Bloggerin Vreni Frost

Die Schattenseiten der Influencer

Die Bloggerin Vreni Frost
Die Bloggerin Vreni Frost © www.neverever.me
Vreni Frost im Gespräch mit Christine Watty |
Sie sind zu einer wichtigen Marketing-Größe geworden: die sogenannten Influencer. Der Marktwert dieser Werbebotschafter wächst mit der Zahl ihrer Follower. Die Bloggerin Vreni Frost kennt den Druck in der Branche - und die Versuchungen, denen Influencer nicht selten erliegen.
"Influencer" verdienen Geld damit, dass sie Produkte vermarkten und dabei aber trotzdem authentisch erscheinen. Auf ihren Blogs oder auf Social-Media-Kanälen inszenieren sie ihr eigenes Leben – mit den dazu passenden Marken. Und verdienen damit Geld, umso mehr, je größer die Zahl ihrer Follower.
Deshalb schummeln viele Influencer und kaufen sich Likes und Fake Follower - davon ist Influencerin Vreni Frost überzeugt, die auf ihrem Blog "neverever.me" über Mode, Lifestyle und Reisen schreibt: "70 Prozent der Instagramer bescheißen!" Die Bloggerin weiß, wovon sie spricht: Auch sie hatte einen Bot für ihren Instagram-Account beschäftigt. Im April 2017 bekannte sie sich öffentlich dazu und trennte sich von ihren falschen Followern.

Den Online-Seelenfrieden wiedergefunden

Auch wenn sie jetzt statt 74.000 nur noch 52.500 Follower hat: "Für mich selber ist es natürlich wahnsinnig gut, wieder ehrlich arbeiten zu können, weil mich das einfach unglaublich belastet hat", sagte Vreni Frost im Deutschlandfunk Kultur. Seitdem habe sie "sehr viel mehr Online-Seelenfrieden gefunden".
Die Bloggerin plädiert für eine bessere Regulierung des Influencer-Marktes. Viele Influencer wüssten gar nicht, wann und was sie als Werbung kennzeichnen müssten. "Ich finde eine Kennzeichnung superwichtig. Und meine Follower nehmen mir das ja auch nicht übel, dass ich kennzeichne, ganz im Gegenteil", betont Vreni Frost. "Es gehört dazu, und es ist einfach auch Gesetz. Und das muss gemacht werden." (cwu/uko)

Warum kauft sich Pro Sieben bei den Influencern ein? Der Journalist Christoph Möller sprach darüber am 16.11.2017 in der Sendung Kompressor (5:14 min.): Audio Player


Das Interview im Wortlaut:
Christine Watty: Die Zeitschrift "Die Bunte" hat gestern einen Preis vergeben, und zwar in vielen Kategorien, aber auch in der Kategorie "Style Influencer", und zwar an Lisa und Lena – ich lese Ihnen ganz kurz einen Satz aus der Begründung vor, "innerhalb von zwei Jahren entwickelten sich Lisa und Lena zu internationalen Jugendstars mit Millionen Followern weltweit und haben es vom Schulhofphänomen zu erfolgreichen Medienunternehmerinnen geschafft". Das war die Begründung, ein Auszug daraus. Nicht schlecht, Lisa und Lena gehören damit zur neuen Berufsgruppe der sogenannten Influencer, der, wie sagt man auf Deutsch, Einflussnehmenden, und zwar in diesem Fall in der Kategorie Style, Stil.
Leute, die das machen, die veröffentlichen zum Beispiel Videos, Blogs, die bewerben Produkte und binden ihre Fangemeinde durch die persönliche Nähe. Je mehr Klicks und Follower sie sammeln, desto mehr Interesse gibt es von Unternehmen, hier ihre Produkte zu platzieren. Für Lisa und Lena gab es diesen Preis, und dieses Geschäftsmodell hat ein anderes Mitglied der Branche, die Bloggerin Vreni Frost, vor einiger Zeit in Teilen zumindest etwas auffliegen lassen. Sie selbst stellt ebenfalls Produkte vor und gab eine Weile lang vor, jede Menge Follower zu haben, ohne zu erwähnen, dass um die 15.000 davon gar keine waren, sondern ein hingetrickstes Webphänomen, dass es also Fake-Identitäten waren, Bots. Eine übliche Praxis, aber eben geschummelt. Ich habe mit Vreni Frost über das Wesen dieses Marktes, des Influencer-Marketings gesprochen und sie zuerst gefragt, ob sie den Seelenfrieden gefunden hat, den sie sich damals über die Ehrlichmachung dieses Systems erhoffte.
Vreni Frost: So ganz, wenn ich ehrlich bin, hat das nicht geklappt. Für mich selbst ist es natürlich wahnsinnig gut, wieder ehrlich arbeiten zu können, weil mich das einfach unglaublich belastet hat. Aber ich merke schon, dass ich gern noch freier wäre von dem ganzen Influencer-Gedöns. Da merke ich manchmal schon, dass ich es nicht schaffe, mich so ganz davon frei zu machen. Aber ich kann sagen, dass ich sehr viel mehr Online-Seelenfrieden gefunden habe seitdem.

