Der Terror des freien Marktes
Naomi Klein, bekannt durch ihren Bestseller "No logo", beschreibt in ihren neuen Buch den kompletten Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft. Für die Autorin ist Chile nach dem Pinochet-Putsch 1973 das Vorbild, nach dem rund um die Welt Militärputsche, Naturkatastrophen, Wirtschaftszusammenbrüche genutzt werden, um die Märkte völlig zu liberalisieren.
Dass sich Pinochet 1973 nicht zuletzt dank massiver Hilfe von US-Konzernen und der CIA an die Macht putschen konnte, ist seit langem bekannt. Dass die damit einhergehende Privatisierung des gesamten Staatswesens, der Ausverkauf Chiles an eine Handvoll Unternehmer mindestens genauso viel Leid und Elend für Millionen Chilenen mit sich brachte, diese Tatsache ist nur wenigen Medien eine Meldung wert gewesen.
Schulen, Universitäten, Sozialversicherung, Renten - alles wurde privatisiert. Widerstand war nicht zu erwarten. Wer aufmuckte, verschwand. Die Demokratie war abgeschafft. Millionen Chilenen stürzten in bitterste Armut, während einige wenige Unternehmen extremen Reichtum anhäuften. Die chilenische Wirtschaft boomte, doch auf Kosten des größten Teils der Bevölkerung.
All das beschreibt Naomi Klein jetzt in ihrem Buch 'Die Schock-Strategie', denn Chile wurde damals zum ersten realen Experimentierfeld einer ganzen Wirtschaftsschule, die sich in Chicago unter dem Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman gebildet hatte.
Danach kann nur ein wirklich freier Markt ohne jegliche Einmischung des Staates einer Nation wirtschaftlichen Wohlstand garantieren. Ob Mindestlöhne oder Arbeitschutzgesetze, jede Form staatlicher Regulierung, jede Form wirtschaftlicher Aktivität von der Post über das Bildungswesen bis zum Nationalpark, verhindert wirtschaftliche Prosperität. Private können alles viel besser, effizienter, preiswerter erledigen.
Solch ein kompletter Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft ist unter normalen demokratischen Verhältnissen kaum durchführbar. So bietet nur eine Krise die Chance eines radikalen, raschen und unwiderruflichen Wandels.
Für Naomi Klein ist Chile das Vorbild, nach dem rund um die Welt Militärputsche, Naturkatastrophen, Wirtschaftszusammenbrüche von den Anhängern Milton Friedmans dazu genutzt werden, ihre Version der Liberalisierung der Marktes durchzupeitschen. Naomi Klein nennt das die dreigliedrige Formel von Deregulierung, Privatisierung und Einschnitte bei den Sozialausgaben.
Sie vergleicht die ökonomische Schocktherapie mit den Verhörmethoden der CIA. Mithilfe von Elektroschocks, Medikamenten, Entzug von Licht und Geräuschen kompletter Isolierung wird versucht, die Persönlichkeit der Opfer zu brechen, um den desorientierten, willenlosen Opfern Geständnisse zu entlocken.
Naomi Klein ist der Ansicht, nach demselben Prinzip würde auch der Katastrophen-Kapitalismus funktionieren. Erst kommt der Schock durch die Katastrophe, der die Betroffenen paralysiert, dann kommt die Therapie, die in kürzester Zeit alles Bisherige vernichtet und völlig neue Verhältnisse schafft. Ganz ohne Widerstand, da die Betroffenen noch unter Schock stehen.
Die Autorin führt auf über 600 Seiten detailliert vor, wie die Friedman-Anhänger in der US-Regierung, bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfond Katastrophen jeglicher Art dazu genutzt haben, den jeweiligen Staat an private Interessen zu verfüttern. Als Beispiele dienen ihr die Militärputsche in Indonesien oder Südamerika, der Zusammenbruch des Kommunismus in Polen und Russland, der Krieg im Irak, die Naturkatastrophen des Tsunami in Asien oder des Hurrikan Katrina.
Sie schildert, wie all diese Ereignisse den Friedman-Ideologen jenen reinen Tisch schufen, um den für die meisten Menschen vogelfreien Markt durchzusetzen. In den USA haben die Neokonservativen unter Bush es sogar geschafft, den Staatsapparat so auszuhöhlen, dass heute dutzende Privatfirmen staatliche Kernaufgaben übernehmen.
Naomi Kleins Beispiele sind überzeugend und erschütternd, die Beweise erdrückend. Allerdings gerät ihre engagierte und gut begründete Anklage bisweilen in die Nähe linksradikalen Verschwörungstheorien der 70er Jahre, die den Weltkapitalismus als heimtückischen monolithischen Block ansahen, als eine in den Konzernetagen der Multis geplante Welteroberung.
Auf den letzten 50 Seiten ihres Buches versucht sie diesen Eindruck zu korrigieren und nennt Beispiele dafür, wie sich betroffene Bürger weltweit gegen den Katastrophen-Kapitalismus zu wehren beginnen. Er ist ihrer Ansicht nach kein Naturereignis, dem man machtlos ausgesetzt ist.
