Der philosophische Wochenkommentar

Die Spaghetti-Kirche ist clever!

Hinweisschild der "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" mit den Zeiten der sogenannten Nudelmesse in Templin; aufgenommen im November 2014
Hinweisschild der "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" mit den Zeiten der sogenannten Nudelmesse in Templin; aufgenommen im November 2014 © picture alliance / dpa
Von Arno Orzessek |
In Brandenburg gibt es Streit um die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters". Dabei verhält diese sich doch clever, meint Arno Orzessek. Denn die Anhänger der Spaghetti-Kirche füllen die Religionsfreiheit mit neuem Leben.
Die Sache ist kompliziert, also interessant - und Gott sei Dank witzig. 2012 hat das Finanzamt Templin der "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" bescheinigt, tatsächlich "kirchliche Zwecke" zu fördern, und darum Steuerfreiheit gewährt.
Die Pastafari der Spaghetti-Kirche sehen sich selbst jedoch gar nicht als Religions-, sondern als Weltanschauungsgemeinschaft. Und richten ihren Überbau am erdverbundenen "Manifest des Evolutionären Humanismus" aus, das der Philosoph Michael Schmidt-Salomon verfasst hat.
Das erste der "Zehn Angebote des evolutionären Humanismus" lautet: "Diene weder fremden noch heimischen 'Göttern', sondern dem großen Ideal der Ethik."
Allerdings fordern die Pastafari Gleichbehandlung mit Religionsgemeinschaften im Sinne des Antidiskriminierungsgesetzes und wollen in Templin auch künftig per Beschilderung zur "Nudelmesse" bei Teigwaren und Bier einladen.
Was wiederum das bierernste Kulturministerium Brandenburg nicht dulden will. Die Spaghetti-Kirche sei eben keine Religionsgemeinschaft - drum weg mit den Schildern, die das christliche Fisch-Symbol mit Nudelbeilage zeigen.
Das Ministerium klammert sich also an die Differenz von Religion und Weltanschauung, die säkulare Spaghetti-Kirche setzt dagegen auf gleiches Recht für beide.
Klar, im Zweifel lässt sich die Differenz rasch herbeidefinieren - und zwar so: Jede Religion unterstellt eine transzendente Wirklichkeit, Weltanschauungen beschränken sich auf innerweltliche Unterstellungen.
Aber rechtfertigt das die Ungleichbehandlung in der uckermärkischen Schilder-Frage?

Kein rechtlicher Anspruch auf Freiheit von Religiosität

Der amerikanische Physiker Bobby Henderson hat das "Fliegende Spaghettimonster" 2005 doch eigens erschaffen, um religiöse Privilegien, die auf Ab- und Jenseitiges gründen, zu kritisieren. Vor allem parodierte seine lässige Nudel-Gottheit die Lehre vom "Intelligent Design", deren Anhänger an die Erschaffung der Welt in sechs Tagen glauben, die Evolutionstheorie verteufeln und an Schulen Kreationismus gelehrt sehen wollen. Henderson beantragte, auch das Monster zu lehren.
Eine verblüffende Aktion, keine Frage: Ausgerechnet eine Kirche zu gründen, um Religionsfreiheit als Freiheit von Religion durchsetzen zu können.
Andererseits: ganz schön clever!
Denn theoretische Religionskritik ist nur das eine. Es gibt sie, seit die Vorsokratiker mythologischen Welterklärungen logische entgegengesetzt haben. Die Aufklärung diente der Befreiung reflektierender Menschen aus ihrer religionsbedingten Unmündigkeit. Kant akzeptierte gerade mal eine diesseitige Vernunftreligion. Im heißen Bannstrahl von Feuerbach, Marx und Nietzsche verdampften Gott und Götter.
Heute verkünden die weltweit verbreiteten "Brights", unter ihnen der Biologe Richard Dawkins und der Philosoph Daniel Dennet, ihr naturalistisches Weltbild sei restlos gereinigt vom Aberglauben an Übernatürliches.
In halbwegs liberalen Gesellschaften geht das allemal problemlos: Dass man sich von Religiosität komplett freimacht. Allerdings kann man auf diese - negative - Freiheit keine rechtlichen Ansprüche gründen. Man bleibt auf sein Unglaubensbekenntnis beschränkt.

Mit empirischem Beweis reich werden

Die tapferen Pastafari dagegen, die tun wirklich was, auch über Templins Beschilderung hinaus. Als Spaghetti-Kirche organisiert, sind sie der Stachel im Fleisch der pseudo-säkularisierten Gesellschaft und das Trojanische Pferd hinter den Kirchenmauern der Konfessionen.
In Neuseeland können sich Lesben und Schwule nur in der Spaghetti-Kirche kirchlich trauen lassen, und zwar von Päpstin "Ministeroni". In Polen verweigerten hohe Behörden der Spaghetti-Kirche dagegen die Anerkennung mit dem aberwitzigen Argument, sie diene nicht der Missionierung - obwohl sie bewiesenermaßen den Pastafarianismus predigt. Auch in Österreich tobt ein Kirchenkampf im Zeichen der Nudel.
Kurz: Die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" erfüllt den aufklärerischen Premium-Begriff "Religionsfreiheit" mit neuem Leben.
Wer ihre entspannte Lehre indessen widerlegt, kann reich werden. Führende Pastafari sichern demjenigen eine Million Dollar zu, "der empirische Beweise [dafür] erbringen kann, dass Jesus nicht der Sohn des Fliegenden Spaghettimonsters ist."
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