Ein Syndikat für bezahlbares Wohnen
Die Wohnungsmieten in der Uni-Stadt Freiburg gelten als die teuersten im ganzen Land. Wie sich auch ohne Eigenkapital der Traum nach den eigenen vier Wänden verwirklichen lässt, zeigt das Beispiel des Mietshäuser Syndikats.
Handwerker kommen und gehen, es herrscht Hochbetrieb im neuen Wohnquartier Gutleutmatten im Freiburger Ortsteil Haslach, nicht weit vom Stadtzentrum entfernt. Wo früher eine Kleingärtneranlage stand, sind jetzt große, graue Rohbauten zu sehen.
Die Mitte des Quartiers bildet der Quartiersplatz, dieser wird von fünf Wohnhöfen umgeben, die Höfe wiederum sind an Wohnhäuser angebunden:
"Da kommt dann der Wohnhof hin. Die haben so eine kleine, private Terrasse, aber dann geht es direkt über in den gemeinsamen Wohnhof. Der wird auch geteilt mit allen Baugruppen, die noch ringsum gebaut haben."
Eine bunte Mischung
Helma Haselberger ist Architektin und betreut drei Bauprojektgruppen, die jeweils eines der mehrgeschossigen Gebäude in dem neuen Freiburger Quartier bauen. 50 barrierefreie Wohnungen für etwa 150 Menschen wurden nach den Vorstellungen der Gruppen mit den Namen LAMA, Luftschloss und SchwereLos geplant und gebaut, vereint sind alle im 3HäuserProjekt:
"LAMA und Luftschloss ziehen im Juni und Juli ein, und die SchwereLosen, da dauert es noch ein bisschen länger, die ziehen nächstes Jahr im April ein."
Die Gruppen sind bunt gemischt: Singles, Familien, Menschen mit einem Handicap gehören ebenso dazu, wie Flüchtlingsfamilien und Menschen mit Psychiatrieerfahrung. In einem der mehrgeschossigen Häuser findet auch eine Kita Platz.
"Das ist die Wohnung, die behindertengerecht ist. Hier zieht ein Mensch ein, der ein amputiertes Bein hat. Deswegen haben wir hier die Größen für behindertengerechtes Bauen."
Architektin Haselberger führt durch eine großzügige, lichtdurchflutete Wohnung im Mehrfamilienhaus der Baugruppe "LAMA". Mitglieder dieser Gruppe wohnten bislang in der Freiburger Langemarckstraße und ziehen in diesen Tagen in den Neubau ein.
Entstanden aus der Hausbesetzer-Szene
13 unterschiedliche Wohnungen gibt es in dem Haus, der Mietpreis pro Quadratmeter liegt unter acht Euro, in der Nachbarschaft sind es zum Teil bis zu vier Euro mehr pro Quadratmeter . Möglich sind die günstigen Preise durch die Kooperation mit dem Mietshäuser Syndikat: Ein Syndikat, einst aus der Hausbesetzer-Szene entstanden, das inzwischen viel Erfahrung bei der bundesweiten Beratung von selbstorganisierten Hausprojekten hat.
Je nach Fall beteiligt sich das Syndikat auch an der Projektfinanzierung. Im Fall von Freiburg hat es sich sogar gleich von Anfang um die von der Stadt angebotenen Bauflächen beworben:
Stefan Rost: "Wir haben uns überlegt, wie das mit den neuen Baugebieten losging, dass wir diese Chance ergreifen wollen und nicht diese Fläche den Investoren überlassen wollen und haben Veranstaltungen gemacht, Leute angesprochen und da sind eben drei Gruppen entstanden."
Seit Jahren ist Stefan Rost beim Mietshäuser Syndikat aktiv und erklärt die Besonderheiten im Fall Freiburg. Zehn Prozent des gesamten Baugebietes gingen vor Jahren an das Syndikat. Dabei wurden die Baugrundstücke zum Teil über eine Art Punktesystem vergeben. Vereinfacht galt: Je sozialer, desto mehr Punkte. So brachte etwa der barrierefreie Bau Punkte, ebenso eine jahrzehntelang Mietpreisgarantie, wie sie vom Syndikat von Anfang an in der Planung vorgesehen war.
Verzicht auf teure Extras
Beim Bau der Mehrfamilienhäuserhäuser wurde auf teure Details verzichtet: Auf den Böden liegt Industrieparkett, die Bäder sind schlicht mit weißen Fliesen gestaltet, statt einem Anstrich ist in den Treppenhäuser Sichtbeton zu sehen. All das spart Kosten, der Quadratmeter konnte so sehr günstig gebaut werden - ein echter Rekord:
"Der kostet so um die 3400 Euro, alles in allem. Das ist deutlich unter dem, was so die Bauwirtschaft abliefert, da fängt bei 3800 mindestens an und die Neubauten werden in der Regel hier in Freiburg so um die 5000 Euro – 6000 – 7000 Euro pro Quadratmeter vermarktet".
Investoren, Baugemeinschaften, auch zwei Baugenossenschaften sind mit Projekten im neuen Freiburger Quartier vertreten. Im Unterschied zu den Genossenschaften mussten die künftigen Bewohner, die gemeinsam mit dem Mietshäuser Syndikat bauen, allerdings kein Eigenkapital mitbringen. Ein ausgeklügeltes Finanzierungssystem macht das möglich:
"Wir nehmen Direktkredite von privaten Menschen an, die als unser Eigenkapitalsatz dienen. Dann gibt es eben diese Gelder für den sozialen Wohnungsbau vom Land über die L-Bank, und dann gibt es noch KfW-Kredite. Den kleinen Rest kriegen wir noch über private Banken."
Für das 3HäuserProjekt in Freiburg haben die jeweiligen Projektbeteiligten in den vergangenen Jahren rund 4,5 Millionen Euro gesammelt. In Form von Krediten fließt das Geld in die Gesamtfinanzierung ein. Die Kredite werden über die Mieten der Bewohner finanziert. Wer einzieht ist Mieter und Eigentümer zugleich:
"Es ist so eine Art Gemeineigentum, was da entsteht."
Die Mieter sind auch Besitzer
Die jeweilige Projektgruppe bildet mit dem Mietshäuser Syndikat eine GmbH. Projektmitglieder sind so also Teil der GmbH, also auch Besitzer. Das ist für einige künftige Bewohner ungewohnt, weil damit auch viele Entscheidungen verbunden sind, die sonst nur Haus-oder Wohnungsbesitzer treffen müssen.
Helma Haselberger: "Die Mieter müssen immer den Blick des Eigentümers einnehmen, weil sie sind eigentlich beides, sie sind sowohl Eigentümer als auch Mieter. Und als Eigentümer hat man einen anderen Blick, als als Mieter, und das ist auch so der Stress, den man so hat bei so einer Gruppe."
Wer in einem der Projekte wohnt, kann jederzeit ohne finanzielle Folgen ausziehen. Sollte eine Projektgruppe allerdings beschließen, ihr ganzes Haus zu verkaufen, verhindert genau diesen Schritt die GmbH, an der zur Hälfte ja das Mietshäuser Syndikat beteiligt ist. Denn Ziel des Syndikats ist es, so viele Immobilien wie möglich dem Investorenmarkt zu entziehen.