Christian Felber: Ethischer Welthandel. Alternativen zu TTIP, WTO & Co.
Paul Zolnay Verlag, Wien 2017
223 Seiten, 18 Euro
Schmerzhaft-aggressive Wirtschaftskritik
Christian Felber zerfetzt in seinem Buch das Wirtschaftssystem, wie wir es kennen, und entwirft in rasender Geschwindigkeit eine neue Weltwirtschaftsordnung. Allerdings erinnert seine Utopie an eine Art planwirtschaftliche Räte-Demokratie.
Kaum nötig zu sagen: Unzufriedenheit mit dem aktuellen Wirtschaftssystem ist kein exklusives Merkmal Abgehängter. Man muss auch nicht zu den Hardcore-Linken zählen, um private Kapitalkonzentration in Milliardenhöhe und die Macht von Weltkonzernen verdächtig zu finden. Die Zweifel daran, dass unsere Wirtschaftsform halbwegs gerecht und zukunftsfest ist, gären in der Mitte der Gesellschaft, teils profitieren auch Populisten davon.
Und nun erledigt Christian Felber in "Ethischer Welthandel" gleich beides: Er zerfetzt das Wirtschaftssystem, wie wir es kennen, und entwirft eine neue Weltwirtschaftsordnung - auf 223 Seiten! Was natürlich Tempo und knackige Thesen garantiert, allerdings kein ausgeruhtes Abwägen der Vorteile des Bestehenden.
Als erstes knöpft sich Felber das Mantra vom Nutzen des Freihandels vor und rechnet mit der Theorie der komparativen Kostenvorteile ab. Diese Theorie geht auf den Ökonomen David Ricardo (1772-1823) zurück und besagt, Handel zwischen zwei Ländern lohne sich auch dann, wenn ein Land alles besser kann. Felber macht Ricardo verantwortlich dafür, dass heute ein extremistisches Handelsverständnis dominiert. Es laufe darauf hinaus, "dass Handel Selbstzweck ist".
Darüber sei die Ökonomie zur Chrematistik verkommen, zur Kunst schnöder Bereicherung, auf die sich die Reichen am besten verstehen. Der wahre Zweck von Handel sei jedoch "die umfassende Umsetzung der Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung […], ein gutes Leben für alle oder eben das Gemeinwohl."
Felber spießt die Systemfehler auf
Felber spießt die Systemfehler auf: Reiche Länder seien einst durch Protektionismus stark geworden und hielten arme Länder nun durch unfairen Handel am Boden; niemand schere sich um den Ausgleich von Handelsbilanzen; ökologische Kosten des Handels blieben außen vor; Konzern-Macht desavouiere weltweit die Demokratie usw. Seine düstere Bilanz verstärkt Felber durch harsche Institutionen-Kritik zumal an der Welthandelsorganisation WTO.
Vorherrschendes Lese-Gefühl: Hier weiß einer, der in der Sache Bescheid weiß, alles besser. Die Auslassung namhafter Gegenargumente ist typisch für eine Polemik, nicht weniger der apodiktische Ton.
Selbstverständlich weiß der Mitbegründer von Attac Österreich auch, wie es eigentlich laufen müsste. Seine Polemik mündet in eine universalistische Utopie. Felber nennt sie aber nicht so, er hält seine Ideen für rasch realisierbar. Tschüss grenzenloser Freihandel, tschüss WTO!
Die UNO soll den Welthandel kontrollieren
Die Zukunft sieht so aus: Die UNO regiert den ethischen Welthandel; arme Länder können Freihandel streichen, um aufzuholen; eine globale Steuerbehörde entsteht; Unternehmen legen saubere "Gemeinwohl-Bilanzen" vor; keines darf mehr als 50 Milliarden US-Dollar umsetzen; landesweite Konvente erarbeiten ein neues Wirtschafts-Völkerrecht, etc.
Einerseits: Prima, dass mal einer so konkret wird! Andererseits: Wer wird ihm folgen? Wer glaubt mit Felber, dass im Grunde fast alle wollen, was er will?
Keine Frage, Felber versteht sich auf schmerzhaft-aggressive Wirtschaftskritik. Seine flott aufgepinselte neue Weltordnung, eine Art planwirtschaftliche Räte-Demokratie, ist jedoch ein privater Wunschtraum.