Doch dazu muss man erst einmal begriffen haben, wie er funktioniert. Das Buch wird zu einer Bibel der Globalisierungskritiker werden, denn es liefert ihnen alle Argumente, die sie brauchen. Es ist einseitig - keine Frage. Volkstribun Chavez oder die Hisbollah werden nur unter dem Aspekt ihres Widerstands gegen den Katastrophen-Kapitalismus aufgeführt. Doch da diese Seite bislang unterschlagen wurde, eröffnet das Buch eine wichtige Diskussion, zumal es sich liest wie ein hochdramatischer Krimi.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Naomi Klein: Die Schock-Strategie
Übersetzt von Hartmut Schickert
Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
763 Seiten, 22,90 Euro
Schulen, Universitäten, Sozialversicherung, Renten - alles wurde privatisiert. Widerstand war nicht zu erwarten. Wer aufmuckte, verschwand. Die Demokratie war abgeschafft. Millionen Chilenen stürzten in bitterste Armut, während einige wenige Unternehmen extremen Reichtum anhäuften. Die chilenische Wirtschaft boomte, doch auf Kosten des größten Teils der Bevölkerung.
All das beschreibt Naomi Klein jetzt in ihrem Buch 'Die Schock-Strategie', denn Chile wurde damals zum ersten realen Experimentierfeld einer ganzen Wirtschaftsschule, die sich in Chicago unter dem Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman gebildet hatte.
Danach kann nur ein wirklich freier Markt ohne jegliche Einmischung des Staates einer Nation wirtschaftlichen Wohlstand garantieren. Ob Mindestlöhne oder Arbeitschutzgesetze, jede Form staatlicher Regulierung, jede Form wirtschaftlicher Aktivität von der Post über das Bildungswesen bis zum Nationalpark, verhindert wirtschaftliche Prosperität. Private können alles viel besser, effizienter, preiswerter erledigen.
Solch ein kompletter Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft ist unter normalen demokratischen Verhältnissen kaum durchführbar. So bietet nur eine Krise die Chance eines radikalen, raschen und unwiderruflichen Wandels.
Für Naomi Klein ist Chile das Vorbild, nach dem rund um die Welt Militärputsche, Naturkatastrophen, Wirtschaftszusammenbrüche von den Anhängern Milton Friedmans dazu genutzt werden, ihre Version der Liberalisierung der Marktes durchzupeitschen. Naomi Klein nennt das die dreigliedrige Formel von Deregulierung, Privatisierung und Einschnitte bei den Sozialausgaben.
Sie vergleicht die ökonomische Schocktherapie mit den Verhörmethoden der CIA. Mithilfe von Elektroschocks, Medikamenten, Entzug von Licht und Geräuschen kompletter Isolierung wird versucht, die Persönlichkeit der Opfer zu brechen, um den desorientierten, willenlosen Opfern Geständnisse zu entlocken.
Naomi Klein ist der Ansicht, nach demselben Prinzip würde auch der Katastrophen-Kapitalismus funktionieren. Erst kommt der Schock durch die Katastrophe, der die Betroffenen paralysiert, dann kommt die Therapie, die in kürzester Zeit alles Bisherige vernichtet und völlig neue Verhältnisse schafft. Ganz ohne Widerstand, da die Betroffenen noch unter Schock stehen.
Die Autorin führt auf über 600 Seiten detailliert vor, wie die Friedman-Anhänger in der US-Regierung, bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfond Katastrophen jeglicher Art dazu genutzt haben, den jeweiligen Staat an private Interessen zu verfüttern. Als Beispiele dienen ihr die Militärputsche in Indonesien oder Südamerika, der Zusammenbruch des Kommunismus in Polen und Russland, der Krieg im Irak, die Naturkatastrophen des Tsunami in Asien oder des Hurrikan Katrina.
Sie schildert, wie all diese Ereignisse den Friedman-Ideologen jenen reinen Tisch schufen, um den für die meisten Menschen vogelfreien Markt durchzusetzen. In den USA haben die Neokonservativen unter Bush es sogar geschafft, den Staatsapparat so auszuhöhlen, dass heute dutzende Privatfirmen staatliche Kernaufgaben übernehmen.
Naomi Kleins Beispiele sind überzeugend und erschütternd, die Beweise erdrückend. Allerdings gerät ihre engagierte und gut begründete Anklage bisweilen in die Nähe linksradikalen Verschwörungstheorien der 70er Jahre, die den Weltkapitalismus als heimtückischen monolithischen Block ansahen, als eine in den Konzernetagen der Multis geplante Welteroberung.
Auf den letzten 50 Seiten ihres Buches versucht sie diesen Eindruck zu korrigieren und nennt Beispiele dafür, wie sich betroffene Bürger weltweit gegen den Katastrophen-Kapitalismus zu wehren beginnen. Er ist ihrer Ansicht nach kein Naturereignis, dem man machtlos ausgesetzt ist.
Doch dazu muss man erst einmal begriffen haben, wie er funktioniert. Das Buch wird zu einer Bibel der Globalisierungskritiker werden, denn es liefert ihnen alle Argumente, die sie brauchen. Es ist einseitig - keine Frage. Volkstribun Chavez oder die Hisbollah werden nur unter dem Aspekt ihres Widerstands gegen den Katastrophen-Kapitalismus aufgeführt. Doch da diese Seite bislang unterschlagen wurde, eröffnet das Buch eine wichtige Diskussion, zumal es sich liest wie ein hochdramatischer Krimi.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Naomi Klein: Die Schock-Strategie
Übersetzt von Hartmut Schickert
Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
763 Seiten, 22,90 Euro