Eloge auf den blauen Dunst
In seinem Buch "Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft" analysiert Imre von der Heydt Herkunft und Werdegang des Tabaks. Der studierte Philosoph erläutert auch die Diffamierung der Raucher vor dem Hintergrund eines grassierenden Gesundheits- und Fitnesswahns.
Rauchen ist ungesund, dieser Aussage würden wohl die meisten Menschen zustimmen, ohne groß nachdenken zu müssen. Rauchen ist aber auch Ausdruck von Lust und Genuss. In seinem Buch "Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft" analysiert Imre von der Heydt Herkunft und Werdegang des Tabaks und erläutert die heutige Diffamierung der Raucher vor dem Hintergrund eines grassierenden Gesundheits- und Fitnesswahns.
Tabak wurde nicht immer als Feind des menschlichen Körpers gesehen, so Imre von der Heydt in "Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft". Anfang des 16. Jahrhunderts brachten die Entdecker Amerikas die Pflanze mit nach Europa. Nach und nach entwickelte sich das Nachtschattengewächs zur Heilpflanze Nummer Eins und kam als Öl, als wässrige Lösung oder als Pille gegen Schmerzen, Geschwülste, Würmer und sogar gegen Bronchitis zum Einsatz:
" Eine Havanna dreimal täglich, dazu morgens und abends Brustumschläge aus Tabakblättern. "
Heute würden angesichts einer solchen Kur sowohl Ärzte als auch Politiker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Tabak gilt inzwischen als Kardinalübel, das es um jeden Preis zu bekämpfen gilt. Stetig steigende Tabaksteuern, Nichtraucherzonen in immer mehr öffentlichen Einrichtungen, eindringliche Warnungen vor Krankheit, Verfall und schließlich dem Tod durch Rauchen zeugen von dieser Haltung. Von der Heydt unterstellt in seinem Buch Medizinern und politischen Machthabern die Beschneidung des menschlichen Lusttriebs, einmal, um die Menschen zu Gläubigen der modernen Religion Gesundheit zu machen und - das ist vielleicht das Wichtigste – um die sittliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
" Nicht zuletzt auch für einen reibungslosen Ablauf des Wirtschafts- und Arbeitslebens sind selbstbeherrschte, verzichtbereite und pflichtbewusste Menschen nötig."
Gerade das aber, Verzichtbereitschaft und Selbstbeherrschung traut man den Rauchern nicht zu. Vielmehr gelten sie als genusssüchtige Individualisten, die sich keinen Deut um die Erhaltung ihres Körpers und damit ihrer Arbeitskraft scheren. Ja, ein volkswirtschaftlicher Schaden scheint nach Meinung von Politik- und Medizinvertretern von Rauchern auszugehen. Die soziale Ausgrenzung und Verunglimpfung der Raucher prangert von der Heydt an.
Er ist bemüht, in seinem Buch die Schädlichkeit des Rauchens ins rechte Licht zu rücken und stellt eine Gegenthese auf: Die Schädlichkeit von Tabak hängt genauso wie der Konsum anderer Gifte von der Dosis ab. Eine mögliche Abhängigkeit, die durch den Genuss entsteht, reduziert er dabei kurzerhand auf die Formel: Es hängt von der Psychostruktur des Einzelnen ab, ob jemand süchtig nach Nikotin wird oder nicht. Das ist nicht neu!
Ein Teil des Buches besteht darin, die Vorteile des Rauchens herauszustellen. Der Autor, von Haus aus studierter Philosoph, analysiert dabei den Genuss als solchen und führt ihn auf eine allgemeine Lust am Leben zurück. Eine Lust, zu atmen, sich zu bewegen, zu essen und eben zu rauchen, ohne die einfach gar nichts geht. Er fordert immer wieder, den Tod nicht vom Leben abzuspalten, sondern ihn mitzudenken und sich dadurch zu befreien vom Gesundheitswahn unserer Gesellschaft.
Der Text ist durchsetzt mit zahlreichen Zitaten namhafter Dichter und Denker. Etwa Thomas Mann, der in seinem "Zauberberg" sagen ließ:
"Ich verstehe es nicht, wie jemand nicht rauchen kann, - er bringt sich doch, sozusagen, um des Lebens bestes Teil und jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen!"
oder Albert Einstein:
"Bevor man eine Frage beantwortet, sollte man immer erst seine Pfeife anzünden."
