Die Suche nach Licht
Schon als Kind wusste Eva Neymann, dass sie eines Tages Regisseurin werden wollte. Anstatt die Schule zu besuchen, ging sie lieber in ihrer ukrainischen Heimatstadt Zaparoshje ins Kino. Mittlerweile hat sie es geschafft. Für ihren Dokumentarfilm "Wege Gottes" hat Neymann den "First Steps"-Nachwuchspreis erhalten. Und ihr erster Spielfilm läuft jetzt in den russischen Kinos an.
"Was bedeutet es überhaupt, Regisseur zu sein, Schauspieler zu führen? Das zu schätzen, was es schon gibt, zu sehen, dass es gibt etwas, was reicher ist, als du dir das vorstellen konntest? Was bedeutet das, eine Kontrolle zu haben, und gleichzeitig eine Freiheit zu geben?"
Mit großen, braunen Augen schaut Eva Neymann ihr Gegenüber unverwandt an. Mal führt sie das Gespräch leise und sehr offen, spielt mit ihren halblangen braunen Haaren. Dann steht sie mit schroffer Zurückweisung auf, um einen Tee oder eine Zigarette zu holen. Über ihre Filme etwa will die Regisseurin nicht sprechen – die könne sich jeder selbst anschauen.
"U Reki" – "Am Fluss" so heißt der erste abendfüllende Spielfilm der 33-jährigen Neymann. Es ist die Geschichte zweier alter Frauen. Die Mutter, gut 90 Jahre alt, will unbedingt einen Spaziergang am Fluss machen. Die Schuhe ausziehen und den Sand zwischen den Zehen spüren. Im Restaurant sitzen. Tanzen. Ihre Tochter schämt sich ob solcher Albernheiten und denkt nur daran, was die Leute reden werden.
Doch der Nachmittag voller Streit endet auf einer Wiese am Fluss: Die Mutter nimmt ihre Tochter in den Arm.
"Die zwei alten Frauen finden wieder zueinander. Und finden sich in ihre eigentlichen Rollen von Mutter und Tochter. Die Rollen werden nicht mehr vermischt. Und es wird auch den beiden klar, was der eigentliche Wert des Lebens ist."
Eva Neymann stammt aus der Ukraine. Aufgewachsen ist sie in Zaparoshje, einer provinzielle Millionenstadt, wie sie sagt. Die Mutter Musikerin, der Vater Ingenieur. Eva weiß schon als Kind, dass sie Regisseurin werden will und schwänzt oft die Schule, um ins Kino zu gehen.
"Mit zwölf hab ich Fellinis Amarcord gesehen. Und das ist ein Eindruck für das ganze Leben. Hätte sich Fellini das gedacht, dass jemand in Zaparoshje irgendwo in der Ukraine sich seinen Film anschaut. Und dann fängt an, danach zu träumen überhaupt Filme zu machen."
Mit 19 Jahren wandert Eva nach Deutschland aus, wie zuvor schon ihre Mutter. Später kommt auch der Vater mit seiner zweiten Frau hinterher.
Mehr oder weniger auf seinen Wunsch hin beginnt Eva ein Jurastudium in Marburg. Obwohl ihr das Fach Spaß macht, lässt sie die Sehnsucht, Filme zu machen, nicht los. Neymann bewirbt sich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – und wird genommen.
"Ich habe gedacht, dass alle in meinem Jahrgang, die aufgenommen sind, sind alle genial. Und ich bin so ein bisschen Hochstapler. Ich war sehr selbstunsicher, das ist bis heute geblieben. Und ich hoffe, das bleibt auch so. Das hat auch seine Qualitäten."
Um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, arbeitet Neymann neben dem Studium als Aushilfe in der Altenpflege. Sie macht ein Praktikum bei Kira Muratova, einer bekannten russischen Regisseurin, und ist besonders von deren Kraft und Disziplin beeindruckt. Schließlich ist es für Neymann Zeit, über ihren Abschlussfilm an der Akademie nachzudenken.
