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"Ein Diskurs, der Hilfeleistung in die Nähe einer Straftat rückt"
Eine deutsche Militär-Fregatte wird ins Mittelmeer geschickt, Schleppern das Handwerk zu legen und zugleich Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Für den Kulturwissenschaftler Joseph Vogl ist diese militärische Aktion ein Zeichen für politisches Versagen.
Die deutsche Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" soll im Mittelmeer kreuzen, Flüchtlinge in Seenot retten und zugleich Jagd auf Schlepper machen. Doch wie soll das beides gleichzeitig funktionieren?
Der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl beschäftigt sich an der Humboldt-Universität in Berlin unter anderem mit der Geschichte von Gefahr und Gefährlichkeit in der Neuzeit. Er meint, die Fregatte habe zwar Routine in solchen Einsätzen. Doch etwas anderes sei für ihn wichtiger:
"Ich würde immer behaupten, dass die Tatsache einer militärischen Operation - und damit hat man es ja zu tun - immer auch ein Zeichen dafür ist, dass ein politisches Versagen vorliegt. Die militärische Aktivität dunkelt immer eine, wenn man so will, politische Ratslosigkeit ab. In diesem Fall ist die sehr groß."
Diese Ratlosigkeit sei die Ratlosigkeit Deutschlands, die Ratlosigkeit Europas gegenüber den Flüchtlings- und Migrationsbewegungen. "Man kann tatsächlich von einem Versagen Europas sprechen."
Zur vorläufigen Beschlagnahmung des Rettungsbootes der deutschen NGO "Jugend Rettet" durch italienische Behörden - mit dem Argument, die Retter würden Schlepper unterstützen - sagte Vogl:
"Das ist ein Diskurs, der Hilfeleistung in die Nähe einer Straftat rückt. Ich fürchte, man hat es hier mit einer weiteren Brutalisierung des politischen Diskurses zu tun. Sie haben das bei den 'Identitären', die inzwischen demonstrativ Maßnahmen gegen die Flüchtlingsrettung ankündigen. Das heißt: Das ist der Aufruf zum Mord oder zur unterlassenen Hilfeleistung!"
Vogl fügte hinzu: Man lasse Italien mit dem Problem alleine. Das Land signalisiere nun, dass es nicht die ganze Arbeit tun könne. Deutsches und europäisches Handeln sei gefragt.