Frank Herrmann: FAIRreisen
Das Handbuch für alle, die umweltbewusst
unterwegs sein wollen
Oekom Verlag, München 2016
328 Seiten, 19,95 Euro
Siegel als Orientierungshilfe
Wer umweltbewusst und auch noch sozial verträglich reisen will, kann schon bei seinem Reiseveranstalter nach den Standards vor Ort fragen. Das ist einer der Tipps des Tourismusexperten Frank Herrmann, der diesem Thema das Buch "FAIRreisen" gewidmet hat.
Der Buchautor Frank Herrmann versteht zwar, dass Urlauber sich in den Ferien nicht zu viel Gedanken über Umweltverträglichkeit und soziale Standards machen möchte. "Nichtsdestotrotz gebietet es eigentlich das Gebot der Fairness, dass man eben so wie hier bei uns, wo wir inzwischen auch einen Mindestlohn haben, wo wir auf gerechte Löhne achten, dies eben auch im Urlaubsland zu tun", sagte der Reisebuchautor im Deutschlandradio Kultur.
Klimafreundliche An- und Abreise
Der einzelne Tourist könne das nicht immer vor Ort alles nachprüfen, aber es empfehle sich bereits die Reiseveranstalter danach zu fragen und bestimmte Siegel zu beachten. "Das fängt schon an im Büro des Veranstalters, der Papierverbrauch beispielsweise, es geht um eine möglichst klimafreundliche An- und Abreise und endet dann eben auch dabei zu sagen, auch das Zimmermädchen in dem Hotel vor Ort bekommt einen gerechten Lohn", sagte Herrmann.
Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Es dürfte kein Zufall sein, dass Frank Herrmann sein neues Buch gerade jetzt herausbringt, denn es ist pünktlich zu dem Zeitpunkt erschienen, als ganz Deutschland sich in die Ferien und damit meist auch auf Reisen begibt. Verreisen oder fair reisen? Das ist die Frage, mit der sich der Betriebswirt, Kommunikationsberater und Sachbuchautor beschäftigt. Und Frank Herrmann hat sich dafür entschieden, ein Handbuch für diejenigen zu verfassen, die umweltbewusst unterwegs sein wollen. Guten Morgen, Herr Herrmann!
Frank Herrmann: Ja, guten Morgen!
Welty: Umweltbewusstes Reisen hat eine ökologische Komponente, wenn es zum Beispiel ums Fliegen geht. Es gibt aber auch eine soziologische Seite, Stichwort beispielsweise Löhne für Hotelangestellte. Können Sie diejenigen verstehen, die an dieser Stelle sagen: Ich will doch einfach nur Urlaub machen, worum soll ich mich denn noch alles kümmern?
Herrmann: Jein. Also, natürlich ist der Urlaub schon die Zeit im Jahr, in der man sich um solche Dinge eigentlich keine Gedanken machen möchte. Nichtsdestotrotz gebietet es eigentlich das Gebot der Fairness, dass man ebenso wie hier bei uns, wo wir ja auch inzwischen einen Mindestlohn haben, wo wir auf gerechte Löhne achten, dies eben auch im Urlaubsland zu tun, wenn auch der einzelne Tourist das natürlich nicht immer vor Ort alles nachprüfen kann. Aber man kann …
Welty: Ja, welche Möglichkeiten gibt es denn überhaupt, als Tourist zu checken, wer welches Geld bekommt in meinem Hotel beispielsweise oder unter welchen Bedingungen die Anlage gebaut wurde?
Herrmann: Da gibt es natürlich zum einen die Reiseveranstalter, die man kontaktieren kann und auch ruhig mal drauf ansprechen kann, das ist halt noch nicht sonderlich weit verbreitet. Dementsprechend sind die auch verpflichtet, dort vor Ort eben Mindeststandards auf jeden Fall einzuhalten und zu gucken auch, dass die, wenn sie denn auch Mindestlöhne bekommen, dann eben auch nicht übermäßig lang arbeiten müssen, das ist generell ja ein Problem auch hier in Deutschland im Tourismus. Es gibt einige Siegel, bei denen man also auch eine gewisse Gewähr hat, dass eben darauf geachtet wird, dass vor Ort auch gerechte Löhne gezahlt werden.
Welty: Welche Siegel sind das?
Herrmann: Das wäre jetzt mal, beispielhaft nehme ich mal das "Tour Fair"-Siegel raus, das gibt es seit ein paar Jahren und das ist ein Siegel … Also, das stammt auch aus Deutschland und da wird eben überprüft … Das fängt schon an im Büro des Veranstalters, der Papierverbrauch beispielsweise, es geht um eine möglichst klimafreundliche An- und Abreise und endet dann eben auch dabei zu sagen, okay, auch das Zimmermädchen vor Ort in dem Hotel bekommt einen gerechten Lohn, auch das wird überprüft.
Kein Trinkgeld bei Pauschalbuchung
Welty: Bei all dem, was Sie beschreiben, bedeutet das im Umkehrschluss, dass "All Inclusive" per se ein "No-go" ist, dass der Rucksacktourist grundsätzlich der bessere Tourist ist?