"Die Eva Weerts, meine Produzentin, die hatte die Idee, einen Film über Straßenkinder in Ukraine zu machen. Und ich war sehr abgeneigt, weil dachte, dass ich mit sozialen Themen gar nicht umgehen kann und will. Und wenn schon einem Deutschen so ein Thema vorschwebt – das ist so ein Wunsch von Satten, die Hungrigen zu sehen. Das ist mir zuwider."
Es dauert etwa ein Jahr, bis Neymann doch einen Zugang zu dem Thema findet – und den Film dreht.
"Ich wollte die Würde bewahren: die meine, die von Zuschauern und die von Kindern. Und ich wollte nach Licht suchen, nach Glück vielleicht."
Der Film, für den Eva Neymann in diesem Jahr den "First Steps"-Nachwuchspreis erhielt, zeigt die Streifzüge der Straßenjungen Kolja und Jura – wie sie in Abrisshäusern Klavierspielen, auf dem Marktplatz herumlungern oder am Strand sitzen und das Meer beobachten. Es gibt keinen Sprecher, der durch den Film führt. Neymann überlässt den Zuschauer sich selbst. Einen Hinweis aber gibt der Titel: "Wege Gottes".
"Wege Gottes sind unergründlich. Das bedeutet auch, man sollte nicht so nur irgendwas abstempeln, auch die Kinder nicht abstempeln. Es geht ihnen schlecht, es sind Straßenkinder, die haben keine Zukunft. Warum so? Die Wege Gottes sind unergründlich, das bedeutet vielleicht, dass man auf ein Wunder hoffen darf."
Eva Neymann stellt sich ihre Zukunft so vor: Sie möchte weiter in Berlin leben und in der Ukraine Filme drehen. Auch wenn sie sich finanziell nur gerade so über Wasser halten kann – durch Preisgelder, Stipendien, mit der Hilfe von Freunden und der ihres Mannes. Bis jetzt, sagt sie, hat es immer irgendwie geklappt.
"Ich will gar keine Trennung machen zwischen mir und meinem Filmemachen. Das ist mein Glück, Filme zu machen und auch meine Verzweiflung, verstehst du? Ich habe immer Angst, gleichzeitig freu ich mich auf das, was auf mich zukommt, also auf mein nächstes Film."
Mit großen, braunen Augen schaut Eva Neymann ihr Gegenüber unverwandt an. Mal führt sie das Gespräch leise und sehr offen, spielt mit ihren halblangen braunen Haaren. Dann steht sie mit schroffer Zurückweisung auf, um einen Tee oder eine Zigarette zu holen. Über ihre Filme etwa will die Regisseurin nicht sprechen – die könne sich jeder selbst anschauen.
"U Reki" – "Am Fluss" so heißt der erste abendfüllende Spielfilm der 33-jährigen Neymann. Es ist die Geschichte zweier alter Frauen. Die Mutter, gut 90 Jahre alt, will unbedingt einen Spaziergang am Fluss machen. Die Schuhe ausziehen und den Sand zwischen den Zehen spüren. Im Restaurant sitzen. Tanzen. Ihre Tochter schämt sich ob solcher Albernheiten und denkt nur daran, was die Leute reden werden.
Doch der Nachmittag voller Streit endet auf einer Wiese am Fluss: Die Mutter nimmt ihre Tochter in den Arm.
"Die zwei alten Frauen finden wieder zueinander. Und finden sich in ihre eigentlichen Rollen von Mutter und Tochter. Die Rollen werden nicht mehr vermischt. Und es wird auch den beiden klar, was der eigentliche Wert des Lebens ist."
Eva Neymann stammt aus der Ukraine. Aufgewachsen ist sie in Zaparoshje, einer provinzielle Millionenstadt, wie sie sagt. Die Mutter Musikerin, der Vater Ingenieur. Eva weiß schon als Kind, dass sie Regisseurin werden will und schwänzt oft die Schule, um ins Kino zu gehen.
