Schreiben in Aufruhr
Frankreichs ist das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Wir widmen frankofonen Autorinnen und Autoren im Kölner Theater Comedia eine öffentliche "Lange Nacht".
Die Wahl Macrons als Hoffnungsbringer dürfte nicht alle Probleme lösen, denn die Krise ist tiefer, als es auf den ersten Blick erscheint: Ein Gesellschaftskonsens über die Schuld gegenüber den ehemaligen Kolonien bleibt aus; das republikanische Modell ist infrage gestellt; die unteren Gesellschaftsschichten sind von Abstiegsängsten erfasst.
Romane wie Laurence Tardieus "So laut die Stille" (dt. 2017) spiegeln ein tiefes Unbehagen und erspüren Haarrisse durch unsere Zeit. Wenn die Literatur ein Seismograf ihrer Gegenwart ist, so begegnet uns heute eine große, welthaltige Literatur in französischer Sprache, die sich von Europa über den Maghreb, Westafrika und die Karibik bis nach Indien spannt.
Zorniger Skandalroman und Bewältigung von Traumata
Sie ist erfüllt von Ironie und dem Willen zur Bewältigung unserer Traumata, aber auch von Bitterkeit und Zorn: "Die Großmächtigen" (dt. 2017) von Hédi Kaddour erzählt anhand eines Romansettings in der fiktiven maghrebinischen Stadt Nahbès in den 1920er-Jahren von einem französischen Milieu, das die Kolonien beherrscht, diese missachtet und doch mit ihnen verstrickt ist, und aus dem jenes komplizierte Geflecht hervorgegangen ist, das die Beziehungen zwischen Frankreich und seinen nordafrikanischen Kolonien bis heute vergiftet.
In ihrem zornigen Skandalroman "Erschlagt die Armen!" (dt. 2015) über die Unerbittlichkeit des europäischen Asylsystems setzt uns Shumona Sinha an den Vermittlungstisch mit dieser kolonial geprägten Welt, die heute wankt und deren Gewalt zu uns zurückdringt. Sollten wir nicht genau nach Frankreich schauen, das oftmals gesellschaftliche Entwicklungen vorhergenommen hat?
Die Chance hierzu bietet die Einladung Frankreichs als Gastland der Frankfurter Buchmesse in diesem Herbst. Wir widmen frankofonen Autorinnen und Autoren im Kölner Theater Comedia eine öffentliche Lange Nacht.