Neue Freiheiten brauchen neue Regelungen
Unter der Überschrift "Der nächste Staat" trafen sich Bürger gemeinsam mit Wissenschaftlern und Kulturvertretern, um neue Formen von Arbeit und Staat zu diskutieren. Sehr schnell wurde dabei klar, dass es für neue Freiheiten auch neue Regelungswege brauche, wie Projektleiter Andres Veiel erläutert.
Die wissenschaftliche Forschung über die Zukunft des Staates braucht dringend das Korrektiv durch die Bürger. Das sei die Erkenntnis eines mehrtägigen interdisziplinären Recherche- und Theaterprojekts in Berlin unter der Leitung des Regisseurs Andres Veiel.
Die Wissenschaftler hätten bei diesem Treffen mit Bürgern - insgesamt rund 170 Teilnehmern aus ganz verschiedenen Lebensbereichen - unter der Überschrift "Der nächste Staat" erfahren können, was die Bürger wollten und welches ihre Ängste und Befürchtungen seien, etwa über die Zukunft der Banken, so Veiel. "Die einen haben gesagt: 'Wir müssen Banken verstaatlichen und andere sagten: 'Nein, wir müssen die gar nicht verstaatlichen, wir müssen nur ein paar Regulierungsvorschriften - eigentlich die Bilanzierungsvorschriften - ändern, dann haben Banken nicht mehr die Möglichkeit, Geld aus dem Nichts zu schöpfen.'" Als Alternative etwa seien Peer-to-Peer-Modelle diskutiert worden, nach denen sich Bürger gegenseitig Geld leihen, gleichzeitig aber sei dann die Kontrolle durch andere Bürger oder eben dann doch wieder durch den Staat kontrovers diskutiert worden.
Ein klares "Ja" zum Grundeinkommen, aber dann...
Intensiv sei auch das bedingungslose Grundeinkommen überdacht und debattiert worden. "Das Entscheidende war: Wie muss dieses Grundeinkommen eigentlich implantiert werden?" Dass dieses Einkommen gewollt ist, sei nahezu Konsens gewesen, so Veiel: "Siebzig bis achtzig Prozent der Teilnehmer hätten bei dieser Frage sofort die Hand gehoben und gesagt: 'Ja, wir wollen das Grundeinkommen.'" In den Diskussionen habe sich aber klar gezeigt, dass im Zusammenhang mit dem Grundeinkommen auch andere Fragen zum Thema "Umverteilung" gestellt und beantwortet werden müssten.
Freiheiten für das Diskutieren und Betrachten
Ästhetischer Anspruch und politische Debatte seien bei diesem Symposium gar nicht voneinander zu trennen gewesen. So hätten Musiker die Gespräche begleitet und bestimmte Ideen und Äußerungen in "Musik übersetzt" oder es seien neue Staatsmodelle nachgebaut worden mit Kartons und Holz, wie Veiel erläuterte. An dieser "Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft" hätten viel größere Freiheiten für das Diskutieren und Betrachten der Modelle zur Umgestaltung des Staats bestanden als bei einem reinen Wissenschaftssymposium, so Veil.
In einem nächsten Schritt dieser Koproduktion vom Humboldt Forum im Berliner Schloss und dem Deutschen Theater soll es im Herbst dann eine Theateraufführung zum Thema geben und ein Abschlusssymposium.