"Mit zwölf hab ich Fellinis Amarcord gesehen. Und das ist ein Eindruck für das ganze Leben. Hätte sich Fellini das gedacht, dass jemand in Zaparoshje irgendwo in der Ukraine sich seinen Film anschaut. Und dann fängt an, danach zu träumen überhaupt Filme zu machen."
Mit 19 Jahren wandert Eva nach Deutschland aus, wie zuvor schon ihre Mutter. Später kommt auch der Vater mit seiner zweiten Frau hinterher.
Mehr oder weniger auf seinen Wunsch hin beginnt Eva ein Jurastudium in Marburg. Obwohl ihr das Fach Spaß macht, lässt sie die Sehnsucht, Filme zu machen, nicht los. Neymann bewirbt sich an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin – und wird genommen.
"Ich habe gedacht, dass alle in meinem Jahrgang, die aufgenommen sind, sind alle genial. Und ich bin so ein bisschen Hochstapler. Ich war sehr selbstunsicher, das ist bis heute geblieben. Und ich hoffe, das bleibt auch so. Das hat auch seine Qualitäten."
Um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, arbeitet Neymann neben dem Studium als Aushilfe in der Altenpflege. Sie macht ein Praktikum bei Kira Muratova, einer bekannten russischen Regisseurin, und ist besonders von deren Kraft und Disziplin beeindruckt. Schließlich ist es für Neymann Zeit, über ihren Abschlussfilm an der Akademie nachzudenken.
"Die Eva Weerts, meine Produzentin, die hatte die Idee, einen Film über Straßenkinder in Ukraine zu machen. Und ich war sehr abgeneigt, weil dachte, dass ich mit sozialen Themen gar nicht umgehen kann und will. Und wenn schon einem Deutschen so ein Thema vorschwebt – das ist so ein Wunsch von Satten, die Hungrigen zu sehen. Das ist mir zuwider."
Es dauert etwa ein Jahr, bis Neymann doch einen Zugang zu dem Thema findet – und den Film dreht.
"Ich wollte die Würde bewahren: die meine, die von Zuschauern und die von Kindern. Und ich wollte nach Licht suchen, nach Glück vielleicht."
Der Film, für den Eva Neymann in diesem Jahr den "First Steps"-Nachwuchspreis erhielt, zeigt die Streifzüge der Straßenjungen Kolja und Jura – wie sie in Abrisshäusern Klavierspielen, auf dem Marktplatz herumlungern oder am Strand sitzen und das Meer beobachten. Es gibt keinen Sprecher, der durch den Film führt. Neymann überlässt den Zuschauer sich selbst. Einen Hinweis aber gibt der Titel: "Wege Gottes".
"Wege Gottes sind unergründlich. Das bedeutet auch, man sollte nicht so nur irgendwas abstempeln, auch die Kinder nicht abstempeln. Es geht ihnen schlecht, es sind Straßenkinder, die haben keine Zukunft. Warum so? Die Wege Gottes sind unergründlich, das bedeutet vielleicht, dass man auf ein Wunder hoffen darf."
Eva Neymann stellt sich ihre Zukunft so vor: Sie möchte weiter in Berlin leben und in der Ukraine Filme drehen. Auch wenn sie sich finanziell nur gerade so über Wasser halten kann – durch Preisgelder, Stipendien, mit der Hilfe von Freunden und der ihres Mannes. Bis jetzt, sagt sie, hat es immer irgendwie geklappt.
"Ich will gar keine Trennung machen zwischen mir und meinem Filmemachen. Das ist mein Glück, Filme zu machen und auch meine Verzweiflung, verstehst du? Ich habe immer Angst, gleichzeitig freu ich mich auf das, was auf mich zukommt, also auf mein nächstes Film."