Ausführlich widmet sich von der Heydt auch den angeblichen Zusammenhängen zwischen Rauchen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Der Autor nimmt die fragwürdige Entstehung von Statistiken über sogenannte "Rauchertote" kritisch unter die Lupe, die Literaturlisten am Ende der Kapitel sind beachtlich. Mit Blick auf die von der Medizin immer wieder beschworene Langzeitwirkung des Rauchens, stellt er schließlich eine gewagte These auf:
" Dass wir uns mit den Gesundheitsproblemen des Rauchens beschäftigen, verdanken wir nicht zuletzt der modernen Medizin selbst!"
Er meint damit: Im Gegensatz zu vor über hundert Jahren stellt die Menschheit heute wahre Altersrekorde auf. Oder anders herum: Damals wurden die Menschen mit nur vierzig, fünfzig Jahren schlicht nicht alt genug, um an den Folgen des Rauchens zu sterben.
Von der Heydt, hauptberuflich tätig als Produzent für Fernsehkomödien, führt mit spürbarem Vergnügen wunderliche Auswüchse der modernen Anti – Raucher – Bewegung vor, wie beispielsweise die Idee des italienischen Gesundheitsministers, bei Rauchszenen in alten Filmen Untertitel einzublenden. Etwa so: Rauchen verursacht Krebs. Auch das kleine Kapitel über das Passivrauchen und seine Gefahren hält einige solcher Kuriositäten bereit.
"Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft" ist ein engagiertes Buch, der Autor scheint getrieben von einer großen Empörung und den Wunsch, sich endlich einmal gründlich Luft zu verschaffen über die wahnhafte Jagd nach hundertprozentiger Gesundheit, einer Gesundheit, die er als fragwürdig betrachtet.
Dennoch: Es finden sich hier und da Wiederholungen, die Argumentation und die Beweisführung des Autors geraten streckenweise zu langatmig, der Ton driftet ins Polemische. Aus der Verteidigung einer Leidenschaft wird schließlich ein leidenschaftliches Wettern gegen alles was sich gegen das Rauchen regt.
Sieht man über diese Schwächen hinweg, ist es ein knisterndes Vergnügen, das ironisch-bissige Buch zu lesen. Ein komplizenhaftes Gefühl stellt sich ein, die Raucher unter den Lesern werden sich sinnenfreudig eine anzünden und genießen..., denn, so Imre von der Heydt:
" Es bereitet Muße, weckt den Geist, schärft die Sinne, verleitet zum Träumen, ist scheinbar nutzlos und doch unendlich vielseitig, genüsslich und notwenig. Wundersame Welt des blauen Dunstes!"
Imre von der Heydt: Rauchen Sie? – Verteidigung einer Leidenschaft
Dumont Literatur und Kunst Verlag Köln 2005
249 Seiten, € 17,90
Tabak wurde nicht immer als Feind des menschlichen Körpers gesehen, so Imre von der Heydt in "Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft". Anfang des 16. Jahrhunderts brachten die Entdecker Amerikas die Pflanze mit nach Europa. Nach und nach entwickelte sich das Nachtschattengewächs zur Heilpflanze Nummer Eins und kam als Öl, als wässrige Lösung oder als Pille gegen Schmerzen, Geschwülste, Würmer und sogar gegen Bronchitis zum Einsatz:
" Eine Havanna dreimal täglich, dazu morgens und abends Brustumschläge aus Tabakblättern. "
Heute würden angesichts einer solchen Kur sowohl Ärzte als auch Politiker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Tabak gilt inzwischen als Kardinalübel, das es um jeden Preis zu bekämpfen gilt. Stetig steigende Tabaksteuern, Nichtraucherzonen in immer mehr öffentlichen Einrichtungen, eindringliche Warnungen vor Krankheit, Verfall und schließlich dem Tod durch Rauchen zeugen von dieser Haltung. Von der Heydt unterstellt in seinem Buch Medizinern und politischen Machthabern die Beschneidung des menschlichen Lusttriebs, einmal, um die Menschen zu Gläubigen der modernen Religion Gesundheit zu machen und - das ist vielleicht das Wichtigste – um die sittliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
" Nicht zuletzt auch für einen reibungslosen Ablauf des Wirtschafts- und Arbeitslebens sind selbstbeherrschte, verzichtbereite und pflichtbewusste Menschen nötig."
Gerade das aber, Verzichtbereitschaft und Selbstbeherrschung traut man den Rauchern nicht zu. Vielmehr gelten sie als genusssüchtige Individualisten, die sich keinen Deut um die Erhaltung ihres Körpers und damit ihrer Arbeitskraft scheren. Ja, ein volkswirtschaftlicher Schaden scheint nach Meinung von Politik- und Medizinvertretern von Rauchern auszugehen. Die soziale Ausgrenzung und Verunglimpfung der Raucher prangert von der Heydt an.
