"Crash-Prophet" Max Otte

Warum unterstützt ein CDUler die AfD?

Max Otte, deutsch-US-amerikanischer Oekonom, aufgenommen am 16.05.2013 in Mainz.
Der Ökonom Max Otte © dpa/Elsner
Max Otte im Gespräch mit Ute Welty · 06.10.2017
Mit seiner Entscheidung, bei der Bundestagswahl für die AfD zu stimmen, hat Max Otte - Ökonom und CDU-Mitglied - für Schlagzeilen gesorgt. "Diese öffentliche Bekundung ist eine Art Unterstützung, mit der ich hoffe, dass meine CDU wieder auf einen vernünftigen Kurs kommt", sagt Otte.
Ute Welty: Er ist erfolgreicher Fondsmanager, anerkannter Wirtschaftswissenschaftler, langjähriges CDU-Mitglied und bekennender AfD-Wähler. Herzlich Willkommen in "Studio 9", Max Otte!
Max Otte: Tag, Frau Welty! Schön, dass Sie noch mit mir sprechen!
Welty: Schlagzeilen um Ihre Person sind Sie ja gewohnt, schließlich gelten Sie als der Crash-Prophet. Sie haben bereits 2006 die internationale Finanzkrise vorhergesagt. Wie haben Sie die Reaktionen erlebt, seitdem Sie gesagt haben, ich habe AfD gewählt, und Ihre Begrüßung meiner Person, die spricht ja schon Bände.
Otte: Ja, also ich habe schon natürlich damit gerechnet, dass das hochemotionalisiert ist teilweise. Ich habe die Reaktionen auf meinem Twitter-Account auch dokumentiert, 30, 40. Das geht hin bis zu Nazi und Nazipartei auf der einen Seite, und "danke für Ihre Courage" und Respekt auf der anderen Seite. Das ist ein ganz, ganz breites und emotionalisiertes Spektrum, und es ist ja auch seitens der Medien etwas, ein bisschen was passiert. Deswegen habe ich das gar nicht ironisch gemeint.
Ein großer Fernsehsender, mit dem ich seit zehn Jahren vertrauensvoll zusammenarbeite, hat angerufen und sofort die drei geplanten Interviews für den Rest des Jahres gestrichen. Also ich bin ja dieselbe Person, ich habe jetzt einmal so gewählt, ich bin CDU-Mitglied, ich bin in der Werteunion, aber es ging schon hochher, und es geht hoch her nach diesem Outing, wie ich es mal nennen möchte.
Welty: Was genau hat Sie veranlasst, erstens die AfD zu wählen und das dann auch noch, zweitens, öffentlich zu machen?
Otte: Diese öffentliche Bekundung ist ja schon eine Art Unterstützung, mit der ich hoffe, dass meine CDU wieder auf einen vernünftigen Kurs kommt. Ich bin Mitglied der Werteunion. Wir haben 31 Forderungen im Netz. Also es sind ein paar hundert CDU-Mitglieder, die die konservativen Werte der Union stärken wollen, die noch als Anerkennung um Partei und der Organisation kämpfen.
Also eine Seniorenunion und sowas kann man alles machen, aber anscheinend ist es sehr schwierig, eine konservative Parteiuntergliederung zu schaffen, obwohl da prominente Leute mit drin sind. Diese 31 Forderungen, denen kann ich mich so anschließen. Die sehe ich im Moment am ehesten bei der AfD im Parteiprogramm verwirklicht, also föderales Europa, konservative Familienpolitik, Verteidigungsfähigkeit Deutschlands, strikte Einwanderungspolitik, Ende dieser unsäglichen Eurorettungspolitik. Also das sind lauter Sachthemen, wo ich sage, dass im Moment die AfD ein ganz, ganz wichtiges Korrektiv darstellt.
Welty: Warum diese Wahlentscheidung treffen und auf der anderen Seite in der CDU bleiben wollen? Warum dann nicht den ganzen Schritt gehen und auch austreten? Wäre das nicht konsequent?

