Die Ausstellung "Geistesfrische. Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn" ist vom 1. März bis 20ß.7.2017 in der Sammlung Prinzhorn des Universitätsklinikums Heidelberg zu sehen.
"Dass dies ein Irrer gemacht haben soll"
Der Psychiater Hans Prinzhorn sammelte in den 20er-Jahren so genannte "Schizophrenenkunst". Die begeisterte den österreichischen Künstler Alfred Kubin. Die Sammlung Prinzhorn zeigt jetzt Werke der von Kubin gepriesenen "Irrenkünstler" und stellt sie Kubins Bildern gegenüber.
"Mein stärkster Eindruck: die in Ölfarben und Fettkreiden gehaltenen Bilder eines Schlossers aus der Anstalt Emmendingen. Eine sehr große Anzahl von Bildern kleineren wie auch größeren Formates, in denen sich unzweifelhaft eine geniale Begabung, eine außerordentliche Kraft der Erfindung in Farbe und Form äußert ..."
Von den Heiligenbildern, dämonischen Tieren und düsteren Würgeengeln des Schlossers Franz Kar Bühler ist Alfred Kubin begeistert. Auch der Psychiater Hans Prinzhorn wird in seinem 1922 erscheinenden Buch "Bildnerei der Geisteskranken" Bühler mit van Gogh vergleichen. Kuratorin Ingrid von Beyme:
"Und Kubin sagt auch von Bühler: Der hebt sich ab von den anderen Künstlern, und er ist ein Meister ersten Ranges. Diese Dämonen und Zwischenbereiche haben Kubin ja auch sehr fasziniert, das ist eine Ähnlichkeit und ein Anklang, wo er sich selbst auch wiedererkannte".
Die Verwunderung von Alfred Kubin wird immer größer, während ihm die Blätter von Franz Karl Bühler vorgelegt werden.
"Man fasst sich an den Kopf bei dem Gedanken, dass dies ein Irrer gemacht haben soll", schreibt er zwei Jahre später in der Zeitschrift "Das Kunstblatt".
Ingrid von Beyme: "Er hat gesagt: Von dieser Stätte, wo gesammelt wurde, was Geisteskranke schufen, könnte Geistesfrische ausströmen. Und das war das titelgebende Signal für diese Ausstellung. Ist natürlich auch mit ein Anliegen unseres Museums, dass wir bekannt machen, wie frisch und ungewöhnlich und auch sehr originell unsere Werke sind".
Das Heidelberger Museum Sammlung Prinzhorn, angeschlossen an die dortige Psychiatrie, versteht es, seine Sammlung immer wieder neu zu präsentieren. Periodisch werden nie gesehene Dinge ans Licht gebracht, in immer neuen Künstlerkonstellationen. Vor einiger Zeit war es der Art Brut Künstler Jean Dubuffet, dessen Blick auf die Sammlung rekonstruiert wurde.
Kubin entdeckt Ähnlichkeiten zu eigenen Werken
Jetzt also Alfred Kubin. Und der hatte durchaus eigene Erfahrungen mit psychischen Krisen. Sein Besuch in Heidelberg verdankt sich einem Aufenthalt im Darmstädter Sanatorium eines befreundeten Nervenarztes.
In der Prinzhorn-Sammlung gibt es Momente des Wiedererkennens. Alfred Kubin sieht das Blatt des Gepäckträgers Oskar Herzberg mit dem Titel "Erklärung über den Weltuntergang". Da geht es um eine Kometenkollision, die das Ende der Erde herbeiführt. Kubin ist tief berührt. Wenige Jahre zuvor hatte er eine ähnliche Temperamalerei geschaffen, Titel: "Drohender Zusammenstoß".
Ingrid von Beyme: "Das hat Kubin bei seinem Besuch so erstaunt, dass diese Motive so ähnlich umgesetzt wurden, dass das wahrscheinlich sogar Ausschlag war für Kubins Idee: Er tauscht eigene Werke, diesen 'Zusammenstoß' und Werke aus seiner Grafiksammlung gegen Werke aus der Sammlung Prinzhorn".
Alfred Kubins eigene Zeichnungen, die jetzt den Werken der 13 Prinzhorn-Künstler beigefügt sind, kreisen um das Thema "Wahnsinn". Da ist ein Aquarell des "Wahnsinnigen van Gogh" zu sehen oder ein Kind mit Wasserkopf, das einen sofort an die Frühwerke von Baselitz und Schönebeck erinnert.
Krisenbewältigung und große Kunst
Kein Zweifel, Alfred Kubin fühlt sich beim Besuch der Prinzhorn-Sammlung unter Seinesgleichen, unter Künstlern nämlich, die mit ihren Werken ihre Krisen zu meistern versuchen. Und dabei große Kunst schaffen, die dem Expressionismus ebenbürtig ist, wie Alfred Kubin betont.
Oder – nie gesehene Dinge hervorbringen wie Carl Robert Lange, der vexierbildartige Köpfe auf Schuheinlagesohlen hervorzaubert. Titel: "Schweißwunder in der Einlagesohle".
Ingrid von Beyme: "Das ist, glaube ich, auch die Faszination, die diese Werke in sich tragen: dass jeder Betrachter auch noch einmal seine eigene Welt entdeckt, die vielleicht übereinstimmt, aber manchmal auch nicht andocken kann an die Bildsprache. Und man sich immer wieder fragt: Kann ich dieses Rätsel knacken oder bleibt ein Geheimnis?"
Und das unabweisbare Gefühl, hier dem Geheimnis menschlicher Kreativität auf die Spur zu kommen, macht die Besuche in der Heidelberger Sammlung Prinzhorn immer wieder zu einem Erlebnis.