Literarisches Netzwerken
Wie kann man als freier Schriftsteller Fördergelder bekommen? Wie geht es weiter für Kleinverlage nach dem Grundsatzurteil zur VG Wort? Fragen, die auf dem Branchentreff Literatur im Kreuzberger Literaturhaus Lettrétage von Verlegern und Autoren besprochen wurden.
"Was kann ich für Sie tun?", möchte Michael-André Werner vom Verband Deutscher Schriftsteller von Ricoh Gerbl wissen.
"Ich habe zwei Fragen: Einmal bin ich Autorin und habe gerade einen Roman geschrieben. Gibt es da irgendwelche Fördermöglichkeiten, wenn etwas schon fertig gestellt ist?"
Ricoh Gerbl, Fotografin und Autorin, erzählt von ihrem Buchprojekt und ihren Versuchen, sich für ein Literaturstipendium zu bewerben. Beim ersten Berliner Branchentreffen "Beruf Literatur" nutzt sie die Gelegenheit zur Einzelberatung und besucht, wie viele andere Freiberufler, Diskussionen, Vorträge und Workshops bei Lettrétage.
"Seit zehn Jahren beobachten wir die Literaturszene in Berlin."
So Moritz Malsch von Lettrétage, überrascht über den Zulauf.
"Wir sehen, wie die Existenzen von Autoren aussehen, wir wissen, zum Teil aus eigener Erfahrung, wie freie Lektoren arbeiten, freie Übersetzer usw. Wir haben das Bedürfnis entwickelt, durch Networking, durch gegenseitige Hilfe ein Forum ins Leben zu rufen, was die Leute bei ihrer wirtschaftlichen Existenz unterstützt."
Britta Jürgs: "Ich finde, es ist ‘ne gute Initiative, und tendenziell ist für mich jede Initiative, die etwas für die Vernetzung tut, auf jeden Fall positiv."
VG Wort-Urteil bedroht Kleinverlage
Bestens vernetzt scheint Aviva-Verlegerin Britta Jürgs, die auf einem der Podien vor gut 60 Freiberuflern Verbände und Strukturen des Literaturbetriebs vorstellt: Sie ist aktiv bei den "Bücherfrauen" und setzt sich als Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung für die Belange der kleinen und Kleinstverlage ein, die nicht nur auf dem Buchmarkt kämpfen.
"Die Gefahr ist da, dass die besonders anspruchsvollen, schrägen, mutigen Projekte es noch schwerer haben werden."
Denn über allem schwebt ein Urteil des Bundesgerichtshofes. Verlage, so das Urteil, erhalten künftig von der Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort, keine Kopiertantiemen mehr. Die gehen demnächst zu 100% und nicht mehr wie bisher zu 70% an die Urheber, also die Autoren. Den Literaturverlagen werden also diese 30% fehlen.
Nicht nur das: Sie sollen, rückwirkend ab 2012, Geld an die Urheber zurückzahlen. 8000 Euro sind das für Britta Jürgs, Geld, das sie, wie viele andere Kleinverleger, nicht aus der Portokasse zahlen kann.
"Es wird nicht dazu führen, dass ich weniger Prozente zahle an die Autoren, aber Vorschüsse werden auch geringer, und ich merke es, dass ich mir mehr Gedanken mache darüber, ob ich ein Buch, ein Projekt tatsächlich herausbringen kann."
Wirtschaftliche Lage der Autoren hat sich verschlechtert
Nora Pester vom Berliner Hentrich & Hentrich Verlag versteht auch die Autorenseite. Deren wirtschaftliche Lage habe sich in den letzten Jahren so drastisch verschlechtert, "dass es einer Umverteilung oder Neubewertung der Anteile bedarf."
Dass Autoren allerdings auf ihre zusätzlichen Anteile verzichten sollen, findet Verlegerin Pester problematisch.
"Uns werden demnächst Formulare zur Verfügung gestellt, die wir an die Autoren weitergeben können mit der Bitte, auf ihre Anteile rückwirkend zu verzichten. Das finde ich eine sehr unglückliche Konstellation. Ich würde sehr viel mehr dafür plädieren, dass man schnell zu einem neuen Verteilungsschlüssel kommt und diesen dann auf die Rückzahlungen anwendet."
Ob das passiert, ist ungewiss. Mit dem Urteil, befürchtet Moritz Malsch von Lettrétage, werde ein gut funktionierendes Gefüge im Land zerstört:
"Wir haben in Deutschland eine relativ einzigartige Kultur und Sorgfalt bei der Herstellung von Büchern, Herstellung meine ich in umfassendem Sinne, vom Lektorat über die Auswahl des Papiers bis hin zum Schutzumschlag. Das gibt es nicht in allen Ländern so und das sollte man als Qualität anerkennen."
Den Autoren hilft es am Ende vermutlich nicht, wenn den kleinen Verlagen die VG Wort-Ausschüttung wegbricht. Diese produzieren, wenn sie denn überleben, dann weniger Bücher und die möglicherweise auch schlechter. Beim Berliner Branchentreff liegt für viele angehende Autoren das Thema VG Wort allerdings noch in weiter Ferne.