Charlotte Klonk: "Terror"

Die Gewaltspirale dreht sich weiter

Buch "Terror. Wenn Bilder zu Waffen werden"
Buchcover "Terror. Wenn Bilder zu Waffen werden" und Zeichnung des Attentats auf den russischen Zaren Alexander II. am 13. März 1881. © S. Fischer-Verlag/imago/United Archives International
Von Tabea Grzeszyk |
Vom Attentat auf Zar Alexander II. 1881 bis zu den Terroranschlägen in New York – Bilder bilden nie einfach "dokumentarisch" ab, was passiert, analysiert Charlotte Klonk in "Terror. Wenn Bilder zu Waffen werden". Allzu oft werde damit die fatale Ökonomie der Angst verlängert.
Sind die grausamen Enthauptungsvideos des sogenannten Islamischen Staats ein neues Phänomen? Oder gibt es Vorbilder des Schreckens, der sich heute über soziale Netzwerke in Windeseile global verbreitet? Folgt man der klugen und detailreichen historischen Studie der Berliner Kunsthistorikerin Charlotte Klonk wird schlagartig deutlich, dass mediale Bilder des Terrors einem sich wiederholenden Muster folgen.
Die Erfindung der "Illustrierten Presse" Ende des 19. Jahrhunderts führte dazu, dass große Medienhäuser nach dem Attentat auf den russischen Zaren Alexander II. am 13. März 1881 Künstler nach St. Petersburg schickten. Diese fertigten anhand von Augenzeugenberichten Skizzen an, die wiederum als Drucke in europäischen Medien erschienen. Die Visualisierungen folgten einer Logik, die bis heute Maßstäbe setzt: Der spektakulären Grausamkeit der Täter wird das Funktionieren der Zivilgesellschaft im Moment der größten Bedrohung gegenübergestellt.
In St. Petersburg stellten Bilder der öffentlichen Beerdigung des Zaren und die Hinrichtung der Attentäter schließlich das staatliche Gewaltmonopol und die gesellschaftliche Ordnung symbolisch wieder her. Auch amerikanische Medien forderten einen Todesbeweis, als Al Quaida-Chef Osama bin Laden zwei Jahrhunderte später im Jahr 2011 von US-Soldaten in Pakistan erschossen wurde. Doch die Leichenfotos wurden nicht freigegeben. Längst war offensichtlich geworden, dass exzessive Feindbilder zwar einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach "Bestrafung" folgen mögen, doch dass sie zugleich Märtyrer schaffen.

Gesellschaftliche Selbstbehauptung gegen das "Böse"

Hass führt zu Gegenhass, die tödliche Gewaltspirale dreht sich weiter. Dafür leisten "Genre-Konventionen" in der westlichen Terrorberichterstattung einen maßgeblichen Beitrag – das zeichnet Charlotte Klonk überzeugend am Beispiel von Bombenattentaten und Anschlägen, Geiselnahmen, Flugzeugentführungen und Täterbildern nach. Vom Attentat auf Zar Alexander II. bis zu den Terroranschlägen in New York, Madrid oder London wird deutlich, dass Bilder nie einfach "dokumentarisch" abbilden, was passiert. Allzu oft reaktivieren sie die immer gleiche Narration einer gesellschaftlichen Selbstbehauptung gegen das "Böse", mit der sich von Anschlag zu Anschlag eine fatale Ökonomie der Angst verlängert.
Mit dem Internet hat sich auch die mediale Ökonomie verändert. Seitdem Terrororganisationen ihre Bilder dort direkt veröffentlichen und Augenzeugen Aufnahmen in Echtzeit über soziale Netzwerke teilen, tragen nicht länger nur Journalisten die Verantwortung für einen ethischen Umgang mit Terrorbildern. "Wir alle" tragen diese Verantwortung. Wie historische Muster besser erkannt werden und anderen Bildern mehr Raum gegeben werden kann, die die tödliche Gewaltspirale weniger bedienen – zu dieser Frage leistet Charlotte Klonk mit ihrem Buch brennend aktuelle Aufklärungsarbeit.

Charlotte Klonk: Terror. Wenn Bilder zu Waffen werden
S. Fischer-Verlag, Frankfurt/Main 2017
320 Seiten, 25,00 Euro

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