"Missbrauch von schwarzen Menschen"
Rachel Dolezal ist eigentlich weiß, gab sich aber jahrelang als Schwarze aus, weil sie, wie sie sagt, sich schon seit ihrem fünften Lebensjahr schwarz gefühlt habe. Die Empowerment-Expertin Tupoka Ogette empfindet das als "Hohn für die Arbeit gegen Rassismus".
Ihr Fall irritiert und fasziniert die Menschen in den USA: Rachel Dolezal ist eigentlich weiß, gab sich aber jahrelang als Schwarze aus. Auf ihrer Internetseite hatte sie einen Afroamerikaner als ihren Vater vorgestellt, jetzt haben sich ihre enttäuschten leiblichen Eltern zu Wort gemeldet und Kinderfotos und Geburtsurkunde präsentiert, die keinen Zweifel über ihre Identität zulassen.
"Passing" nennt man das Phänomen, dass Menschen sich als Angehöriger einer anderen Ethnie ausgeben. Dabei kannte man diese Bewegung vor allem unter Schwarzen, die nicht länger diskriminiert werden wollten und sich deshalb als Weiße ausgaben. Oder sehr prominent auch bei Popstar Michael Jackson, der ja – sicher auch aber nicht nur wegen einer Hautkrankheit immer weißer wurde, sich aber doch als Schwarzer empfand. Aber Weiße, die als Schwarze durchgehen wollen? Das dürfte sehr selten vorkommen.
Einerseits klingt diese Geschichte natürlich nach verrückter Maskerade , andererseits berührt sie aber auch viel weiterreichende Fragen über das Verhältnis von Schwarz und Weiß und die Grenzen menschlicher Individualität überhaupt.
"Schlag ins Gesicht"
So hat der schwarze Stiefbruder von Rachel Dolezal davon gesprochen, das Verhalten seiner Schwester sei für Afroamerikaner auch "ein Schlag ins Gesicht". Denn "sie war nur schwarz, wenn es ihr Vorteile gebracht hat".
Auch die Expertin für Vielfalt und Anti-Diskriminierung, Tupoka Ogette, findet dieses Verhalten skandalös:
"Der Fall hat mich ebenso schockiert und entsetzt wie viele andere aus der schwarzen Community hier in Deutschland oder auch in den USA, weil es einfach ein extremes respektloses Verhalten gegenüber schwarzen Menschen ist, die seit Jahrhunderten und auch tagtäglich gegen strukturellen Rassismus kämpfen, gegen Alltagsrassismus, gegen institutionellen Rassismus, und wenn dann jemand kommt und weiß ist und sich diese schwarze Jacke an- und auszieht, wie es ihr gerade beliebt, das ist eine Art Hohn für diese ganze wichtige Arbeit."
Rachel Dolezal hat in den vergangen Jahren als Aktivistin für die Rechte von Schwarzen gekämpft, in einem Interview hat sie gesagt, sie habe sich immerhin schon seit ihrem fünften Lebensjahr schwarz gefühlt. Kann man –so wie mit dem falschen Geschlecht – auch mit der falschen Hautfarbe geboren werden?
"Die Kategorie Hautfarbe ist ein Konstrukt, Rassismus ist ein Konstrukt, es ist eine Sache zu sagen, ich wachse in einer schwarzen Familie auf und fühle mich denen ganz nahe, aber es ist eine andere Sache, tagtäglich markiert zu werden, das ist etwas, was von außen geschieht, wird man als schwarz oder weiß markiert. Und es ist so: Menschen die schwarz sind – ich kann morgen jetzt auch nicht einfach entscheiden, ich bin weiß, weil ich mich weiß fühle, ich werde trotzdem unter alltäglichem Rassismus leiden. Es ist Missbrauch von schwarzen Menschen."
"Natürlich gibt es weiße Verbündete"
Außerdem hätte Rachel Dolezal den Kampf gegen Rassismus ebenso als Weiße, als "weiße Verbündete" führen können, findet Tupoka Ogette:
"Natürlich gibt es weiße Verbündete, seit Jahrhunderten, natürlich gibt es weiße Menschen, die sich gegen Rassismus einsetzen, und sie hat inhaltlich wichtige Arbeit geleistet, die jetzt dahin ist, weil sie diese Struktur so missbraucht hat. Es wäre für sie und alle anderen viel besser gewesen, wenn sie als weiße Person gesagt hätte, sie ist eine Verbündete im Kampf gegen Rassismus und da kann sie auch Professorin für African Studies sein."
Die Debatte um schwarz und weiß mutet seltsam an, denn eigentlich sollten diese Kategorien doch überwunden sein. Das sei leider nicht der Fall, findet Tupoka Ogette:
"Diese Kategorien wie Hautfarbe sind irgendwann willkürlich gewählt worden, und sie sind wirksam bis heute. Es ist ein Privileg von Weiß-Sein, das Gefühl zu haben, dass es nicht wichtig ist, es ist ein Privileg von Weiß-Sein, dass Weiß-Sein etwas ist, was nicht tagtäglich benannt wird, weil es die Norm ist. Allen anderen, die nicht-weiß markiert sind und auch so aufwachsen, denen ist völlig klar, dass diese Kategorien nicht obsolet sind und bis heute wirksam sind. Dass sie Quatsch sind, das ist eine andere Frage."