Die Unübersichtlichkeit der Welt
Die "Neue Zürcher Zeitung" sieht ein Aufbegehren des konservativen Bürgertums. "Die Welt" kritisiert die Journalisten auf der Buchmesse und beklagt die Unübersichtlichkeit der Welt.
"Donnerstagmittag auf der Buchmesse", steht in der Tageszeitung DIE WELT. "Jetzt raten Sie mal, was alle Journalisten machen?", fragt der Journalist Marc Reichwein. "Genau, sie treten sich am Stand des Antaios-Verlags gegenseitig auf die Füße." Wer kannte den mit seinen rechten Büchern vor fünf Jahren? Heute ist es einer der bekanntesten Verlage. "Verleger Götz Kubitschek scheint den Andrang zu genießen. Die PR-Strategie geht auf. Sein Messestand strahlt rittergutsartige Gediegenheit aus. Stoffbezogene Holzstühle und eine hölzerne Büchertruhe hat nicht jeder Messestand zu bieten." Andere haben dafür niveauvolle Bücher zu bieten. Nur: Darf der Pressebeschauer so etwas heute überhaupt noch schreiben – oder ist er da gleich in der linken Ecke der Gesinnungsdiktatoren?
"Ist die öffentlich ausgetragene Diskussion zwischen Grünbein und Tellkamp nicht der beste Beweis dafür, dass es eine Gesinnungsdiktatur hierzulande nicht gibt?", fragt der SPIEGEL nach dem berühmten Streitgespräch zwischen den Literaten Durs Grünbein und Uwe Tellkamp, das wohl in die Annalen eingehen dürfte. "Auf der einen Seite das eher linksliberale Milieu, auf der anderen Seite die Empörten, womöglich rechts", meint der SPIEGEL.
Erstarken des konservativen Bürgertums?
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG titelt: "Uwe Tellkamps Wutausbruch war kein Ausrutscher. Der konservative Teil des deutschen Bürgertums begehrt auf." Doch was bedeutet heute konservativ? "Konservativ ist, wer die Gewaltenteilung in allen Bereichen ernst nimmt", lesen wir in einem Interview des SPIEGEL. "Ich hoffe, dass man nicht weiterhin den Fehler begeht, den man im Moment laufend begeht: die AfD zu einer rechtsradikalen Partei zu machen. Es geht um das Erwachen des konservativen Bewusstseins", sagt der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Rüdiger Safranski. "Ich warne vor den Gleichsetzungsdelirien: konservativ gleich rechts gleich rechtsextrem gleich Nazi. Das ist verantwortungslos. Dagegen muss unser Interesse sein, dem Konservativismus zu helfen, dass er seriös wird."
Ist der Konservativismus wirklich so unseriös – falls der Pressebeschauer das noch fragen darf. "Die Zeiten sind unübersichtlich geworden", berichtet die WELT von der Leipziger Buchmesse.
"In Leipzig nimmt die erstarkende intellektuelle Rechte Gestalt an. Diese intellektuelle Rechte ist eine bürgerliche Rechte, eine gut situierte, gut ausgebildete Rechte", heißt es im SPIEGEL.
Suhrkamps Tweet
"Für das intellektuelle Selbstverständnis der Bundesrepublik ist das eine Herausforderung." Ist der Suhrkamp Verlag, in dem Uwe Tellkamps berühmtester Roman "Der Turm" erschienen ist, dieser Herausforderung gerecht geworden, als er per Twitter erklärte:
"Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln"?
Heftige Kritik folgte. "Der ungeschickte Tweet war kein Akt der Zensur, er war kein Aufruf zur Bücherverbrennung, und der Verlag nimmt auch keinen Tellkamp-Titel aus seinem Programm", heißt es in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. "Stattdessen hüllt er sich in Schweigen und muss machtlos zusehen, wie das Suhrkamp-Bashing über seinen Anlass mehr und mehr hinausgeht", meint Lothar Müller.
"Alles, was wirkt, wirkt über die Form", tröstet uns da die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. "‘Form‘ ist zwar ein unbeliebtes Wort geworden. Aber ich halte ihr die Treue", sagt im Interview die Schriftstellerin Brigitte Kronauer und zeigt uns ein harmonisches Literatenleben: "Wissen Sie, worauf ich mich freue? Morgens nach dem Frühstück gucke ich das Ausgedruckte an und korrigiere. Das habe ich geschrieben – und ich kann mich jetzt satt zurücklehnen und es besser machen."