Charles Pépin: Die Schönheit des Scheiterns
Übersetzt von Caroline Gutberlet
Carl Hanser Verlag
224 Seiten, 20 Euro
Am Erklären des Scheiterns gescheitert
Der französische Schriftsteller und Philosoph Charles Pépin denkt über das Scheitern nach und erklärt es zur Lebensroutine. Erkenntnistheoretisch, ästhetisch und sozialpsychologisch lässt er dabei allerdings viel missen.
Um "Schönheit" geht es dem Autor so wenig wie jenen luftigen Manager-Seminaren über "Krisen als Chance". Der französische Originaltitel lautet entsprechend "Les Vertus de l`échec", die Tugenden oder auch die Heilkraft des Scheiterns. Pépin, der Philosoph, will das Stigma des Begriffes Scheitern entschärfen, indem er das Leben als Dauerexperiment beschreibt. Und Experimente dienen dazu, herauszufinden, was funktioniert – und natürlich funktioniert nicht alles, was man versucht; wüsste man den Ausgang vorher, müsste man ja nicht experimentieren.
Die Erfolgsspur gescheiterter Größen
Das Buch ist ein Lobpreis auf all die schönen und nützlichen Erfahrungen, für die das Erreichen eines Ziels, ein bloßer Erfolg, uns blind machen würde – auf das, "was unsere Fehlschläge alles ins Rollen bringen. Sie feuern unsere Fähigkeit zum Neubeginn an, bringen uns den anderen und uns selbst näher, öffnen uns die Augen. Wir müssen scheitern, um zu begreifen, welche Intensität simple Lebensfreude, wie viel Wundersames die Schönheit der Welt bereithält."
Die übliche Rhetorik eines Gurus für Naive halt, sollte man denken. Doch Pépin, immerhin ein international bekannter Philosoph, zeigt in zahllosen Fallgeschichten von Darwin über Churchill bis Steven Jobs und J.K. Rowling, wie erst Misserfolge berühmte Menschen auf die jeweils richtige Spur brachten. Seine kühne These, sie hätten gerade "wegen der Fehlschläge ... Erfolg" gehabt, kann er zwar nicht belegen, doch dass sich mit Niederlagen neue Gelegenheiten eröffnen können, wird wohl kaum jemand bestreiten.
Der populäre Tonfall des Buchs verrät die Adressaten: "Es gibt Fehlschläge, die uns kämpferischer machen, und solche, die uns weiser machen. Und dann gibt es Fehlschläge, die uns offen machen für Neues." Die Beispiele für den Gewinn an Weisheit bleiben dürftig, und auch der angeblich aus Niederlagen resultierende Kampfgeist wird nicht recht belegt. Es geht Pépin immer wieder um die offenen Horizonte, um die Freiheit, "uns weiterzuentwickeln". Rhetorisch geschickt manövriert er zwischen Kant und Sartre, im Zweifelsfall hält er den Kurs des Existenzialismus: Wir entwerfen uns immer wieder neu, und nichts behindert unsere Freiheit so wirksam wie jene fixen Lebensziele, durch die wir uns so gerne definieren und also auch bestimmen lassen.
Ermunternde Beispiele - immerhin
Es gebe "kein einziges größeres philosophisches Werk zu diesem Thema", klagt Pépin. Sein Text füllt die Lücke nicht – dazu fehlen allzu viele Aspekte, erkenntnistheoretische, ästhetische und letztlich sogar jene, die er beansprucht einzulösen: sozialpsychologische. Pépin geht es nur um individuelle Haltungen. Dass kulturelle Umfelder eine Kultur des unbefangenen Scheiterns fördern könnten, deutet er selber mit Hinweis auf die USA an. Die Gründe, sprich: eine vergleichende Kulturkritik, bleibt er uns schuldig. Außer ermunternden Beispielen, garniert mit etwas Küchenpsychologie, hat man am Ende wenig in der Hand. So ist Pépin als Philosoph selber, obgleich weithin höchst unterhaltsam, ’schön gescheitert’.