Der Waffenstillstand von Compiègne
Vor 90 Jahren endete mit dem Waffenstillstand von Compiègne der Erste Weltkrieg. Die Erleichterung über das Ende des beispiellosen Mordens wurde schon bald von anderen Empfindungen verdrängt: von Triumphgefühlen bei den Siegern, von verletztem Nationalstolz und Hass im geschlagenen Deutschland. Hier wurde die Legende von der angeblich im Felde unbesiegten Armee zum Keim neuer Gewalt.
Auf diesen Tag hatten Millionen von Menschen lange gewartet: Am 11. November 1918 trat nach vier Jahren erbitterter Kämpfe ein Waffenstillstand zwischen den Mächten der Entente und dem Deutschen Reich in Kraft. Der Erste Weltkrieg, dem mehr als acht Millionen Soldaten zum Opfer gefallen waren, war damit beendet.
In den siegreichen Staaten gab es spontane Freudenfeiern. Hier wurde der 11. November zu einem nationalen Feiertag, der patriotische Hochstimmung auslöste.
In Deutschland wurde die Erleichterung über das Kriegsende von anderen Gefühlen verdrängt: Weite Kreise betrachteten den 11. November 1918 als Tag der Schande. Zwei Tage zuvor war in Berlin die Republik ausgerufen worden, Kaiser Wilhelm II. war ins neutrale Holland geflohen. Konservative und radikale Nationalisten machten die nun zur Macht gekommenen Demokraten für die Kriegsniederlage verantwortlich.
Tatsächlich waren die revolutionären Unruhen nicht die Ursache, sondern eine Folge der militärischen Katastrophe: Die Oberste Heeresleitung hatte Ende September 1918 angesichts der alliierten Übermacht plötzlich und geradezu panisch von der Reichsregierung den Abschluss eines Waffenstillstands verlangt. Das deutsche Waffenstillstandsgesuch an den Präsidenten der USA, Woodrow Wilson, vom 4. Oktober war das offene Eingeständnis des militärischen Bankrotts.
Die deutschen Militärs waren nicht unglücklich darüber, dass sie aufgrund der nun vollzogenen Demokratisierung die Verantwortung für das Desaster an einen Zivilisten loswurden: Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger wurde zum Vorsitzenden der deutschen Waffenstillstandskommission ernannt. Der Generalquartiermeister des deutschen Heeres, General Wilhelm Groener, machte aus seiner klammheimlichen Freude darüber in seinen Memoiren keinen Hehl:
"Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseligen Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieben."
So machte sich Matthias Erzberger, begleitet von einigen Sachverständigen, am 6. November 1918 auf den Weg durch die Fronten zum Oberkommandierenden der Alliierten, Marschall Foch. Foch ließ die deutsche Delegation in die Nähe der nordostfranzösischen Stadt Compiègne bringen, wo sie um einen Waffenstillstand regelrecht bitten musste. Erzberger schrieb später über diese Erniedrigung:
"Der nationale Leidensweg nach Compiègne war das Schwerste und Bitterste, was mir in meiner amtlichen Tätigkeit auferlegt worden ist. Ich habe aber das Bewusstsein, für unser teures Vaterland gerettet zu haben, was überhaupt zu retten war."
Tatsächlich konnten die deutschen Delegierten einige Abänderungen der Waffenstillstandsbedingungen erreichen, obwohl sie über keinerlei Verhandlungsspielraum verfügten: Generalfeldmarschall Hindenburg, der täglich mit dem völligen Zusammenbruch der deutschen Fronten rechnete und in großer Sorge war, doch noch militärisch kapitulieren zu müssen, sandte am 10. November die Depesche an Erzberger:
"In den Waffenstillstandsbedingungen muss versucht werden, Erleichterungen zu erreichen. Gelingt Durchsetzung nicht, so wäre trotzdem abzuschließen."
Die Waffenstillstandskommission ersparte der Armeeführung die Schmach, die weiße Fahne hissen zu müssen. Am Morgen des 11. November 1918 unterzeichnete sie die Bedingungen der Sieger: Fast alle schweren Waffen mussten in kürzester Zeit abgegeben, die Truppen aus Belgien und Lothringen zurückgezogen werden. Das Rheinland wurde von den Alliierten als Faustpfand besetzt. Das Waffenstillstandsabkommen nahm in vieler Hinsicht den harten Friedensvertrag von Versailles vorweg.
Als besonders empörend wurde in Deutschland die Aufrechterhaltung der britischen Seeblockade empfunden. Das den Alliierten von Erzberger abgerungene Versprechen, Lebensmittellieferungen an die ausgehungerte deutsche Bevölkerung zuzulassen, wurde nach zähen Verhandlungen erst im März 1919 in die Tat umgesetzt - zu spät, um das Waffenstillstandsabkommen in ein besseres Licht zu rücken.
