Eine symbiotische Liebesbeziehung

Von Astrid Kuhlmey |
Sie war eine Auflagenmillionärin der Unterhaltungsliteratur. 1975 gelang Alexandra Cordes der Sprung auf die "Spiegel"-Bestsellerliste. Die Biografie "Lieben und Sterben in der Provence" von Erich Schnaake schaut hinter die Glamourfassade der erfolgreichen Frau, die 1986 von ihrem Mann erschossen wurde. Heute wäre sie 70 Jahre alt geworden.
Die Geschichte hört sich ja fast wie Kolportage an, dazu das idyllische Cover: das Foto einer schönen Frau und ein sonnendurchfluteter mediterraner Ausblick. Schaut so ein wenig wie Literatur für die Wartezeit beim Zahnarzt aus …

"Lieben und Sterben in der Provence" klingt wirklich ein bisschen dick aufgetragen – doch manchmal schreibt gerade das Leben Geschichten, die man keinem Autor glauben würde. Denn das Ende der Story hat ja noch eine weiteres düsteres Kapitel: Nachdem Michael Horbach seine Frau erschossen hatte, richtete er die Kugel gegen sich, verletzte sich jedoch zunächst nur. Er lag dann einige Tage im Koma, erlag aber schließlich seiner Verletzung.

Sie können sich die Schlagzeilen vorstellen, die es in diesem Zusammenhang damals gab: "Ein Leben zwischen Liebe und Hass" oder "Er war ein Teufel - sie eine Heilige" … Ich kann mich an diese Dinge auch noch ganz gut erinnern.

Allein Alexandra Cordes' Familiengeschichte ist so schillernd und farbig, dass sich daraus mehrere Romane schreiben ließen. Der Großvater war Soldat im Boxeraufstand, die Großmutter eine Jugendliebe von Albert Schweitzer und eine couragierte elsässische Lehrerin, die der Enkelin zeitlebens zur Seite stand, sie ermutigte und deren Leben Alexandra Cordes in einer Trilogie 1975 zum schriftstellerischen Durchbruch verhalf und eben auf die "Spiegel"-Bestsellerliste.

Hier wurde sie auch literarisch ernsthaft bewertet und trotz ihres Bekenntnisses zur Unterhaltungsliteratur mit ernsthaften zeitgeschichtlichen Hintergründen nicht mehr als Verfasserin von "Schleiflackliteratur" abgekanzelt. Das alles hat sie wirklich gegen viele Widerstände geschafft.

Sie hat sich ihren Volontärsplatz bei der "Times" in Bonn erkämpft, der Schlappe einer Ablehnung durch Rowohlt 1964 tapfer entgegengearbeitet. Schließlich rund 60 Romane geschrieben. Davon sicher auch eine Reihe von Soap-Geschichten – aber auch viele Bücher, die sich ernsthaft der Zeitgeschichte oder aktuellen Problemen zuwandten. Stilistisch war das nicht für die Gruppe 47 und Reich-Ranicki würde diese Bücher nur mit spitzen Fingen anfassen – doch Millionen Leser verschlangen ihre Bücher.

Ermutigt wurde sie dabei immer von ihrem Mann, dem erfolgreichen Autor und Publizisten Michael Horbach. Beide hatten sich Anfang der 50er Jahre in einer bekannten Bonner Intellektuellenkneipe kennen gelernt. Er war weitaus älter als sie, die gerade mal ihr Abitur gemacht hatte, und er war auch noch an eine andere Liebe gebunden, was beide nicht hinderte, sich einer wirklich verzehrenden Liebe hinzugeben.

Horbach brachte seinen ersten autobiografischen Roman 1957 bei Rowohlt heraus und war damals in aller Munde – der illusionslose Stil nährte sich aus der Hemingway-Pose, der sich Horbach – um es vereinfacht zu sagen – immer verwandt fühlte. Das betraf im übrigen auch äußerliche Dinge – Horbach war Waffennarr, fuhr mit seiner Frau viel auf Recherchen nach Afrika und trug immer den Zahn eines Löwen an einer Kette um den Hals. Es ist also ganz deutlich, dass ein solches Paar das Interesse der Medien auf sich ziehen musste.

