Literaturbetrieb auf drei Rädern
Auf einem Rad, von dem aus sonst Snacks für zwischendurch zu bekommen waren, verkauft Mohamed Abu El Soud Literatur. Das Books Bike in Kairo hat einiges zu bieten - von Dostojeweski auf Arabisch bis zum ägyptischen Bestseller-Thriller.
Zugegeben: Die Lautstärke ist etwas gewöhnungsbedürftig.
Statt in gedämpft-gediegener Atmosphäre, die Buchhandlungen sonst zu eigen ist, stöbert die Kundschaft bei Mohamed Abu El Soud begleitet von Verkehrslärm in den neuesten Bestsellern. Kein Wunder: sein Geschäft steht zur Zeit unmittelbar neben dem Parkplatz eines gut besuchten Einkaufszentrums. Doch neben einem gewissen Lärmpegel bringt das auch Käufer mit sich.
Gleich ist schon Mitternacht und Mohamed hat immer noch geöffnet. Nach Einbruch der Dunkelheit hat der 26-Jährige seinen Buchladen extra unter eine Straßenlaterne geschoben. Sein Buchladen ist nämlich ein Fahrrad.
"Es heißt 'Books Bike'. Es ist so eine Art mobiler Buchladen, aber mit allem, was dazu gehört."
Das schwere Vehikel ist eine Sonderanfertigung. Wie ein Lastenfahrrad hat es vorne zwei Räder. Darauf befindet sich ein gut zwei Meter hoher Aufbau mit drei breiten Regalen. Mohamed kann also mit Fug und Recht behaupten, dass sein Geschäft drei Etagen hat. Und es gibt sogar eine eigene Kinderabteilung: Auf einem Trittbrett ganz vorne am Fahrrad, für den Nachwuchs eigens etwas tiefer angebracht, erklärt der Buchhändler.
Bücher statt Sushi und Hot Dogs
"Solche Räder werden normalerweise zum Imbiss-Verkauf benutzt, hier und überall auf der Welt. Bis vor zwei Jahren war das bei uns in Ägypten noch nicht üblich. Aber aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage versuchen junge Leute es mehr und mehr mit eigenen, kleinen Projekten. Handkarren, an denen man Fuul kaufen kann, den typisch ägyptischen Bohnenbrei, sind seit langem Tradition. Aber auf den Fahrrädern werden jetzt auch Sushi und Hot Dogs verkauft. Die Betriebskosten sind niedrig und die Preise deshalb günstig. Wir lieben Bücher, deshalb haben wir gedacht: Lass uns mal was Neues probieren."
"Wir" – das sind Mohamed Abu El Soud und seine Geschäftspartnerin Hadeer Mansour. Die jungen Ägypter arbeiten in zwei Schichten.
"Guten Abend, kann ich Ihnen behilflich sein?"
Eine Passantin fragt nach Kinderbüchern.
"Ich habe hier schon vorher mal ein Buch gekauft. Aber heute suche ich was für meine Tochter."
Die Kleine mag Märchen. Das Trittbrett mit den Kinderbüchern hat sie schon längst gefunden.
Studentin Nourhan studiert im Laternenlicht unterdessen das Angebot der neuesten Romane. Sie kommt regelmäßig zum Books Bike.
"Die Idee gefällt mir und die Preise sind auch in Ordnung. Die meisten Sachen, die ich lesen möchte, werden hier angeboten. Das ist ein guter Service, so muss ich nicht weit fahren. Ich mag dieses Projekt, hoffentlich bleibt es bestehen."
Denn auch, wenn sich das Einkaufszentrum gleich nebenan befindet: Bücher gibt es darin keine. Im Kairoer Wohnviertel Rihab, in dem das Books Bike seit Dezember vergangenen Jahres unterwegs ist, gibt es nicht einen einzigen Buchladen. Das ist typisch für Ägypten. Selbst in der 20-Millionen-Metropole Kairo sind Geschäfte mit einem guten literarischen Angebot rar. Die meisten liegen – von Rihab weit entfernt - in der Innenstadt. Da kommt das Books Bike einer Leserin wie Mariam im wahrsten Sinne des Wortes entgegen:
"Ich kaufe jetzt immer hier. Ich wohne hier. Das mit dem Fahrrad ist eine schöne Idee. Die jungen Leute sind sehr freundlich und helfen uns mit allem, was wir so brauchen."
Was das Books Bike nicht dabei hat, wird bestellt und am nächsten Tag geliefert, erklärt Mohamed. Auf das Fahrrad passen nur rund 300 Bücher.
Das Geschäft läuft gut
"Wenn wir einen großen Laden hätten, bräuchten wir mindestens 15.000 Titel. Aber das ist ein hohes Risiko. Hier haben wir die Bestseller und alles andere können wir auf Bestellung besorgen."
Bis zum vergangenen Jahr hat Mohamed in einem ganz normalen Buchladen gearbeitet. Doch dort kamen immer weniger Kunden, berichtet der Ägypter. Durch die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten ist Lesen für viele seiner Landsleute Luxus geworden. Beim Books Bike können die jungen Buchhändler unterdessen durch die niedrigen Betriebskosten auch den Bücherpreis niedriger halten. Das Konzept geht auf. Das Geschäft mit dem Books Bike läuft. Und dass, obwohl das Rad aufgrund der guten Nachfrage neben dem Parkplatz schon seit Monaten auf der Stelle steht. Mohamed denkt deshalb darüber nach, noch weitere Bücherfahrräder anzuschaffen. Das breite literarische Angebot spiegelt die vielfältigen Interessen der Kunden wieder.
"Die meisten Bücher sind zeitgenössische ägyptische Romane. Aber wir haben auch Übersetzungen. Hier: '1984' von Georg Orwell. Das ist ja bis heute aktuell und sehr beliebt. Hier haben wir Dostojeweski auf Arabisch und Gabriel Garzia Marquez 'Die Liebe in den Zeiten der Cholera'. Und Nagib Mahfouz natürlich. Das ist der einzige ägyptische Schriftsteller, der bisher den Literatur-Nobelpreis bekommen hat. Da ist es natürlich Ehrensache, seine Bücher im Sortiment zu haben."
Ägyptens berühmtester Schriftsteller dieser Tage ist der Thriller-Autor Ahmed Mourad. Er unterstützt das Books Bike sogar persönlich.
"Ahmed Mourad hat in den vergangenen Jahren viele junge Ägypter überhaupt erst zu Lesern gemacht. Und auch uns hat er schon viel geholfen. Er berichtet regelmäßig auf seinen Seiten in den sozialen Netzwerken über uns und wir bekommen seine Bücher zu einem besonders günstigen Preis. Die Idee, von einem Fahrrad aus Bücher zu verkaufen, gefällt ihm."