Erstes Live-Hörspiel von Jan Wagner

Kein Lammcurry mehr am Ostersonntag

Der Schriftsteller Jan Wagner
Der Schriftsteller Jan Wagner © imago / STAR-MEDIA
Von Ludger Fittkau |
"Gold. Eine Revue" heißt das erste Hörspiel des Büchnerpreisträgers Jan Wagner, das am 15. Juli im Deutschlandfunk zu hören ist. Im Gallus-Theater zu Frankfurt am Main hat nun bereits die Premiere einer Live-Version des Radiokunststückes stattgefunden.
"Das Glück ist jetzt, liegt nicht im Warten, heut ist gestern, morgen heute, ein neues Spiel mit alten Karten und ständig kommen andere Leute und setzen sich dazu und setzen.."
"Noch Fleisch? Jawoll! Und Schaps? Genau!"
So klingt es, wenn ein frisch gebackener Büchnerpreisträger sich dem Thema "Goldrausch" widmet. Wenn er eine der improvisierten Städte im nirgendwo beschreibt, in die Goldsucher aus aller Welt drängen, um gierig jene meist winzigen Klumpen des Edelmetalls aus der Erde zu holen, das ihr Leben verändern soll. Das sie aber meist nicht glücklicher macht, sondern sie in einen von Sucht getriebenen Teufelskreis aus Aufstiegshoffnung, Enttäuschung, Verdrängen mit Alkohol und Bordellbesuchen, neuer Hoffnung und schließlich oft früher Krankheit und Tod treibt.
"Und jetzt Prost."
"Prost!"
"Ihr Jammerlappen!"
"Auf Dr. Krösus und Professor Raffke."

Woyzeck, Brecht...

Das erste Live-Hörspiel des Lyrikers erinnert an die Szene "Buden, Lichter, Volk" im Woyzeck oder – vor allem durch die Musik von Sven Ingo Koch - auch an "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Brecht.
"Der Teppich unter uns, die Erde, und Läuse, groß wie… Oh! Und Läuse groß wie Chilybohnen…"
Lange Zeit, so verriet Jan Wagner gestern nach der Premiere des Live-Hörspiels auf der Bühne des schönen Gallus-Theaters in Frankfurt am Main, habe er den Wunsch von Sabine Küchler, der Leiterin der Deutschlandfunk-Hörspielabteilung nicht erfüllen können, sein erstes Hörspiel zu schreiben. Einfach, weil ihm die Idee dazu fehlte. Doch dann kam ein mehrmonatiger Aufenthalt in Kalifornien und dort eben die Idee für "Gold. Eine Revue". Das Hörspiel, das ihm immer am meisten gefallen habe, ist "Unter dem Milchwald", verriet Jan Wagner:
"Ich habe Dylan Thomas immer sehr geliebt, die Gedichte natürlich. Aber eben auch dieses Stück 'Unter dem Milchwald', das leichter zugänglich ist als seine Gedichte, aber trotzdem die englische Sprache bis zum letzten ausreizt."
Sprachlich viel ausgereizt wird auch in Jan Wagners Gold-Hörspiel-Revue unter der Regie von Leonhard Koppelmann an diesem unterhaltsamen Abend. Die Schicksale der Menschen, die mit Spaten und Sieben an den unwirtlichen Ort in irgendeiner lebensfeindlichen Prärie drängen und dort ihr Zelt aufschlagen, werden von wunderbaren Schauspielern und Musikern auf die kleine Privatbühne in Frankfurt am Main gezaubert.
Den vom Teufel mitverursachten Kater, der nach dem Goldrausch bleibt, beschreibt Jan Wagner mit nahezu pädagogischem Zeigefinger: Seht Leute, wohin euch die Nuggets führen, weg vom zuvor verachteten Vertrauten, den Lieben zu Hause, dem bürgerlichen Leben, das man zu Unrecht oft gering geschätzt hat.

Zu sehr das Lob der Biederkeit?

"Wie Vater seinen Rasen sprengt. Am Ostersonntag, am Ostersonntag, Lammcurry!"
Trotz ironischer Brechungen ist die Moral der Geschichte für meinen Geschmack schließlich ein bisschen zu sehr das Lob der Biederkeit: Lasst es bleiben, folgt nicht dem ins Verderben führenden stummen Ruf des sonnengleichen Metalls, grabt lieber eure blühenden Vorgärten um, anstatt in gottverlassenen Gegenden ein Glück zu suchen, das man nie finden wird. Sondern nur das ewige, diabolische Gold:
"Wo nichts von Dauer ist, bin ich noch da und bleibe."
Aber die "spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung", mit der die Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt die Vergabe des diesjährigen Büchnerpreises an Jan Wagner begründet, blitzt auch in seinem ersten Hörspiel auf.
Es wird nicht das letzte bleiben: Dieses Versprechen rang Deutschlandfunk-Hörspielchefin Sabine Küchler dem Lyriker schließlich vor Publikum beim Gespräch nach der Premiere ab. Eine ziemlich gute Nachricht für die Freundinnen und Freunde der Radiokunst.
Es ist Gold, Herrgott – aber sage es nicht weiter!
Die Ursendung ist am 15. Juli 2017 im Deutschlandfunk zu hören.
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