Kampf für die richtige Richtung

Otte: Jain. Es sind viele ausgetreten, aber, ich meine, letztlich ist die CDU eine traditionelle große Volkspartei, und ich glaube, in der CDU was bewirken zu können und vielleicht ein bisschen daran mitwirken zu können, dass sie wieder auf Kurs kommt, zumindest aus meiner Sicht wieder auf Kurs kommt. Und von daher, ich meine, vielleicht ändert sich auch die Politik der CDU wieder in die Richtung, die sie war, als ich in die CDU eingetreten bin. Ich bin 1991 eingetreten, und wenn es wieder in Richtung werteorientierter, konservativer, familienorientierter, dezentraler, freiheitlicher Politik geht, dann bin ich sehr gerne Mitglied. Im Moment kämpfe ich dafür, dass es in diese Richtung sich wieder bewegt.
Welty: Aber auf der anderen Seite muss ja auch die CDU, muss die Union schauen, wo sie neue Wählerschichten erschließt.
Otte: Nicht unbedingt. Sie kann vielleicht auch die, die sie jetzt verloren hat, zurückbekommen zum Teil. Wir haben gerade eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung, sie ist gerade in den Medien stark kommentiert, dass sehr, sehr viele aus der bürgerlichen Mitte zur AfD gegangen sind oder diesmal AfD gewählt haben. Natürlich hat die AfD viele Männer, das haben wir auch gehört, und auch sozial Benachteiligte, was ja auch gut ist, aber auch die bürgerliche Mitte hat sehr, sehr stark AfD gewählt, und dazu kann ich ein Beispiel sagen: Ich habe hier in Köln, in Sülz, Wahlbeobachter gemacht, weil man ja doch Angst hatte über Manipulation.
Das muss man sich mal vorstellen, in Deutschland Angst um Wahlmanipulation. Es gab ja auch schon einen Fall, der vor Gericht verhandelt wurde. Es waren drei Wahlbeobachter da, und wir schauten uns an, und wir wussten, wir waren alle dafür da, dass die Stimmen der AfD nicht unter den Tisch fallen. Der eine war Steuerberater, der andere war hocherfolgreicher Ingenieur und Unternehmer und noch ein Unternehmer. Also das waren die drei, die sich dort als Wahlbeobachter zufällig trafen.
Welty: Wenn Sie sagen, der Konservatismus muss wieder eine Heimat finden in der CDU, respektive in der Union, was bedeutet das konkret? Keine Ehe für alle beispielsweise?
Otte: Die Ehe … also das kann man nicht mehr zurückdrehen, da bin ich Realist. Ich hätte dem nicht zugestimmt, ich halte es auch für nicht so eine große Errungenschaft, wie es gefeiert wurde. Dass natürlich Toleranz, dass Offenheit da ist für alle Formen von Lebensgemeinschaften, da sind wir uns, glaube ich, mittlerweile in der Gesellschaft einig, aber dass die klassische Familie eine besondere Förderung verdient, das würde ich schon sagen. Ich glaube, das würden die meisten Konservativen auch sagen. Ich selber bin auch leider kein klassischer Vater, wie auch zum Beispiel der Jörg Meuthen nicht, ich habe auch eine Patchworkfamilie, ich tu da mein Bestes. Die Realitäten sind heutzutage andere, aber eine Förderung für das klassische Familienmodell, das, glaube ich, ist schon eine konservative Forderung.
Welty: Dann versuchen wir es vielleicht noch mal allgemeiner. Wie definieren Sie denn konservativ und dann eben eine entsprechende Politik?
Otte: Einmal ist es natürlich das Subsidiaritätsprinzip, das heißt also, dass Deutschland als Staat schon auch eine Verfasstheit haben sollte und auch Kompetenzen haben sollte innerhalb einer föderalen Europäischen Union, also einer dezentral organisierten, die möglichst viel den Staaten überlässt und die zentralen Kompetenzen bündelt. Also dieses Element des Nationalen, möchte ich mal sagen, ist schon dabei innerhalb der EU. Dann haben wir über die Familie gesprochen. Wir haben über Verantwortung, fiskalische Verantwortung gesprochen, sprich Ende der Eurorettungspolitik. Das sind wichtige Dinge für mich in einer konservativen Position.

"Die Jamaika-Koalition ist ein Horror."

Welty: Glauben Sie denn, dass in einer möglicherweise Jamaika-Koalition, die sich ja abzeichnet, diese Politik umgesetzt werden kann?
Otte: Natürlich nicht. Die Jamaika-Koalition ist ein Horror. Also mich wundert es auch, dass die ganzen Medien am Tag Eins nach dieser schallenden Ohrfeige für Frau Merkel, die, wenn sie Anstand hätte, sofort zurücktreten würde bei 8,6 Prozent Minus, dass nach dieser schallenden Ohrfeige für Frau Merkel und ihre Politik, letztlich am Tag Eins schon über die Jamaika-Koalition spekuliert wurde. Die SPD geht aus taktischen Gründen raus, um sich selber wieder zu stärken, ist damit auch Oppositionsführerin sozusagen, verdrängt die AfD von diesem Platz, obwohl sie ja dieses Malheur, was sie mitangerichtet, zu verantworten hat, aber jetzt geht sie raus. Das sind alles taktische Überlegungen. Jetzt muss sich diese wirklich absurde Kombination aus Grünen, FDP, Schwarz … Also Herr Lindner hat sich ja sehr stark in der Flüchtlingsfrage auch zu profilieren versucht. Da bin ich mal gespannt, wie das dann mit grünen Positionen übereinstimmt. Am Ende werden sie alle sich taktisch biegen und winden, um dieses windige Häuschen irgendwie zusammenzuzimmern.
Welty: Was bedeutet das für Sie denn als Alternative? Welche Koalition hätten Sie lieber?
Otte: Also ich hätte mir eine CDU-CSU-FDP-tolerierte Minderheitsregierung gewünscht. Ich glaube, das wäre besser für unser Land gewesen, weil dann die Kompromisse, die zu machen gewesen wären, doch viel, viel weniger gewesen wären, viel weniger widersprüchlich, aber das war ja nicht gewünscht, wenn man auf jeden Fall diese neue Partei, die nun mal sechs Millionen Wählern gewählt wurde, stigmatisieren, isolieren und ausgrenzen möchte, und deswegen hat man sich sofort hingesetzt, um diese absurde Konstruktion einer Jamaika-Koalition voranzutreiben.
Welty: Der Wirtschaftswissenschaftler Max Otte im "Studio 9"-Gespräch. Er hat als konservatives CDU-Mitglied nicht die CDU gewählt, sondern die AfD. Herr Otte, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Otte: Vielen Dank! Guten Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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