothermie – ein lapidarer Hinweis, dass es nur wenige Orte gäbe, an denen sie leicht zu bekommen wäre. Stimmt, nur gilt das auch für eine Reihe von Uranfundstellen. Dass Uran ein endlicher Brennstoff ist, wischt er mit dem Hinweis beiseite, in Granit stecke auch Uran. Über die Kosten, es zu extrahieren, schweigt er sich lieber aus, so wie er überhaupt über die Kosten der Atomenergie, das heißt neuer Kraftwerke einfach hinweggeht, als seien sie aus der Portokasse zu bezahlen. Warum ist unter Bush trotz gelockerter Gesetzgebung in den USA kein einziges gebaut worden, wenn sie denn so kosteneffizient sind?
Völlig unverständlich auch Lovelocks Aussage, die Kernkraft könne kurzfristig helfen. Abgesehen davon, dass der Bau eines Reaktors rund zehn Jahre dauert, gibt es gar nicht ausreichend technische Kapazitäten, um hunderte gleichzeitig zu errichten. Die wären aber notwendig, um den CO² Ausstoß rasch zu senken.
Statt die erneuerbaren Energien, die es bereits gibt, zu propagieren, phantasiert James Lovelock von großtechnischen Lösungen wie einem riesigen Sonnenschirm im All, der einen Teil der Sonnenstrahlung ablenkt. Wie schnell so etwas gebaut werden kann, was es kostet und welche Folgewirkungen es haben könnte – danach fragt er nicht.
Auf solche Auslassungen, Ungereimtheiten, Falschmeldungen stößt man allerorten im Buch. So allgemeinverständlich James Lovelock auch formuliert, seine rätselhafte Einäugigkeit verärgert massiv. Das war von einem seriösen Wissenschaftler wie ihm nicht zu erwarten gewesen. Umso größer ist die Enttäuschung. Dem Klimaschutz erweist er damit einen Bärendienst.
Rezensiert von Johannes Kaiser
James Lovelock: Gaias Rache. Warum die Erde sich wehrt
Übersetzt von Hartmut Schickert
List Verlag Berlin 2007
294 Seiten, 18 Euro