So hat Matthias Erzberger für seinen schweren Gang nach Compiègne niemals den Dank der Nation erhalten, der ihm gebührte. Vielmehr wurde er zur bevorzugten Zielscheibe der verlogenen Kampagne vom "Dolchstoß" der Heimat in den Rücken der angeblich im Felde unbesiegten Armee: 1921 wurde Erzberger von rechtsradikalen Offizieren ermordet.
In den siegreichen Staaten gab es spontane Freudenfeiern. Hier wurde der 11. November zu einem nationalen Feiertag, der patriotische Hochstimmung auslöste.
In Deutschland wurde die Erleichterung über das Kriegsende von anderen Gefühlen verdrängt: Weite Kreise betrachteten den 11. November 1918 als Tag der Schande. Zwei Tage zuvor war in Berlin die Republik ausgerufen worden, Kaiser Wilhelm II. war ins neutrale Holland geflohen. Konservative und radikale Nationalisten machten die nun zur Macht gekommenen Demokraten für die Kriegsniederlage verantwortlich.
Tatsächlich waren die revolutionären Unruhen nicht die Ursache, sondern eine Folge der militärischen Katastrophe: Die Oberste Heeresleitung hatte Ende September 1918 angesichts der alliierten Übermacht plötzlich und geradezu panisch von der Reichsregierung den Abschluss eines Waffenstillstands verlangt. Das deutsche Waffenstillstandsgesuch an den Präsidenten der USA, Woodrow Wilson, vom 4. Oktober war das offene Eingeständnis des militärischen Bankrotts.
Die deutschen Militärs waren nicht unglücklich darüber, dass sie aufgrund der nun vollzogenen Demokratisierung die Verantwortung für das Desaster an einen Zivilisten loswurden: Der Zentrumspolitiker Matthias Erzberger wurde zum Vorsitzenden der deutschen Waffenstillstandskommission ernannt. Der Generalquartiermeister des deutschen Heeres, General Wilhelm Groener, machte aus seiner klammheimlichen Freude darüber in seinen Memoiren keinen Hehl:
"Mir konnte es nur lieb sein, wenn bei diesen unglückseligen Verhandlungen, von denen nichts Gutes zu erwarten war, das Heer und die Heeresleitung so unbelastet wie möglich blieben."
So machte sich Matthias Erzberger, begleitet von einigen Sachverständigen, am 6. November 1918 auf den Weg durch die Fronten zum Oberkommandierenden der Alliierten, Marschall Foch. Foch ließ die deutsche Delegation in die Nähe der nordostfranzösischen Stadt Compiègne bringen, wo sie um einen Waffenstillstand regelrecht bitten musste. Erzberger schrieb später über diese Erniedrigung:
"Der nationale Leidensweg nach Compiègne war das Schwerste und Bitterste, was mir in meiner amtlichen Tätigkeit auferlegt worden ist. Ich habe aber das Bewusstsein, für unser teures Vaterland gerettet zu haben, was überhaupt zu retten war."
Tatsächlich konnten die deutschen Delegierten einige Abänderungen der Waffenstillstandsbedingungen erreichen, obwohl sie über keinerlei Verhandlungsspielraum verfügten: Generalfeldmarschall Hindenburg, der täglich mit dem völligen Zusammenbruch der deutschen Fronten rechnete und in großer Sorge war, doch noch militärisch kapitulieren zu müssen, sandte am 10. November die Depesche an Erzberger:
"In den Waffenstillstandsbedingungen muss versucht werden, Erleichterungen zu erreichen. Gelingt Durchsetzung nicht, so wäre trotzdem abzuschließen."
Die Waffenstillstandskommission ersparte der Armeeführung die Schmach, die weiße Fahne hissen zu müssen. Am Morgen des 11. November 1918 unterzeichnete sie die Bedingungen der Sieger: Fast alle schweren Waffen mussten in kürzester Zeit abgegeben, die Truppen aus Belgien und Lothringen zurückgezogen werden. Das Rheinland wurde von den Alliierten als Faustpfand besetzt. Das Waffenstillstandsabkommen nahm in vieler Hinsicht den harten Friedensvertrag von Versailles vorweg.
Als besonders empörend wurde in Deutschland die Aufrechterhaltung der britischen Seeblockade empfunden. Das den Alliierten von Erzberger abgerungene Versprechen, Lebensmittellieferungen an die ausgehungerte deutsche Bevölkerung zuzulassen, wurde nach zähen Verhandlungen erst im März 1919 in die Tat umgesetzt - zu spät, um das Waffenstillstandsabkommen in ein besseres Licht zu rücken.
So hat Matthias Erzberger für seinen schweren Gang nach Compiègne niemals den Dank der Nation erhalten, der ihm gebührte. Vielmehr wurde er zur bevorzugten Zielscheibe der verlogenen Kampagne vom "Dolchstoß" der Heimat in den Rücken der angeblich im Felde unbesiegten Armee: 1921 wurde Erzberger von rechtsradikalen Offizieren ermordet.