Bühnenstück zu "Aktion Arbeitsscheu Reich" vor 80 Jahren

"Das Wort 'asozial' ist nicht totzukriegen"

Szenenfoto "Aktion Arbeitsscheu Reich" mit den Schauspielern Birgit Berthold, Harald Wissler, Martin Clausen und Mario Schulte, Inszenierung am Theater an der Parkaue in Berlin.
Szenenfoto aus dem Dokumentartheaterstück "Aktion Arbeitsscheu Reich" © Christian Brachwitz
Martin Clausen im Gespräch mit Max Oppel |
In der NS-Diktatur wurden Menschen als "faul" und "asozial" gebrandmarkt und 1938 zu Tausenden in "Arbeitshäuser" und KZs verschleppt. 80 Jahre später bringt Regisseur Martin Clausen in Berlin ein Gedenkmosaik auf die Bühne.
"Das Wort 'Asoziale' kann man nicht mehr wegkriegen."
"Dürfte man nicht mehr gebrauchen."
"Wie alt ist denn das Wort 'asozial'?"
Fragmente aus dem Stück "Aktion Arbeitsscheu Reich" am Theater an der Parkaue in Berlin.
In diesem Sommer jährt sich eines der Verbrechen der Nazis, die so genannte "Aktion Arbeitsscheu Reich" zum 80. Mal – ein Verbrechen, über das noch relativ wenig gesprochen wird. Am 13. Juni 1938 wurden etwa 10.000 so genannte 'Asoziale' und so genannte 'Arbeitsscheue' verschleppt, danach als Sklaven missbraucht, viele auch getötet.

Gedenkmosaik auf der Bühne

Martin Clausen hat mit dem Historiker Thomas Irmer ein Stück zum Vorgehen der Nazis gegen Menschen entwickelt, die die NS-Machthaber als "faul" und "asozial" gebrandmarkt haben. Clausen ist auch der Regisseur der Inszenierung im Theater und steht auch auf der Bühne, wo er und fünf Kollegen die Biografien der Marginalisierten und Stigmatisierten untersuchen.
"Das Stück ist so eine Art Gedenkmosaik. Wir arbeiten einerseits viel mit Fragen und Antworten, arbeiten aber auch damit, dass Fragen gestellt werden, auf die anders geantwortet wird, als die Frage das impliziert."
Er hoffe, dass dadurch ein anderer Raum entsteht und dass diese Antworten und Fragen Projektionsfläche werden, dass Dinge offen bleiben, die man dann mit nach Hause nimmt.
Schauspieler und Regisseur Martin Clausen, der das Dokumentar-Theaterstück "Aktion Arbeitscheu Reich" erarbeitet hat, inszeniert und darin spielt. 
Schauspieler und Regisseur Martin Clausen.© Christian Brachwitz

Der Begriff "Asoziale"

Clausen beschäftigt sich besonders mit dem Begriff "Asoziale" und der Stigmatisierung durch ihn über die Zeit.
"Es ist ganz schwierig über diese Menschen, die als 'Asoziale' in der Zeit ermordet wurden, wirkliche Informationen zu bekommen. Von diesen unzähligen Menschen gibt es eben oft nur so kleine Protokolle, Einträge."
Viele der vermeintlichen "Asozialen" hätten sich auch gar nicht zu ihrem Los geäußert, erklärt Clausen - weil sie sich geschämt hätten, als "Asoziale" stigmatisiert gewesen zu sein. Die Menschen seien auch nicht anerkannt worden als Opfer des Faschismus und sie hätten größtenteils auch keine Entschädigung bekommen.
"Das macht es alles sehr sehr pixelig und schwierig: dass man nicht so richtig viel weiß. Also, einzelne Schnipselchen kann man eben herausfiltern, was ja die Historiker auch gemacht haben, aber das sind natürlich immer Protokolle, die von Ärzten oder wachhabendem Personal – im Grunde in Tätersprache – formuliert sind."

Nicht totzukriegen

Im Stück heiße es zum Wort 'asozial': "'Das Wort ist nicht totzukriegen, aber man kann es nicht mehr benutzen.'"
Es werde aber doch noch oft gebraucht, bestätigt Clausen.
"Interessanterweise verbinden die Leute das Wort gar nicht mit dem Nationalsozialismus, und sie wissen auch nicht, dass das Wort dort erst so richtig Konjunktur bekommen hat, und dass die Form, wie es heute teilweise noch benutzt wird, auf dieser Konjunktur im Nationalsozialismus beruht."

Martin Clausen & Kollegen: "Aktion Arbeitsscheu Reich"
Theater an der Parkaue, Berlin
Uraufführung am 12. Juni 2018

(mf)
Mehr zum Thema