Die Leere als Kunstobjekt
1961 gestaltete Yves Klein im Museum Haus Lange in Krefeld einen komplett weißen Raum. Dieser ist jetzt nach behutsamer Restaurierung wieder zu sehen - als Teil einer internationalen Ausstellung über das Phänomen der Leere in der zeitgenössischen Kunst.
Das ganze Haus ist leer. Auf den spiegelnden Parkettböden tummeln sich nur die Lichtreflexe der Herbstsonne, der Park vor den großen Fenstern lockt den Blick des Betrachters allenfalls vage in die Ferne. Kein einziges Exponat lenkt ihn ab auf dem Weg zum einzigen Objekt dieser Schau: der Leere.
Das war ganz anders bei der Ausstellung, in der Yves Klein 1961 seine Werke hier präsentiert hat: intensives Ultramarinblau, strahlendes Rosa, leuchtendes Gold ging aus von den charakteristischen monochromen Tafeln, mit denen der Künstler, gerade Anfang Dreißig, damals zum Weltruhm aufbrach. Abends erleuchtete er mit farbigen Lichtinstallationen den Park von Haus Lange.
Im Zentrum, an einem verborgenen, beinah geheimen Ort, kahl und karg wie die Zelle eines antiken Tempels, lag auch 1961 schon der leere Raum, "Le Vide", dem zu Ehren das Krefelder Kunstmuseum jetzt das ganze Haus leer geräumt hat. Diesen Raum kennt heute kein Mensch besser als der Restaurator Sebastian Köhler.
"Da gab es eine kleine Kammer, wo die Hausorgel der Familie Lange untergebracht war, die hat Mies nicht ganz freiwillig eingebaut auf Wunsch des Bauherrn, diese Kammer ist die Urzelle. Klein hat erkannt, dass diese Zelle - das ist wie ein Fremdkörper in dieser Architektur und das hat er genutzt für sein Ausstellungskonzept."
Wer es nicht weiß, würde keinen Raum erwarten zwischen Halle und Salon, die knapp sieben Quadratmeter, die sich da hinter einer Tapetentür ohne Klinke verbergen, fallen nicht ins Gewicht bei den großzügigen Proportionen von Haus Lange. Es ist eher ein schmaler Gang als ein Raum, und er ist blendend weiß und grell erleuchtet von einer Neonröhre unter der Decke.
Wenn man eintritt, nimmt man noch die reliefartige Struktur der Wandbemalung wahr, grobe Pigmentkörner ballen sich stellenweise zu dynamischen, strudelartigen Verdichtungen. Einen Moment später aber hat einen die Schneeblindheit erfasst. Die rechten Winkel der Wände, die Übergänge von der Decke in die Vertikale lösen sich auf, gleißend heller Nebel scheint den Raum zu füllen, alle überprüfbaren Positionen und Entfernungen aufzuheben. Eine intensivere Erfahrung des Sehens und des Nicht-Sehens kann man nicht machen als in diesem Raum der Leere von Yves Klein.
Sebastian Köhler: "Wir haben kunsttechnologische Untersuchungen gemacht zusammen mit einem Labor, ich bin ins Klein-Archiv gefahren, um alles aufzuklären, was mit dem Material zu tun hat, aber eigentlich ist es das Immaterielle, was der entscheidende Aspekt eigentlich ist."
Der Restaurator hat festgestellt, dass Yves Klein die Bemalung der Wände mit demselben Farbmaterial und in derselben Technik, nämlich mit der Rolle, ausgeführt hat wie seine monochromen Leinwände. Der Raum, der in den letzten vier Jahrzehnten Teil einiger Ausstellungen war, aber nicht ständig geöffnet wurde, hatte gelitten durch Verschmutzung, durch Risse im Putz. Beides hat Köhler mit minimalen Eingriffen beseitigt. Um den makellosen Zustand möglichst lange zu erhalten, muss man vor dem Eintritt ins Leere jetzt Filzpantoffeln überstreifen.
"Es war so, dass ich alle Schäden, die ja auch 'ne materielle Eigenwertigkeit haben, zurückdränge zugunsten dieses Immateriellen."
Wer sich darauf einlassen will, kommt ganz nah heran an die Intentionen von Yves Klein, der Kunst als spirituelle Erfahrung verstand.
"Er hat gesagt, die Bilder wären die Asche seiner Kunst, die Bilder sind nur vermittelnd für etwas, das eigentlich dahinter steht,--- und der Raum hatte so eine Funktion, den Besucher dafür zu öffnen."