"Ich lasse mich teilweise schon unter Druck setzen"

Watty: Was ist denn da noch übrig geblieben an dem Influencer-Gedöns, das Sie gerade nennen, das sie eigentlich auch noch gern loswerden würden?
Frost: Ich lasse mich teilweise schon unter Druck setzen: Wie viele Fotos lade ich hoch? Oh nein, das Foto läuft nicht. Ach Mensch, ich warte auf Kommentare, warum läuft das denn jetzt nicht, ist doch ein schönes Bild. Und das sind dann so Sachen, von denen ich mich gern noch frei machen würde.
Watty: Haben denn aber andere nachgezogen, haben Sie andere Kolleginnen und Kollegen aus diesem Bereich, die gesagt haben, wir finden deine Haltung eigentlich gut, und wir versuchen auch so ein bisschen, da den ganzen Speed rauszunehmen und den ganzen Druck rauszunehmen?
Frost: Nein. Öffentlich hat keiner mitgemacht. Aber ich glaube, dass viele sich dadurch ermutigt gefühlt haben, im Stillen nachzuziehen. Und dadurch, dass ich damit ja auch eine wichtige Diskussion angestoßen habe, fühlen sich, glaube ich, viele jetzt wie gesagt dazu ermutigt, vielleicht ein bisschen weniger Bots zu beschäftigen oder weniger Likes zu kaufen und einfach auch wieder transparenter und ehrlicher zu arbeiten.

Ein Influencer muss irgendetwas können

Watty: Wenn es jetzt so einen kleinen Trend gibt, da auch ein bisschen mehr Transparenz reinzubringen, dann kann man vielleicht auch noch mal Transparenz in das Wesen eines sogenannten Influencers reinbringen. Was muss denn eigentlich so eine Person, zu der Sie ja auch gemacht wurden quasi und die Sie auch natürlich selbst geworden sind, eigentlich können? Was ist das denn eigentlich genau?
Frost: Für mich ist ein Influencer jemand, der eigentlich irgendwas anderes kann. Es gibt öfter mal Leute, die stellen sich bei Agenturen vor und sagen, hallo, ich bin XY, ich bin Influencer. Und da muss ich auch immer so ein bisschen den Kopf schütteln, weil ich mir denke, wenn du Influencer bist, dann kannst du doch irgendwas. Entweder kannst du singen oder du kannst Klamotten zusammenstellen, vielleicht kannst du toll kochen. Du hast ja irgendeine Begabung.
Und ich glaube, bei vielen Bloggern ist es eben so, dass die durch Geschichten inspirieren, auch auf ihren Websites, und dadurch, dass sie diese Geschichten mit auf Instagram nehmen, dann ihre Follower mitnehmen können. Und das macht dann, glaube ich, auch den Account aus.
Watty: Diesen Account macht aber eben unter Umständen, und darauf haben Sie hingewiesen, auch aus, dass es da viele Fake-Follower gibt, also gekaufte Follower. Was mich interessiert, ist, wie die Wirtschaft darauf eigentlich reagiert hat, denn die können ja gar kein Interesse daran haben, dass sie sich mit einer Person verbinden, die aber nur gefühlte viele Freunde hat.
Frost: Leider schauen Agenturen und Marketingbeauftragte sehr wenig auf das, was hinter den Zahlen steckt. Das fängt jetzt so langsam an, aber bisher wurde das ziemlich stiefmütterlich behandelt, weshalb wir ja auch immer sagen, das Influencer-Dasein war so ein bisschen der wilde Westen. Und das ist schon auch die Schuld der Unternehmen, die sich halt nicht richtig mit ihren Influencern beschäftigen, mit denen sie zusammenarbeiten, und sich dann wundern, warum eine Kooperation nicht funktioniert.