Natürlich fragt man sich sofort: Warum dieses Ende? Sie hatten doch alles, was man sich erträumen kann: Erfolg in ihrer Arbeit, Geld, Weltreisen, ein traumhaftes Anwesen in der Provence. Doch das war die Schauseite ihrer Existenz.

Alexandra Cordes hatte sich zwar selber entschieden in ihrer Beziehung zu Horbach zwar im praktischen die Starke zu sein, in der Liebe und erotischen Bindung jedoch die Rolle der Puppe zu akzeptieren, sich ganz den Wünschen Horbachs zu fügen, der in machohafter Großsucht sogar ihre körperliche Präsenz beeinflusste – und sie war sein Geschöpf, das sich – so dokumentieren es auch die Briefe – willig fügte.

Sie wurde literarisch immer erfolgreicher, er war ein unangepasster politischer Querdenker, der beispielsweise auch den Superjob in Henri Nannens "Stern" aufgab, weil er nach eigenen Aussagen einfach "nicht mehr atmen" konnte und sich mit Nannen schließlich nur noch fetzte.

Außerdem wurde er mit den Jahren mehr und mehr von Depressionen getrieben, konnte nicht mehr arbeiten, verkroch sich vor der Öffentlichkeit und war nicht mehr in der Lage, ohne Aggression mit seiner Umwelt zu kommunizieren – also auch nicht mit seiner Frau. Erich Schaake, der Autor, spekuliert nicht über das WARUM, er schildert die Vorgänge nur bis zum Ende.

Schaake hat sich zunächst einmal eine zeitliche Distanz geschaffen, denn er stand seiner Schwester wirklich sehr nah, und er ist sicher auch auf Grund ihres Einflusses ein erfolgreicher Reporter und auch Autor geworden. Er konnte sich auf Alexandra Corde Tagebuch und die vielen schriftlichen Zeugnisse der beiden bei seinem Buch stützen.

Das vermittelt eine große Authentizität, birgt aber auch die Gefahr in sich, dass Schaake zu häufig in einen emotional überhöhten und auch etwas abgenutzten Stil verfällt. Das Leben der beiden klingt ja schon wie ausgedacht, ist aber eben täglich erfahrene Euphorie, Depression, Demütigung und Jubel. Da muss man den Stil sorgfältig wägen und nicht noch Sahne auf die Butter tun. Das jedoch tut Schaake zu häufig. Schade.

Trotzdem habe ich das Buch in einem Ritt gelesen, weil die Geschichte selber hochinteressant ist, das Paar in seiner symbiotischen Liebesbeziehung gleichermaßen anzieht und erschreckt: die selbstbewusste erfolgreiche Frau, die sich jedoch in ihrer Liebe in eine Abhängigkeit begibt, die rational nicht nachvollziehbar ist, aber gerade in unserer pragmatischen Zeit durch ihre Irrationalität fasziniert.

Was mich jedoch besonders nachdenklich gemacht hat, ist die Tatsache, dass man dazu neigt, die bunte Glitzerwelt häufig nur in ihrem Oberflächenglanz wahrzunehmen und auch sehr ironisch zu kommentieren. Dass die Protagonisten in diesem Milieu jedoch häufig unter fast explosivem Druck arbeiten, dabei zwischen Hosianna und "Kreuzigt ihn" leben, wird einem immer erst dann bewusst, wenn sich Geschichten so dramatisch vollenden wie die von Alexandra Cordes und ihrem Mann. Auch hinter Geschichten, die vielleicht nur wenige Tage in den bunten Blättern hochgepusht werden, steckt schmerzhaftes, echtes Leben.

Liebe und Sterben in der Provence – Die Geschichte der Alexandra Cordes
von Erich Schnaake
LangenMüller Verlag
19,90 Euro