Die Ausstellung "Another Kind of Life - Photography on the Margins" ist bis zum 27. Mai zu sehen.
Melancholische Helden aus der Vergangenheit
"Die Fotografie am Rand der Gesellschaft - Photography on the Margins" ist der Untertitel der Ausstellung "Another Kind of Life" im Londoner Kulturzentrum Barbican. Es geht um das Leben außerhalb der Konventionen in den 70er- und 80er-Jahren von Transgender oder Obdachlosen.
An einem kalten Wintertag jagt der eisige Wind über die Fußbrücke zum brutistischen Komplex des Barbican, und wie in London gewohnt, führt der Weg vorbei an in Winkeln kauernden, frierenden Gestalten. Der Gedanke drängt sich auf, sobald man die warme, trockene Galerie erreicht hat und vor Mary Ellen Marks Schwarzweiß-Porträts der Straßenkinder von Seattle Anfang der 80er-Jahre steht. Oder vor Boris Mikhailovs Verstoßenen der post-sowjetischen ukrainischen Gesellschaft in farbigem Großformat. Da ist man also nun mit abgewandtem Blick an tatsächlichen Obdachlosen vorbei gelaufen, um sich hier kultiviert von Bildern anderer, fotogenerer Obdachloser betroffen machen zu lassen. Alona Pardo, der Kuratorin von "Another Kind of Life", ist diese bittere Ironie nicht entgangen.
"Menschen werden gezwungen, prekäre Existenzen zu führen"
"Wir waren uns des aktuellen Kontexts äußerst bewusst. Im Zuge der Sparpolitik werden immer mehr Menschen gezwungen, prekäre Existenzen zu führen oder auf der Straße zu leben. Wir wollten das offenlegen, aber auch zeigen, wie wichtig es ist, das fotografisch dokumentiert zu haben."
Ausgangspunkt der Schau war Pardos Wiederentdeckung des Werks von Diane Arbus und der oft daran geübten Kritik,ihre Porträts kurioser Gestalten aus den Armenvierteln von New York seien voyeuristisch und grotesk.
"Ich fand die gegen sie geäußerten Vorwürfe über ihre Beziehung zu ihren Subjekten unfair. Wenn sie nicht diese kraftvollen Bilder gemacht hätte, wäre unsere visuelle Landschaft viel ärmer. Ich denke, alle Fotografen hier zollen ihrer Vision Tribut."
Von Arbus' Werk selbst sind in der Ausstellung gerade sechs Bilder vertreten, der Tribut, von dem Pardo spricht, bleibt also eher unterschwellig, passend zum subtilen Grundton einer nüchtern präsentierten Schau. Egal, ob wir es mit dem Blick von Paz Errazuriz auf den Transgender-Underground im Chile der Ära Pinochet, mit den Kleinstadt-Junkies aus Larry Clarks Serie "Tulsa" oder mit Walter Pfeiffers Porträts aus der Züricher Schwulenszene von 1973 zu tun haben: "Another Kind of Life" wirkt nie wie eine Freakshow, sondern behandelt seine Außenseiter mit Respekt, ja die historische Distanz des tief ins 20. Jahrhundert zurückreichenden Materials stilisiert sie sogar zu – bisweilen tragischen – Heroen im Kampf gegen die Zwänge sozialer Normen.
"Man kann jede dieser Geschichten sowohl als Tragik sehen, als eine Geschichten des Abgangs, des Untergangs, der Auflösung oder der Verarmung. Oder man kann sie sehen als eigentlich eine Geschichte des Triumphes, der stillen Siege der Außenseiter."
"Ich fand die gegen sie geäußerten Vorwürfe über ihre Beziehung zu ihren Subjekten unfair. Wenn sie nicht diese kraftvollen Bilder gemacht hätte, wäre unsere visuelle Landschaft viel ärmer. Ich denke, alle Fotografen hier zollen ihrer Vision Tribut."
