"Projektionen unserer Begierden und unserer Ängste"
Die Erde und ihre Bewohner sind nur ein Pünktchen im All und damit Bedrohungen von außen ausgesetzt: Mit der kopernikanischen Wende begann die Vorstellung von außerirdischen Lebewesen, sagt Georg Seeßlen. Der Kulturkritiker erklärt, warum "SciFi" heute wieder sehr populär ist.
"SciFi" ist ungebrochen populär - egal ob als Science-Fiction-Literatur oder als Blockbuster im Kino. Warum fasziniert uns dieses Genre auch heute noch so sehr?
"Das liegt zum einem vermutlich daran, dass unsere Kultur, wie man so schön sagt, in ein postheroisches Stadium übergegangen ist", sagt der Film- und Kulturkritiker Georg Seeßlen:
"Das heißt, die Wahrscheinlichkeit von Abenteuer, von Fremdheit überhaupt ist heute eigentlich ziemlich gering. Wenn man in der ganzen Welt herumreist, und überall sind die gleichen McDonald's-Filialen, aber gleichzeitig auch dieselbe Terrorgefahr, verliert man dieses Hoffnungsbild, eigentlich. Und da kommt dann vielleicht doch wieder dieses Magische, diese Religiöse zurück. Im Alien steckt dann sowas wie eine Mischung aus Erlösungshoffnung und Apokalyptik."
Die Welt gehe durch den Alien entweder unter - oder dieser sei eine neue Art von Messias. Die Mainstream-Vorstellung vom Alien sei eine Projektion "unserer Begierden und eine Projektion unserer Ängste". Das unterdrückte Freudianische par excellence.
Außerirdische haben in der Literatur und im Denken der Menschen eine lange Tradition. Sie seien immer eine Metapher für das Fremde überhaupt gewesen, sagt Seeßlen. Die Geschichte der Aliens beginne im Grund mit der kopernikanischen Wende. In dem Augenblick, in dem der Mensch verstanden habe, dass die Erde nicht das Zentrum sei und der Himmel sich nicht einfach darüber wölbe, sei im Grunde auch vorstellbar geworden, "dass wir möglicherweise nicht alleine sind".
Science Fiction, wie wir sie heute kennen, etablierte sich in den 20er-Jahren in den USA. Aus den düsteren Bildern des Romans "Krieg der Welten" von H.G. Wells machte der damals noch junge Orson Welles 1938 ein Hörspiel: eine Reportage über eine angebliche Landung von Außerirdischen in den USA, die so täuschend echt wirkte, dass sie etliche US-Bürger in panische Angst versetzte.
Die Leute seien zwar vermutlich nicht so naiv gewesen zu glauben, es seien tatsächlich Marsianer gelandet. Doch wie tief dieses Bedrohungsszenario in den Köpfen der Menschen steckte, zeigte einige Jahre später der sogenannten Roswell-Vorfall: Gemeint ist damit der Absturz eines angeblich außerirdischen unbekannten Flugobjekts im Juni oder Juli 1947 in der Nähe der Kleinstadt Roswell im US-Bundesstaat New Mexico. Skeptiker sprechen vom Roswell-Mythos oder der Roswell-Legende.
Das Genre der "Roswell-Filme"
"Ich glaube, die Roswell-Fantasie hängt stark damit zusammen, dass man dieses Gefühl hatte: Das Militär sagt nicht alles. Es war eine wunderbare Verbindung von Verschwörungsfantasie und Alienfantasie", sagt Seeßlen.
Und je mehr man das Gefühl gehabt habe, es würde etwas verschleiert, desto mehr sei man davon überzeugt gewesen, dass dort tatsächlich Aliens gelandet sein könnten. Daraus habe sich schließlich ein eigenes Genre - die "Roswell-Filme" - entwickelt. Alle drei oder vier Jahre komme ein Film ins Kino, dessen Hauptthema sei:
"Wenn die Aliens kommen, wird man von oben versuchen, das zu verschleiern, zu manipulieren. Der eigentliche Gegner ist nicht der Alien, sondern die eigene Regierung."