Wer die Erfahrung machen will, sollte schnell nach Krefeld fahren, denn in dieser Form wird die Installation nur eine Woche lang gezeigt. In Yves Kleins weißer Leere ist mehr zu sehen als in der bunten Fülle mancher Kunstereignisse.
Service: Die Installation "Le Vide" ist vom 20. bis 27.9.09 im Museum Haus Lange, Krefeld zu sehen.
Das war ganz anders bei der Ausstellung, in der Yves Klein 1961 seine Werke hier präsentiert hat: intensives Ultramarinblau, strahlendes Rosa, leuchtendes Gold ging aus von den charakteristischen monochromen Tafeln, mit denen der Künstler, gerade Anfang Dreißig, damals zum Weltruhm aufbrach. Abends erleuchtete er mit farbigen Lichtinstallationen den Park von Haus Lange.
Im Zentrum, an einem verborgenen, beinah geheimen Ort, kahl und karg wie die Zelle eines antiken Tempels, lag auch 1961 schon der leere Raum, "Le Vide", dem zu Ehren das Krefelder Kunstmuseum jetzt das ganze Haus leer geräumt hat. Diesen Raum kennt heute kein Mensch besser als der Restaurator Sebastian Köhler.
"Da gab es eine kleine Kammer, wo die Hausorgel der Familie Lange untergebracht war, die hat Mies nicht ganz freiwillig eingebaut auf Wunsch des Bauherrn, diese Kammer ist die Urzelle. Klein hat erkannt, dass diese Zelle - das ist wie ein Fremdkörper in dieser Architektur und das hat er genutzt für sein Ausstellungskonzept."
Wer es nicht weiß, würde keinen Raum erwarten zwischen Halle und Salon, die knapp sieben Quadratmeter, die sich da hinter einer Tapetentür ohne Klinke verbergen, fallen nicht ins Gewicht bei den großzügigen Proportionen von Haus Lange. Es ist eher ein schmaler Gang als ein Raum, und er ist blendend weiß und grell erleuchtet von einer Neonröhre unter der Decke.
Wenn man eintritt, nimmt man noch die reliefartige Struktur der Wandbemalung wahr, grobe Pigmentkörner ballen sich stellenweise zu dynamischen, strudelartigen Verdichtungen. Einen Moment später aber hat einen die Schneeblindheit erfasst. Die rechten Winkel der Wände, die Übergänge von der Decke in die Vertikale lösen sich auf, gleißend heller Nebel scheint den Raum zu füllen, alle überprüfbaren Positionen und Entfernungen aufzuheben. Eine intensivere Erfahrung des Sehens und des Nicht-Sehens kann man nicht machen als in diesem Raum der Leere von Yves Klein.
Sebastian Köhler: "Wir haben kunsttechnologische Untersuchungen gemacht zusammen mit einem Labor, ich bin ins Klein-Archiv gefahren, um alles aufzuklären, was mit dem Material zu tun hat, aber eigentlich ist es das Immaterielle, was der entscheidende Aspekt eigentlich ist."
Der Restaurator hat festgestellt, dass Yves Klein die Bemalung der Wände mit demselben Farbmaterial und in derselben Technik, nämlich mit der Rolle, ausgeführt hat wie seine monochromen Leinwände. Der Raum, der in den letzten vier Jahrzehnten Teil einiger Ausstellungen war, aber nicht ständig geöffnet wurde, hatte gelitten durch Verschmutzung, durch Risse im Putz. Beides hat Köhler mit minimalen Eingriffen beseitigt. Um den makellosen Zustand möglichst lange zu erhalten, muss man vor dem Eintritt ins Leere jetzt Filzpantoffeln überstreifen.
"Es war so, dass ich alle Schäden, die ja auch 'ne materielle Eigenwertigkeit haben, zurückdränge zugunsten dieses Immateriellen."
Wer sich darauf einlassen will, kommt ganz nah heran an die Intentionen von Yves Klein, der Kunst als spirituelle Erfahrung verstand.
"Er hat gesagt, die Bilder wären die Asche seiner Kunst, die Bilder sind nur vermittelnd für etwas, das eigentlich dahinter steht,--- und der Raum hatte so eine Funktion, den Besucher dafür zu öffnen."
Wer die Erfahrung machen will, sollte schnell nach Krefeld fahren, denn in dieser Form wird die Installation nur eine Woche lang gezeigt. In Yves Kleins weißer Leere ist mehr zu sehen als in der bunten Fülle mancher Kunstereignisse.
Service: Die Installation "Le Vide" ist vom 20. bis 27.9.09 im Museum Haus Lange, Krefeld zu sehen.