Elektroautomobilität

Wie E-Autos den Durchbruch schaffen könnten

Jüngerer Mann in Anzug und Krawatte mit Brille lächelt in die Kamera
Hat ein neues E-Auto entwickelt - der Professor für Maschinenbau an der RWTH Aaachen, Günther Schuh. © dpa/ Rolf Vennenbernd
Günther Schuh im Gespräch mit Ute Welty |
Mehr E-Autos wollte die Kanzlerin auf die Straßen bringen - richtig in Fahrt kommt der Markt jedoch nicht. Vielleicht kann die Neuentwicklung von Maschinenbau-Professor Günther Schuh Abhilfe schaffen: "ein ziemlich cooles Auto, das erst mal Spaß macht".
Ute Welty: "Das Auto neu erfinden" – das sind schon große Worte, mit denen die Sondierungen in Berlin rund um das Thema Verkehr begleitet werden. Aber die Probleme sind auch groß: zu viel Feinstaub, zu viel CO2 und überhaupt zu viele Autos mit Verbrennungsmotoren. Bisher aber werden die Angebote eher zögerlich angenommen, die dazu beitragen sollen, dass mehr Menschen elektrisch fahren. E-Autos sind zu teuer, es gibt zu wenige Ladestationen und die Reichweiten lassen auch zu wünschen übrig. Günther Schuh will das alles ändern. Der Professor für Maschinenbau hat an der RWTH Aachen nicht nur den Lehrstuhl für Produktionssystematik inne, er hat auch einen Elektrokleinwagen entwickelt, der gerade mal 16.000 Euro kosten und im nächsten Jahr in Serie gehen soll. Guten Morgen, Herr Schuh!
Günther Schuh: Schönen guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Was kriege ich denn für 16.000 Euro?
Schuh: Ein ziemlich cooles Auto, was vor allen Dingen erst mal Spaß macht! Es hat nicht so viel Reichweite, wie Sie gerade schon andeuten, es ist ein reines Stadtauto. Aber es ist ein Viersitzer und macht beim Fahren tierisch Spaß!
Welty: Sie klingen auch richtig begeistert!
Schuh: Ja, bin ich auch!
Welty: Warum gelingt Ihnen etwas, woran Tesla oder BMW bislang gescheitert sind? Oder steht das "E" womöglich gar nicht für "Elektro", sondern für "elitär"? Will man gar nicht, dass das E-Auto ein Massenprodukt wird?
Schuh: Ich glaube, es fängt damit an, dass man zunächst gedacht hat, dass wir Kunden alle, wenn wir elektrisch fahren, genau dasselbe haben wollen, was wir heute schon in einem normalen Verbrennerauto genießen, also dieselbe Reichweite, dieselbe Geschwindigkeit und so weiter. Und das ist mit der Batterietechnologie bis auf Weiteres nicht wirtschaftlich möglich, nicht zu vernünftigen Preisen möglich. Und es ist auch nicht so dringend. Und deswegen haben wir gesagt, wir konzentrieren uns auf das Dringende, und das Dringende ist, die Emissionen aus den Städten rauszuhalten. Und das müsste gleich massenhaft gelingen. Und massenhaft geht nur, wenn jedermann sich das auch leisten kann.
Und so haben wir ein Auto konstruiert mit einer kleinen Batterie, dadurch ist schon mal die Batterie viel, viel günstiger als bei einem Tesla, und dann mit einem kleinen Motor und dann mit einem kleinen Auto. Und der Rest ist Produktionstechnik. Das ist unsere Heimdisziplin und da haben wir alle Register gezogen, die so ein Produktionstechniker ziehen kann. Und das führt dazu, dass das Auto, ich hoffe, einigermaßen hübsch aussieht, aber dahinter ziemlich unnormal ist, also keine selbsttragende Karosserie hat und so weiter, keinen Lack braucht, weil es direkt mit eingefärbten Kunststoffen verkleidet wird und so weiter.

