Unbezahlte Arbeit ist Milliarden wert
Kochen, putzen, Kinder erziehen: Der Wert unbezahlter Haus- und Familien-Arbeit entspricht schätzungsweise einem Drittel des Sozialprodukts von Industriegesellschaften. Zwei Drittel dieser Arbeit leisten Frauen. Die feministische Ökonomin Katharina Mader forscht für mehr Gerechtigkeit.
"Ich denke, dass die feministische Ökonomie, aber auch eben dieser Teil der Care-Ökonomie eine Möglichkeit wäre, Ökonomie neu zu denken."
Katharina Mader, Assistenzprofessorin an der Wirtschaftsuni Wien. Am "Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie" stören Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen den Frieden der neoklassischen Wirtschaftstheorie. Katharina Mader forscht unter anderem zu "gender budgeting". Also der Frage, wie sich haushaltspolitische Entscheidungen auf die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger auswirken – und wie öffentliche Haushalte die Gleichstellung von Männern und Frauen, Mädchen und Jungen voran bringen können.
"Also, feministische Ökonomie hat den Anspruch, die Lebensrealitäten von Frauen und Männern abbilden zu können. Geschlechterverhältnisse zu hinterfragen, die Wirkung von Ökonomie auf die Geschlechterverhältnisse, aber auch die Wirkung der Geschlechterverhältnisse auf die Ökonomie zu hinterfragen, zu analysieren, und im Wesentlichen auch Veränderungen herbeizuführen, Geschlechterverhältnisse als Machtverhältnisse aufzubrechen und die im Moment benachteiligte ökonomische Situation von Frauen zu verbessern."
Feministische Ökonominnen nehmen nicht, wie üblich, nur die Erwerbsarbeit in den Blick, sondern alles, was im Leben an Arbeit so anfällt: kochen, waschen, putzen, Kinder erziehen, Alte und Kranke pflegen. Katharina Mader:
"Ein großer Teil, mit dem sich die feministische Ökonomie auseinandersetzt, ist die unbezahlte Arbeit, oder auch Care-Arbeit genannt. Es ist deshalb wesentlich, sich damit auseinanderzusetzen, weil es ein ganz ein großer Teil der Tätigkeiten sind, die Menschen machen, die vor allem Frauen machen, aber auch ein großer Teil der Wertschöpfung ist."
Wertschöpfung - das bedeutet doch normalerweise, dass ich ein vorhandenes Gut umwandle in ein Gut, das ich zu einem höheren Geldwert verkaufen kann. Doch es geht eben nicht nur ums Verkaufen, erwidert Katharina Mader.
"Eine feministische Ökonomin aus der Schweiz, Mascha Madörin, hat berechnet, dass zum Beispiel die Wertschöpfung des Kochens in einem Jahr genauso hoch ist wie die Wertschöpfung des Schweizer Finanzsektors. Daran sieht man, wie groß die Wertschöpfung dieses Bereiches auch ist. Und deshalb kann man ihn nicht außen vor lassen und ignorieren, dass das auch Arbeit ist."
Das Ideal aus Sicht feministischer Ökonominnen
Zum Vergleich: Angemeldete Putzfrauen und Haushaltshilfen in Deutschland erzielen laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft eine Wertschöpfung von 664 Millionen Euro im Jahr. Unbezahlte Haus- und Familienarbeit würde Schätzungen zufolge, wenn ihr Geldwert gemessen würde, etwa ein Drittel des Sozialprodukts moderner Industriegesellschaften ausmachen.
"Wenn wir das als Basis allen Wirtschaftens und als Basis der Ökonomie als solches sehen, dann wäre das ein Gegenmodell zur derzeitigen Situation und würde wahrscheinlich auch die Idee von Ökonomie ein bisschen menschlicher machen. Wir würden nicht nur von abstrakten Dingen wie Finanzsektor und Hedgefonds und weiß ich nicht was reden und hören, oder Finanzkrisen - sondern würden davon ausgehen, dass es um Menschen geht und um deren Handeln, und um die Auswirkung der Krisen auf Menschen. Es wäre absolut ein Gegenmodell zu dem, was wir heute haben."
Ansätze gibt es schon: zum Beispiel Kindererziehungszeiten bei der Rente anzurechnen. Doch zirka zwei Drittel der unbezahlten Arbeit wird weltweit immer noch von Frauen geleistet. In den letzten Jahrzehnten hätten die Frauen in Österreich und in Deutschland zwar in der Erwerbsarbeit stark aufgeholt, die Familienarbeit ist aber im Wesentlichen Arbeit der Frauen geblieben. Wie sähe denn das Ideal aus Sicht der feministischen Ökonominnen aus?
"Es gibt im Wesentlichen ein paar Zukunftsszenarien, wie Care-Arbeit geleistet werden kann. Das eine ist: Es bleibt bei den Frauen. Das andere ist, es wird an den Staat ausgelagert. Das sehen wir immer mehr, dass die Staaten sich zurückziehen mit dem Verweis auf Sparpakete, die notwendig sind. Es gäbe die Möglichkeit, es auf den Markt auszulagern. Dann haben wir die wirklich schlechten Erwerbsarbeitsplätze, dann haben wir viel Schwarzarbeit. Oder es gäbe die Möglichkeit, es zwischen Männern und Frauen gerecht zu verteilen. Und ich denke, das wäre die wirkliche Lösung für die derzeitige Situation, in der wir uns befinden. In der eben Frauen viel mehr Care-Arbeit machen, aber dennoch auch ganz stark aufgeholt haben auf dem Erwerbsarbeitsmarkt."
Dann wäre das Private doch politisch und – wie im Fall der gendergerechten öffentlichen Haushalte – das Politische doch privat.