"Seit ich es gelöscht habe, habe ich nur sehr wenig Zuwachs"

Watty: Und wie kommen Sie jetzt an Ihre Follower, Ihre Fans?
Frost: Gar nicht. Ich bekomme jetzt ganz normal mehr oder weniger Zuwachs. Es ist ja immer ein Auf und Ab. Und seit ich es gelöscht habe, habe ich auch nur sehr wenig Zuwachs. Das macht mir aber gar nichts, weil ich einfach merke, meine Statistik verbessert sich dahingehend, dass ich sehr, sehr viele Leute aus Deutschland habe, was mir total wichtig ist, weil ich auf dem Blog auf Deutsch schreibe. Und es ist für mich so schön zu sehen, dass diese Statistik einfach wieder richtig schön sauber aussieht. Und ich merke, dass die Leute kommentieren unter meinen Bildern und dass die einfach meine Arbeit schätzen. Das ist mir viel wichtiger, als 100.000 Follower zu haben.
Watty: Diese Follower – jetzt haben wir uns die Influencer angeguckt, jetzt aber auch noch mal die, die Ihnen folgen und natürlich auch anderen Menschen. Was ist das eigentlich genau, was die Faszination ausmacht? Denn immerhin wissen die Leute wiederum, die Ihren Blog lesen, die Videos angucken, die Youtubern folgen, ja auch, dass oftmals diejenigen natürlich die neue Uhr, die neue Handtasche tragen, weil sie sie geschenkt bekommen haben oder sogar Geld dafür bezahlt wurde. Das wissen die, aber es ist ihnen egal. Was ist denn diese Faszination eigentlich? Oder was macht die aus?
Frost: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, die Faszination setzt sich zusammen aus der schönen Welt, in der wir uns eigentlich alle gern bewegen wollen. Wir alle sehnen uns nach dem schönen Hotel, nach dem tollen Strand, nach der Luxustasche. Das sind so Sehnsüchte, die vielleicht auch gerade Teenager haben, die sich gerade neu orientieren, die auch gar nicht so wissen im Moment, wohin mit sich, und dann dadurch eben auch ein Bild bekommen von jemandem.
Und das andere ist, durch Storys und dass man so schnell die Leute mitnehmen kann, ist man fast wie eine Freundin. Ich habe ganz viele Leute, die mir schreiben und die mir auch regelmäßig auf meine Storys schreiben. Ich versuche ja immer, allen zu antworten, und wo ich auch das Gefühl habe, die freuen sich, weil sie wissen, ach Mensch, die Vreni wieder, hat sie wieder – also die kennen mich auch ziemlich gut, die können mich auch gut einschätzen. Ich glaube, das ist so das, was Influencer von wirklichen Stars dann auch unterscheidet, dass die sehr anfassbar sind.