Herrmann: Nein, das kann man leider nicht so pauschal sagen, da gibt es natürlich auch Unterschiede. Vielleicht sollte man gerade unterscheiden im Pauschalreisesegment oder im All-Inclusive-Segment, gerade diese Billigangebote, bei denen kann man sich ja fast schon selbst ausrechnen, dass am Ende der Kette für die Menschen, die da vor Ort arbeiten, eigentlich nicht mehr viel übrig bleiben kann. Bei höherpreisigen Angeboten kann, aber muss das nicht so sein. Das heißt, auch dort können die Angestellten eventuell schlecht entlohnt werden. Es gibt aber auch Hotels, wo das nicht der Fall ist, wo die eben auch ein gutes, ordentliches Gehalt bekommen, aber nichtsdestotrotz fällt da oft meistens zum Beispiel das Trinkgeld weg, weil die ja eben auch oft keinen direkten Kontakt mehr mit den Touristen haben. Sie sehen sie zwar noch, aber sie zahlen ja eben nicht mehr, weil ja schon alles bezahlt ist, und dementsprechend fällt im Restaurant dann eben auch kein Trinkgeld ab.
Welty: Auf jeden Fall reisen immer mehr Menschen, seit 1970 hat sich die Zahl der Touristen verachtfacht. Wer verdient an diesem Boom?
Herrmann: Na ja, in erster Linie verdienen daran große, international operierende Reiseveranstalter. Die Transportunternehmen, also hauptsächlich auch Flugunternehmen, die Reedereien, die Kreuzfahrtunternehmen, das sind die Akteure, die wohl am meisten damit verdienen, und natürlich auch diejenigen, die Kreuzfahrtschiffe oder Flugzeuge dann auch bauen. Das Geld kommt oftmals eben auch nicht immer dort an, wo es ankommen sollte, da eben auch ein großer Teil eben schon an diese Reiseveranstalter, die eben aus den reichen Ländern, aus denen die Touristen stammen, eben auch dorthin wieder zurückfließt in großem Maße.
Welty: Lässt sich das prozentual beziffern, was Sie da gerade auseinander…
Herrmann: Ja, das ist schwierig, das hängt schon von den einzelnen Veranstaltern … Aber man kann durchaus sagen, wenn man jetzt Länder des globalen Südens, Entwicklungsländer nimmt, dass dort also gut die Hälfte des Geldes wieder zurückfließt, weil das überhaupt eigentlich gar nicht richtig dort ankommt, weil das schon vorher bei Fluglinien, bei Reiseveranstaltern hängenbleibt.
Reisen in die Türkei?
Welty: Viele kommen ja auch gerade angesichts der Türkei ins Nachdenken. Macht es die politische Lage tatsächlich besser, wenn man den Menschen jetzt auch noch die wirtschaftliche Basis entzieht? Ist das fair, nicht in die Türkei zu reisen?
Herrmann: Das ist ein schwieriges Thema und ich denke, das muss eigentlich jeder selber entscheiden. Es ist unbestreitbar, dass gewisse Orte in der Türkei, wenn man da mal die größeren Städte nimmt, natürlich ein erhöhtes Risiko aufweisen. Und ich kann jeden verstehen, der sagt, in so einer angespannten Situation möchte ich nicht in so ein Land, ich möchte friedlich verreisen und einen ruhigen Urlaub haben. Kann man jeden verstehen. Natürlich gibt es dann auch wieder diese Urlaubsorte, in denen es ruhiger zugeht, aber auch da muss man sich über das Risiko bewusst sein, das Risiko besteht. Es ist ganz schwierig natürlich, den Leuten pauschal zu sagen, fliegt da nicht hin, weil eben genau das passiert ist in der Türkei. Da hat es einen massiven Einbruch an Touristen dieses Jahr gegeben und sehr viele Unternehmen stehen wahrscheinlich kurz vor der Pleite.
Welty: Wer jetzt noch unschlüssig ist, wohin in diesem Sommer, was raten Sie?
Herrmann: Ja, da bleiben – und das ist jetzt wiederum eine ganz witzige Entwicklung eigentlich – in den Zielen, die vorher vielleicht nicht so gefragt waren, oder auch die Dauerbrenner, da wird es jetzt richtig voll. Es gibt also auch einen starken Boom, beispielsweise Kroatien, Bulgarien, in Ländern, die man vielleicht nicht immer so gleich auf der Agenda hat, Spanien ist absolut dicht, da bleibt nicht mehr allzu viel. Also, in diesem Jahr, denke ich, ist es die beste Variante, einfach einen schönen Radurlaub in Deutschland zu machen.
Welty: Und Sie selbst, wie verbringt Frank Herrmann die schönste Zeit des Jahres?
Herrmann: Ja, vielleicht nicht mehr so ganz klassisch wie die meisten, sondern ich bin neugierig und wenn ich reise, möchte ich auch ein bisschen hinter die Kulissen blicken. Ich versuche dann immer, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, schaue mir das eine oder andere Touristische oder auch andere Projekte an, verbinde das also und versuche möglichst auch, wenn ich hier bin, mit dem Fahrrad zu reisen, das mache ich zum Beispiel jetzt wieder im September, da gehe ich auf faire Biketour, das ist eine Radtour, die ich diesmal von der Nordsee an den Bodensee mache und wo ich unterwegs dann auch Vorträge zu Themen wie fairer Tourismus mache.
Welty: Also, richtig Urlaub ist das ja nicht!
Herrmann: Ach, für mich ist das durchaus auch erholsam!
Welty: Besser und fairer reisen 2016, von Frank Herrmann stammt das Handbuch, erschienen bei oekom für knappe 20 Euro. Herr Herrmann, ich danke für das Gespräch, das wir aufgezeichnet haben!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.