E-Kurzstreckenautos könnten ein Viertel des Verkehrs abdecken

Welty: Die Bundeskanzlerin scheint sich ja auch nicht so ganz sicher zu sein, in welchem Ausmaß sie die Elektromobilität ausbauen will. Mal heißt es, eine Million E-Autos bis 2020, dann wird diese Marke wieder kassiert. Was halten Sie denn für realistisch, wenn Sie sagen, wir müssen uns auf die Städte konzentieren?
Schuh: Wir glauben, dass mindestens 20, vielleicht sogar auch 25 Prozent des tatsächlichen Pkw-Bedarfs eigentlich mit reinen Kurzstreckenautos abdeckbar wäre. Und damit käme man in die Nähe dieser Million, alleine mit Kleinwagen. Die Autoindustrie in Deutschland verkauft etwa 3,4 Millionen Neuwagen im Jahr, wir haben für unser Kleinstfahrzeug einen Markt von 400.000 Neufahrzeugen pro Jahr identifiziert. Also da könnte die gesamte Industrie rein, nicht nur wir, wir könnten die Lücke gar nicht alleine schließen. Aber vielleicht tragen wir doch da bei, allen, auch den großen Automobilherstellern zu zeigen, dass das ein attraktives, dass das ein machbares Segment ist.
Welty: Wo sehen Sie denn Berührungs- oder auch Spannungspunkte zwischen den potenziellen Koalitionspartnern? Die FDP zum Beispiel findet ja Quote in jedweder Form einfach blöde.
Schuh: Man muss vorsichtig sein mit den Quoten. Schon die jetzige Regelung, die wir haben mit den pauschalen CO2-Flottenemissionen, ist nicht ungefährlich. Und das, was wir heute tun, hilft zwar mir, hilft zwar unserem Produkt, nämlich dass dann das reine E-Auto mit null Gramm in die Flottenemission eingeht, und dann auch noch mit dem Faktor vier. Das ist jetzt sehr gut für die Förderung dieses Kleinwagensegmentes, was ich für das dringendste halte, aber das hilft natürlich nicht jedermann. Nicht jede Familie kann sich ihre Mobilität auf zwei Autos aufteilen. Denn mit unserem Auto kann man keine 200 Kilometer oder mehr fahren.
Welty: Und auch keine drei Kinder transportieren.
Schuh: Nee, drei … Ja, doch, wenn die Mama fährt, dann passen noch drei Kinder rein, das geht gerade so, das war uns sehr wichtig, dass wir gerade die Funktion, wie sagt man so schön, des Mamataxis auf jeden Fall mit unserem Auto auch erfüllen können. Aber der, der ein Universalauto braucht, der bräuchte jetzt einen Plug-in-Hybrid, das heißt also ein Auto mit einem kleineren Verbrenner, ergänzt um den Elektromotor, das in der Innenstadt immer – am besten sogar elektronisch geregelt – nur elektrisch fährt. Und das wird jetzt nicht gefördert.
Insofern, wenn man, auch die Kanzlerin der ganzen Branche Mut machen würde und sagen würde, okay, 2020 schaffen wir die eine Million Elektrofahrzeuge nicht mehr, aber vielleicht 2021, spätestens aber 2022, und wir zählen gerade die Plug-in-Hybrids, die 30, 40, 50 Kilometer rein elektrisch in der Stadt fahren könnten, hinzu, dann wäre unsern Städten extrem gedient.

Vorsicht beim Verbot von Verbrennungsmotoren

Welty: Wie müssen die Rahmenbedingungen gestaltet werden, damit E-Autos tatsächlich eine positive Umweltbilanz ausweisen? Denn es macht ja sicher einen Unterschied, ob ein E-Auto mit Strom aus Windkraft fährt oder mit Strom aus Braunkohle.
Schuh: Ja. Wenn wir mit Strom aus dem jetzigen Strommix fahren und dann auch noch mit großen Batterien, also mit Autos mit der großen Reichweite, wie Sie das anfangs gesagt haben, dann geht die Ökobilanz erst bei 80.000 bis 90.000 Kilometern auf beziehungsweise wird dann positiv. Wenn man dann noch sieht, dass ein normales Auto auf 120.000 Kilometer ausgelegt ist – natürlich halten viele noch etwas länger –, dann ist das eine sehr magere Ausbeute.
Insofern ist es ganz entscheidend, dass in unserem Strommix die erneuerbaren Energien einen größeren Anteil bekommen, was man ja alleine als Privatmann schon dadurch erreichen könnte, indem man zum Beispiel sein Auto durch eine Solaranlage auf der eigenen Garage, wenn man eine hat, ausgleichen könnte. Also, wenn wir nicht in die Nähe von einem Break-even von 20.000, 30.000, 40.000 Kilometern kommen, ab wo der reine Elektrowagen dann ökologisch positiv ist, dann muss man einfach sagen, dann ist die pauschale Förderung von E-Autos anstelle grundsätzlich aller Verbrenner gar nicht ökologisch sinnvoll.
Welty: Das heißt?
Schuh: Na ja, das heißt, dass man zum Beispiel auf keinen Fall auf die Idee kommen sollte, in 2030 Verbrennungsfahrzeuge zu verbieten. Das Verbieten ist immer politisch eine sehr gefährliche Sache, denn man sollte auch die Lösung im Visier haben. Ich sage immer, ich habe das schon gesagt, als die Engländer das beschlossen haben: Wenn jetzt auf einmal tatsächlich Verbrenner in 2030 verboten werden, dann fördert das die Pferdezucht in England.
Welty: Günther Schuh will den Markt für Elektroautos neu aufrollen. Der Aachener Professor für Maschinenbau hat nämlich ein eigenes E-Auto entwickelt, das klein, günstig und effizient ist. Herr Schuh, herzlichen Dank für das Gespräch!
Schuh: Sehr gerne, Frau Welty!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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