Er ist bemüht, in seinem Buch die Schädlichkeit des Rauchens ins rechte Licht zu rücken und stellt eine Gegenthese auf: Die Schädlichkeit von Tabak hängt genauso wie der Konsum anderer Gifte von der Dosis ab. Eine mögliche Abhängigkeit, die durch den Genuss entsteht, reduziert er dabei kurzerhand auf die Formel: Es hängt von der Psychostruktur des Einzelnen ab, ob jemand süchtig nach Nikotin wird oder nicht. Das ist nicht neu!
Ein Teil des Buches besteht darin, die Vorteile des Rauchens herauszustellen. Der Autor, von Haus aus studierter Philosoph, analysiert dabei den Genuss als solchen und führt ihn auf eine allgemeine Lust am Leben zurück. Eine Lust, zu atmen, sich zu bewegen, zu essen und eben zu rauchen, ohne die einfach gar nichts geht. Er fordert immer wieder, den Tod nicht vom Leben abzuspalten, sondern ihn mitzudenken und sich dadurch zu befreien vom Gesundheitswahn unserer Gesellschaft.
Der Text ist durchsetzt mit zahlreichen Zitaten namhafter Dichter und Denker. Etwa Thomas Mann, der in seinem "Zauberberg" sagen ließ:
"Ich verstehe es nicht, wie jemand nicht rauchen kann, - er bringt sich doch, sozusagen, um des Lebens bestes Teil und jedenfalls um ein ganz eminentes Vergnügen!"
oder Albert Einstein:
"Bevor man eine Frage beantwortet, sollte man immer erst seine Pfeife anzünden."
Ausführlich widmet sich von der Heydt auch den angeblichen Zusammenhängen zwischen Rauchen und der Entstehung bestimmter Krankheiten. Der Autor nimmt die fragwürdige Entstehung von Statistiken über sogenannte "Rauchertote" kritisch unter die Lupe, die Literaturlisten am Ende der Kapitel sind beachtlich. Mit Blick auf die von der Medizin immer wieder beschworene Langzeitwirkung des Rauchens, stellt er schließlich eine gewagte These auf:
" Dass wir uns mit den Gesundheitsproblemen des Rauchens beschäftigen, verdanken wir nicht zuletzt der modernen Medizin selbst!"
Er meint damit: Im Gegensatz zu vor über hundert Jahren stellt die Menschheit heute wahre Altersrekorde auf. Oder anders herum: Damals wurden die Menschen mit nur vierzig, fünfzig Jahren schlicht nicht alt genug, um an den Folgen des Rauchens zu sterben.
Von der Heydt, hauptberuflich tätig als Produzent für Fernsehkomödien, führt mit spürbarem Vergnügen wunderliche Auswüchse der modernen Anti – Raucher – Bewegung vor, wie beispielsweise die Idee des italienischen Gesundheitsministers, bei Rauchszenen in alten Filmen Untertitel einzublenden. Etwa so: Rauchen verursacht Krebs. Auch das kleine Kapitel über das Passivrauchen und seine Gefahren hält einige solcher Kuriositäten bereit.
"Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft" ist ein engagiertes Buch, der Autor scheint getrieben von einer großen Empörung und den Wunsch, sich endlich einmal gründlich Luft zu verschaffen über die wahnhafte Jagd nach hundertprozentiger Gesundheit, einer Gesundheit, die er als fragwürdig betrachtet.
Dennoch: Es finden sich hier und da Wiederholungen, die Argumentation und die Beweisführung des Autors geraten streckenweise zu langatmig, der Ton driftet ins Polemische. Aus der Verteidigung einer Leidenschaft wird schließlich ein leidenschaftliches Wettern gegen alles was sich gegen das Rauchen regt.
Sieht man über diese Schwächen hinweg, ist es ein knisterndes Vergnügen, das ironisch-bissige Buch zu lesen. Ein komplizenhaftes Gefühl stellt sich ein, die Raucher unter den Lesern werden sich sinnenfreudig eine anzünden und genießen..., denn, so Imre von der Heydt:
" Es bereitet Muße, weckt den Geist, schärft die Sinne, verleitet zum Träumen, ist scheinbar nutzlos und doch unendlich vielseitig, genüsslich und notwenig. Wundersame Welt des blauen Dunstes!"
Imre von der Heydt: Rauchen Sie? – Verteidigung einer Leidenschaft
Dumont Literatur und Kunst Verlag Köln 2005
249 Seiten, € 17,90