"Spiegel" löscht umstrittenen Band aus Bestseller-Liste - Kommentar von Jan Drees, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk:
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Der Bärendienst des Spiegel
Der "Spiegel" hat Rolf Peter Sieferles umstrittenen Essayband "Finis Germania" von seiner Bestsellerliste gestrichen - um das neu-rechte Buch nicht zu unterstützen, heißt es. Doch damit habe das Magazin die Debatte nur neu befeuert, sagt René Aguigah aus unserer Literaturredaktion.
Der Skandal um den postum veröffentlichten Essayband "Finis Germania" des Historikers Rolf Peter Sieferle zieht weitere Kreise: Wie unter anderem die Tageszeitung "Welt" und das Online-Magazin "Übermedien" berichteten, hat der "Spiegel" das wegen rechtsextremer Positionen umstrittene Buch in seiner aktuellen Ausgabe aus seiner Bestsellerliste genommen – ohne erläuternden Hinweis. In der Woche zuvor war das Buch auf Platz 6 der Charts eingestiegen. Auch im Onlineversandhandel ist das Buch auf Top-Positionen zu finden.
Das intransparente Verhalten des "Spiegel" hält René Aguigah, Literaturchef von Deutschlandfunk Kultur, "eindeutig für einen Fehler". Rechtsextreme Kreise könnten sich dadurch in ihrem Verdacht bestärkt sehen, dass ihre Gesinnung in den Medien angeblich unterdrückt werde.
Das Gerede werde angeheizt
"Der Spiegel hat heute erklärt, er wolle dieses Buch nicht weiter verbreiten, weil es antisemitisch sei. Wenn das das Ziel des Spiegel gewesen ist, dann hat er diesem Ziel (…) einen Bärendienst erwiesen. (…) Durch das Verschweigen wird das Gerede jetzt angeheizt."
Den Gedankengang des Buches könne man "mit Recht antisemitisch" nennen, führte Aguigah in einer allgemeinen Einschätzung des Buches aus. Zumindest halte er es für "politisch und intellektuell obszön."
"Eine schrille Leerstelle"
An den Journalisten sei es jetzt, sich einer Selbstkritik zu unterziehen, meinte Aguigah im weiteren. Denn der wirtschaftliche Erfolg des Buches verdanke sich insbesondere den Medien. Das Buch ist im Juni durch ein schwaches Jurysystem von einem Juror gegen 24 andere Juroren auf die NDR-Empfehlungsliste gelandet und damit überhaupt erst ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Die Skandalisierung im Anschluss habe den Erfolg noch gesteigert.
Jetzt mit der Streichung aus der Bestsellerliste "eine schrille Leerstelle" geschaffen zu haben, heize die Lage weiter auf. Journalisten hätten einen Balanceakt zu leisten, sagt Aguigah: Einerseits solle man nichts von Relevanz verschweigen, andererseits sollte man "Dinge, die man bekämpfen will, nicht gleichzeitig noch skandalisieren." Dies habe den Effekt, dass es "umso lauter und umso fruchtbarer wird – das ist Werbung."