Von Arbus' Werk selbst sind in der Ausstellung gerade sechs Bilder vertreten, der Tribut, von dem Pardo spricht, bleibt also eher unterschwellig, passend zum subtilen Grundton einer nüchtern präsentierten Schau. Egal, ob wir es mit dem Blick von Paz Errazuriz auf den Transgender-Underground im Chile der Ära Pinochet, mit den Kleinstadt-Junkies aus Larry Clarks Serie "Tulsa" oder mit Walter Pfeiffers Porträts aus der Züricher Schwulenszene von 1973 zu tun haben: "Another Kind of Life" wirkt nie wie eine Freakshow, sondern behandelt seine Außenseiter mit Respekt, ja die historische Distanz des tief ins 20. Jahrhundert zurückreichenden Materials stilisiert sie sogar zu – bisweilen tragischen – Heroen im Kampf gegen die Zwänge sozialer Normen.
"Man kann jede dieser Geschichten sowohl als Tragik sehen, als eine Geschichten des Abgangs, des Untergangs, der Auflösung oder der Verarmung. Oder man kann sie sehen als eigentlich eine Geschichte des Triumphes, der stillen Siege der Außenseiter."
Langhaarige Aussteiger auf der Flucht vor dem Sowjet-Alltag
Juliane Fürst, Zeithistorikerin, ist selbst eine Spezialistin für die Hippie-Kultur der Sowjetunion. Sie wies die Kuratorin Alona Pardo in der Planungsphase auf eine Serie des Fotografen Igor Palmin hin. Er dokumentiert darin eine Gruppe langhaariger Aussteiger, die sich auf der Flucht vor dem Sowjet-Alltag zu archäologischen Arbeiten in die südrussische Steppe versetzen ließen.
"Da ist ja auch was Melancholisches dabei, und es ist interessant, dass die Leute jetzt auch sehr auf diese 70er-Jahre melancholisch zurückblicken, aber selbst in den 70er-Jahren hatten diese 70er-Jahre schon eine Art Melancholie. Also sie wussten, dass die Zeit irgendwie stehengeblieben ist, bevor sie sich unglaublich beschleunigt hat, und diese Beschleunigung sieht man dann bei Boris Mikhailov, wo diese Leute, die am Rande der Gesellschaft lebten, jetzt total abgestürzt sind."
In ihrer vagen Chronologie verbirgt sich ein ungeplantes Narrativ der Ausstellung: Je weiter "Another Kind of Life" in Richtung Gegenwart vordringt – von Teresa Margolles' mexikanischer Transgender-Prostituierten, die verloren in den Ruinen abgerissener Nachtclubs stehen, bis hin zu Alex Soths einsamen Einsiedlern in der amerikanischen Wildnis: Die Tendenz deutet von lebhaften subkulturellen Communities in Richtung einer fortgeschrittenen Atomisierung, einer Vereinzelung des Außenseitertums. Man wird jedenfalls den Eindruck nicht los, dieser Blick auf das andere Leben ist ein wehmütiger Blick zurück.
"Da ist ja auch was Melancholisches dabei, und es ist interessant, dass die Leute jetzt auch sehr auf diese 70er-Jahre melancholisch zurückblicken, aber selbst in den 70er-Jahren hatten diese 70er-Jahre schon eine Art Melancholie. Also sie wussten, dass die Zeit irgendwie stehengeblieben ist, bevor sie sich unglaublich beschleunigt hat, und diese Beschleunigung sieht man dann bei Boris Mikhailov, wo diese Leute, die am Rande der Gesellschaft lebten, jetzt total abgestürzt sind."
In ihrer vagen Chronologie verbirgt sich ein ungeplantes Narrativ der Ausstellung: Je weiter "Another Kind of Life" in Richtung Gegenwart vordringt – von Teresa Margolles' mexikanischer Transgender-Prostituierten, die verloren in den Ruinen abgerissener Nachtclubs stehen, bis hin zu Alex Soths einsamen Einsiedlern in der amerikanischen Wildnis: Die Tendenz deutet von lebhaften subkulturellen Communities in Richtung einer fortgeschrittenen Atomisierung, einer Vereinzelung des Außenseitertums. Man wird jedenfalls den Eindruck nicht los, dieser Blick auf das andere Leben ist ein wehmütiger Blick zurück.