Authentisch, glaubwürdig, aber nicht privat

Watty: Und wie glaubwürdig sind Sie – also die Frage direkt wirklich an Sie gerichtet –, und wie achten Sie darauf, auch diese Glaubwürdigkeit nach außen zu tragen?
Frost: Ich muss da gar nicht drauf achten, weil was man da sieht, das bin auch ich. Das Einzige, was man nicht sieht, sind einfach private Bereiche, die ich nicht ins Internet tragen möchte. Das ist mein Freund, das ist meine Familie. Aber sonst, was man auf dem Account sieht, das sind Sachen, die ich gut finde, und das sind Sachen, für die ich werbe, die ich auch eindeutig kennzeichne. Ja, und das sind meine Storys, die ich eben auch meine Art mache und die den Leuten gefallen. Hundert Prozent glaubwürdig.
Watty: Es gibt ja schon so ganz kleine Regulierungsideen auch für diesen Influencer-Markt, nämlich dass man zum Beispiel Werbung logischerweise in YouTube-Videos eigentlich kennzeichnen muss. Das machen aber nicht alle. Hat auch was mit der großen Überschrift Glaubwürdigkeit zu tun.
Finden Sie, so was ist wichtig, genauso, wie Sie ja selbst auch eben für Glaubwürdigkeit und Transparenz gesorgt haben, indem Sie gesagt haben, das sind gar nicht alles meine Follower, ich habe 15.000 weniger auf einmal, weil das nämlich einfach eine Fake-Welt ist, in der wir uns da bewegen. Braucht also mehr Regulierung dieser Art?
Frost: Auf jeden Fall. Ich glaube, uns fehlen einfach im Moment Richtlinien, an die sich alle halten können. Also alle schwimmen ja gerade in diesem Strom und sagen, ach, jetzt kennzeichne ich lieber alles, weil ich gar nicht weiß, was ich kennzeichnen soll. Ich habe dann auch mal einen umfassenden Artikel dazu geschrieben, wo ich einfach auch den Kollegen beschreibe, wie man richtig kennzeichnet.
Ich habe ja Medienwissenschaften studiert, ich kenne das Telemediengesetz, und ich finde eine Kennzeichnung superwichtig. Und meine Follower nehmen mir das ja auch nicht übel, dass ich kennzeichne, ganz im Gegenteil. Aber sie finden den Post dann auch nicht weniger schlecht. Also, es ist nichts Schlechtes, zu kennzeichnen. Es gehört dazu, es ist einfach auch Gesetz, und das muss gemacht werden.

Die Bonbon-Glitzerwelt macht Spaß

Watty: Andererseits nimmt es natürlich auch so ein bisschen was von dem schönen Internet-Freestyle weg. Wenn man sich jetzt vorstellt, dann kommt auf einmal so ein Blog oder ein Video speziell daher, und es laufen ständig irgendwelche Banner durchs Bild, und eine Kennzeichnung und eine Kennzeichnung da. Das kann man ja bis ins Unendliche fortschreiben. Dann muss vielleicht auch gekennzeichnet werden, wenn ein Produkt, das beworben wird, ungesund ist, oder ich weiß nicht, was noch alles kommen könnte. Ist das nicht auch eine Sorge, dass natürlich diese ganze Bonbon-Glitzerwelt in manchen Kontexten macht ja auch genau deswegen Spaß, weil man so tun kann, als könnte man sich alles leisten, als wäre alles möglich und als wäre alles erreichbar.
Frost: Ich fände es sogar begrüßenswert, wenn mehr gekennzeichnet wird, weil das die Leute ja dann auch wieder dazu antreibt, sich anders mit dem Job zu beschäftigen und sich dann vielleicht auch besser zu überlegen, wie man Kooperationen umsetzt. Ich finde, die Bonbon-Glitzerwelt wird nie so ganz entfernt werden können. Aber die kann schon auch so mal wieder ins richtige Licht gerückt werden, das fände ich sehr gut.
Watty: Vreni Frost war das über das sogenannte Influencer-Marketing, seine Abgründe und auch mögliche Regulierungsideen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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