Hörtipp: Mit "Niegeschichte" hat Dietmar Dath außerdem ein faszinierendes Buch über die Geschichte der Science-Fiction geschrieben. Darüber haben wir mit dem Autor ausführlich gesprochen .
Dietmar Dath: "Der Schnitt durch die Sonne"
Beliebt, aber umstritten: der Autor Dietmar Dath © dpa-picture-alliance / S. Fischer Verlag
Pointenjäger mit politischem Anspruch
Manchen gilt Dietmar Dath als Perle der Popkultur, andere betrachten seine Bücher als komplizierten Gegenwartsquatsch. Nun erscheint ein Roman, der von einem Bürgerkrieg auf der Sonne erzählt, bei dem Menschen helfen sollen. Besonders stark: Daths flapsiger Sprachstil.
Es herrscht Bürgerkrieg auf der Sonne. Und die Menschen sollen helfen. Befrieden vielleicht. Also bemächtigt sich eine Sonnenentsandte auf Erden des Körpers einer Schülerin und stellt in Deutschland ein Team zusammen. Eine Mathematikerin, eine klavierspielende Großmutter, ein Physiker, ein kochender Millionär und ein Straßenmusiker werden auf den Stern geschickt und sollen dort drei Aufgaben lösen.
In Dietmar Daths neuem Roman "Der Schnitt durch die Sonne" treffen Sonnenwirbelkreaturen auf Schulhofängste und Altenheime. So ähnlich konnte das schon Michael Ende. Aber der linke Autor Dath ist hier weniger fantastischer Erzählonkel als rotziger Pointenjäger mit politischem Anspruch.
Daths flappsiger Stil ist die größte Stärke des Buchs. "Guten Abend. Sie kennen mich nicht, und ich kenne Sie nicht. Aber die Sonne kennt uns beide und braucht uns. Darf ich reinkommen?" So stellt sich das Sonnenwesen Teiresias der Großmutter vor. Der Straßenmusiker- er heißt Berhard Jensen – fragt wiederum fragt: Hieß der Film nicht "Die glorreichen Sieben?" Antwort Teiresias: "Nein, der Film heißt: Bürgerkrieg und Magnetstürme. Bernhard Jensen, ich frage dich: Kommst du mit? Ich gebe dir übrigens hundert Euro. Und du kannst die Gitarre behalten."
Ernstzunehmende Charaktere
Am meisten Spaß macht "Der Schnitt durch die Sonne" wenn Dath so schreibt, wie Tarantino Filme dreht. Gleichzeitig fühlen sich die Dialoge echter an, als das meiste, was da draußen so durch Bücher stelzt. Dath braucht nur eine Handvoll Sätze um ernstzunehmende Charaktere heraufzubeschwören. Es reicht ein "Pffmmmp" und da sitzt ein grummeliger Straßenmusiker aus Fleisch und Blut.
Aber auch großen Stilisten können Romane misslingen. In diesem Fall liegt das am Faible des Autors für Mathematik. 2003 widmete sich Dath in "Höhenrausch" der "Mathematik des 20. Jahrhunderts". In "Der Schnitt durch die Sonne" lässt der Autor seine Protagonisten nun seitenweise wissenschaftlich schwadronieren: "Jede Kategorie hat Objekte und Morphismen. Dann gibt es noch Funktoren zwischen den Kategorien, später. Die Objekte, das sind in der Kategorie Set die Mengen."
Das Problem: Dath veranschaulicht kaum. Er beschreibt mathematisch-physikalische Probleme in mathematisch-physikalischer Sprache. Das Science-Fiction-Literatur mehr kann, zeigen Autoren wie Liu Cixin und Ted Chiang. In "Die Drei Sonnen" holt Cixin selbst Quantenphysik und die Bauweise eines Computers auf ein menschliches Maß. Und Ted Chiangs "Geschichte deines Leben" macht aus der Sapir-Whorf Hypothese ein atemberaubendes Drama über einen Erstkontakt mit Außerirdischen. Eine deartige Übersetzungsarbeit sucht man bei Dath vergebens.
Naturwissenschaftliches Wissen wäre gut
Die Erdlinge stolpern durch die erdähnliche Welt, die ihnen die Sonnenwesen erschaffen haben. Sie fragen sich, was sie da oben eigentlich genau sollen. Und sie rechnen und rechnen und rechnen. Als unkundiger Leser bleibt man überladen und frustriert zurück. Und ist wütend auf sich selbst - weil es schon lange nicht mehr cool ist, schlecht in Naturwissenschaften zu sein.
Wenig überraschend stehen zwischen den wissenschaftlichen Exkursen viele kluge Sachen, über die Liebe, die Politik und die Menschheit im Allgemeinen. Schließlich ist Dath ist einer der bekanntesten und produktivsten linken Intellektuellen Deutschlands. "Der Schnitt durch die Sonne" ist eine Mischung aus Denklabor und Traumgenerator. Aber das Buch taugt weder als politisches Pamphlet noch als Science-Fiction-Roman. Der bekennende Kommunist Dath will zuviel.