Superman mit Schnauzbart
Bildreihenfolgen mussten getauscht werden, Superman erhielt einen Schnauzbart, Micky Maus einen Fez: Diese orientalische Adaption westlicher Comics, aber auch arabische Graphic Novels mit ganz eigener Bildsprache zeigt derzeit eine Ausstellung in Berlin.
"Eine meiner Lieblingsfiguren ist der irakische Superman, da drüben in der Ecke. Sie haben ihm einen Schnurrbart verpasst, was ich sehr lustig finde weil er dadurch wie ein Basar-Superman aussieht, aber es ist immer noch Superman. Und er hat eine Laterne auf der Brust."
Nadim Damluji ist aus den USA angereist, in Begleitung von Saima Akhtar, die die Ausstellung "Arab Comics" in der Bubul Gallery in Berlin organisiert hat. Die Laterne, die auf der Brust von Superman prangt, ist genauer betrachtet ein umgedrehtes "S":
"Das 'S' ist umgedreht, weil sie damals die Superman-Comics fotokopiert haben. Aus Clark Kent wurde Nabil Fawzi und aus der amerikanischen Großstadt, in der er kämpft, wurde eine fiktive arabische Großstadt."
Micky Maus kämpft für die Palästinenser
Für Comicadaptionen wie die von Superman übersetzten arabische Verlagshäuser in den 1960er- und 1970er-Jahren nicht nur die Sprechblasen; sie kehrten das Layout um, um entsprechend der arabischen Schrift auch die Bilder von rechts nach links lesen zu können. Und fügten den Figuren gewisse Attribute hinzu:
"Hier sieht man, wie Micky Maus arabisch wird: Einmal zelebriert sie den Geburtstag des Propheten Mohammed, hier hat sie einen Fez auf dem Kopf, hier zieht sie in den Krieg und hier kämpft sie für die Rechte der Palästinenser."
Bei der Aneignung westlicher Comicfiguren jonglierten Comicschaffende und Verleger mit kulturellen Selbst- und Fremdbildern, sagt Saima:
"Es geht darum, wie Konzepte von Orientalismus in der arabischen Welt übernommen, interpretiert und transformiert wurden. Und es gibt nicht viele Beispiele, die das so deutlich machen wie diese Comics."
Mit Orientalismus bezeichnete der amerikanische Literaturtheoretiker Edward Said den westlichen, eurozentrischen Blick, mit dem der sogenannte "Orient" konstruiert wird. Entsprechend lässt sich der Titel der Ausstellung in ihrem westlichen Kontext - arabische Comics - als gezielte Provokation verstehen: Was genau ist arabisch an den ausgestellten Comics?
"Da ist zum Beispiel die Geschichte, als Donald Duck und seine drei Neffen mit Onkel Dagobert in Ägypten sind und sie laufen durch die Wüste. Als er sich hinsetzen will, stößt er auf die Spitze einer Pyramide. Um die Pyramide auszugraben, beschäftigen sie arabische Arbeiter, die wie Disney-Araber aussehen, mit langen Nasen und Gewändern. Und Onkel Dagobert freut sich über all das Geld, das er mit der Pyramide machen will, und nutzt die Einheimischen zu seinem Vorteil aus.
Derselbe Comic wurde ins Arabische übersetzt und das Cover, das dafür gedruckt wurde, sagt soviel wie: Diese Enten sind so wie du und ich, sie sind Araber. Das ist wirklich schräg, es wird ein Bild über den Nahen Osten adaptiert, das der Westen kreiert hat. Und dieses Bild wird dann einem arabischen Publikum präsentiert, als ob es ein lokales arabisches Produkt sei. Und in dieser ganzen Verwirrung: Wo ist hier die arabische Identität? Ist sie innerhalb des Comics oder außerhalb davon oder nichts von beidem?".
Der erste arabische Comic erschien 1923
Das Verhandeln von Identität spiegelt sich auch in den original arabischen Comics aus Magazinen wie Samir, Sindibad oder Majid sowie in zeitgenössischen Comics aus dem Libanon. Dort erscheint seit 2007 "Samandal”, die erste Anthologie von zeitgenössischen arabischen Comiczeichnern.
Eine von ihnen ist Mazen Kerbaj, ihr Comic mit dem Titel "We have" besteht aus vier Panels. Das erste Bild ist komplett schwarz wie Öl, das letzte zeigt eine Kaffeetasse: "We have oil to sell. Drink it! And when you're stuffed let us know and we´ll make you a coffee.”
Von dieser Gegenwart geht die Ausstellung zurück bis zu den frühesten Anfängen. Der erste arabische Comic erschien bereits 1923 im ägyptischen Magazin Al-Awlad: spielende Kinder, Szenen mit Slapstick-Humor.
"Das ist der erste arabische Comic von einem arabischen Künstler für ein arabisches Publikum, und er zeigt nicht, was wir uns vorstellen, wenn wir an Beirut denken. Das ist für mich in gewissem Sinne politisch, es ist provokativ hinsichtlich der Konversation mit dem Westen, wo solche Bilder seit den 70er Jahren nicht mehr vorkommen."
Comics bringen solche Bilder zurück, gerade auch weil sie gesammelt werden und im Umlauf sind. Schon Edward Said schrieb über die subversive Kraft von Comics: die universelle Bildsprache des Mediums öffnet die Tür für gesellschaftliche Debatten.
Die Berliner Bulbul Gallery ist gleichzeitig ein Café. Jetzt im Sommer stehen die Türen weit offen und die Gäste sitzen direkt unter den Exponaten an den Wänden.
"Ich bin erst drei Tage in Berlin, aber es ist schon surreal für mich, so viele Araber in einem westlichen Land zu sehen. Und dieser Ort hier erscheint mir ideal, hier kann die Ausstellung wirklich in einen Dialog mit den Leuten treten."