Neal Preston: Exhilarated and Exhausted
Mit einem Vorwort von Cameron Crowe
Reel Art Press
336 Seiten. 55 Euro
"Je mehr ich da bin, desto weniger sichtbar werde ich"
Neal Preston war Tour-Fotograf von Led Zeppelin, Queen, The Who ... und hat auch sonst so ziemlich jede wichtige Band der Rockgeschichte abgelichtet. Die besten Fotos sind in seinem Buch "Exhilarated and Exhausted" zu sehen. Sein Erfolgsgeheimnis: Werde unsichtbar!
Andreas Müller: Sie sind als Live-Fotograf sehr bekannt und hatten auch immer den Blick hinter die Bühne. Wo ist der Unterschied zwischen On- und Backstage und was haben Sie da eingefangen?
Neal Preston: Normalerweise ist das alles Teil desselben Jobs, aber jeder Shoot ist anders, selbst wenn ich nur ein einziges Konzert fotografiere. Früher oder später endet man hinter der Bühne und dann fotografiert man einfach weiter.
Man muss auf jeden Fall lernen, welches Benehmen backstage an den Tag zu legen ist. Das Beste ist, wenn man die Augen und Ohren offenhält und den Mund zu, man einfach unsichtbar wird. So arbeite ich backstage und zu einem gewissen Grad auch auf der Bühne, aber das sind zwei verschiedene Universen.
Andreas Müller: Haben Sie backstage irgendwelche schockierende Momente erlebt?
"In Wahrheit ist es backstage nicht besonders glamourös"
Neal Preston: (lacht) Das habe ich mit absoluter Sicherheit. Das ist aber nichts, über das ich großartig spreche. Es gibt vielleicht ein oder zwei Momente, bei denen ich damals dachte, sie seien schockierend. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, sind sie das aber nicht mehr so sehr.
In Wahrheit ist aber viel von dem, was backstage so abläuft, nicht besonders glamourös oder interessant; es ist eher langweilig, und eigentlich will man gar nicht wissen, was passiert, weil viel übers Geschäft gesprochen wird – solche Dinge.
Man erlebt nicht die ganze Zeit "Sex & Drugs", wenn man in die Garderobe geht. Das ist eher eine Fantasie. Wie ich schon sagte; manche Sachen würden einen einfach langweilen: Jeder hat seine eigene Routine, man bereitet sich auf die Show vor, und auf Tour entwickelt sich das einfach zu einer Routine, nicht viel anders als bei einer Sportmannschaft.
Es gab natürlich ein paar verrückte Sachen, aber die heben wir uns für ein anderes Interview auf (lacht).
Andreas Müller: Das ist vielleicht das Schockierende: Dass es nichts Schockierendes gab. Es gibt sehr viele intime Bilder, wie das von Jimmy Page im Backstage mit einer Flasche Jack Daniels am Mund, oder das vom schlafenden John Bonham.
Wie haben Sie das Vertrauen der Band gewonnen, um solche persönlichen Fotos schießen zu können? Sie haben ja gesagt, es geht darum, unsichtbar zu werden, aber ich glaube auch, dass das eine Frage des Vertrauens ist. Wie haben Sie das gewonnen?
Neal Preston: Ja, es ist auch eine Sache von Vertrauen. Schauen Sie: Man bekommt im Laufe seiner Karriere einen gewissen Ruf, egal ob als Fotograf, Anwalt oder was auch immer. Und wenn man dann so anfängt im Feld seiner Wahl zu arbeiten, lernt man, wie man sich verhalten muss, wie die Arbeit zu verrichten ist. Wenn man seinen Job nicht so macht, wie die Leute es gerne hätten, wird man das mitbekommen und es wird nicht so gut für einen enden.
Wenn man für eine Band wie Led Zeppelin arbeitet, die sehr privat ist und eine sehr kleine Tour Group hat – also die Rolling Stones haben ja fast hundert Leute und Led Zeppelin hat vielleicht fünfzehn – weiß man, dass wenn man eingestellt wird, wie ich vorher sagte – dass man die Augen und Ohren aufreißen muss und die Klappe halten. Das ist das Allerwichtigste bei einer Band wie Led Zeppelin.
"Man wird unsichtbar"
Peter Grant, der Manager, hat mir vertraut und die Ironie bei dem Ganzen ist tatsächlich: Je mehr ich da bin, desto weniger sichtbar werde ich – wenn das irgendwie Sinn macht. Man wird Teil des Stoffes, aus dem die Geschichte geschrieben wird. Die Band gewöhnt sich daran, einen Tag für Tag zu sehen und man wird unsichtbar.
Und ja, es gibt Bilder von einem schlafenden John Bonham, aber andere Leute schlafen auch. Das ist nach dem ersten Tag kein Problem mehr, ich sag’s Ihnen. Und von Job zu Job lernt man eben wie man sich verhalten muss. Die Momente, in denen man dann mal vom Fahrplan abweicht, muss man vorsichtig wählen. (lacht)
Andreas Müller: Im Buch sind viele Bilder von Led Zeppelin, Wenn Sie jetzt zurückblicken, gibt es andere Bands, die Sie auch gern fotografiert haben?
Lieblingsmotive: Queen und The Who
Neal Preston: Ja, auf jeden Fall. Ich würde sagen, dass ich The Who am liebsten fotografiert habe, die waren auch so meine Lieblingsband, Pete Townshend ganz besonders – man hat nie einen schlechten Tag, wenn man Pete Townshend fotografiert.
Mein Mitbewohner hat immer gesagt, dass ich meine besten Arbeiten mit Queen gemacht habe, und wenn ich mir jetzt die Sachen von damals anschaue, dann stimme ich dem irgendwie zu. Ich habe viel Zeit mit Queen verbracht. Freddie Mercury kann natürlich keiner ersetzen, der war ein ganz Besonderer. Mit Brian und Roger bin ich immer noch sehr gut befreundet und ich arbeite manchmal noch mit ihnen. Ich habe ein paar echt gute Fotos von ihnen geschossen und wir haben immer viel Spaß zusammen gehabt.
Also würde ich sagen, dass ich am liebsten The Who und Queen fotografiert habe.
Andreas Müller: Wenn ich durch das Buch blättere, fühlt es sich irgendwie an, als würde man sich eine Dokumentation des Zweiten Weltkrieges anschauen, weil diese Bands, die Sie eben nannten, die Bühnen aus den 70ern fast aussahen wie Schlachtfelder und die Band auf der Bühne den Kampf der Rock’n’Roll gekämpft hat.
Ich glaube, dass diese Tage eindeutig gezählt sind, weil heute alles sauber und sicher ist. Manche sagen, dass die Musik deswegen weniger ansprechend ist. Sind Sie also heute noch daran interessiert, Bands zu fotografieren, oder ist Ihnen alles zu schick und sauber geworden?
Fotografie als Kampf
Neal Preston: Damit haben Sie gerade etwa vier Fragen in einen Satz gepackt. Aber mir gefällt der Vergleich, den Sie angestellt haben, dass das Buch wie eine Dokumentation des Zweiten Weltkriegs aussieht – ich verstehe, was Sie meinen. Ein Typ, an dessen Namen ich mich jetzt nicht erinnern kann, hat ein Buch über The Who geschrieben, das "Pretend that you’re in a war" heißt. Er hatte da kommentiert, dass The Who ihren Sound auf dem Klang von Bomben basiert haben.
Und ja, wir hatten diesen großen Krieg. Ihr Deutschen und wir waren alle mit drin verwickelt, aber ich spreche jetzt nur mal vom Sound: The Who haben ihren Sound auf Kriegsklängen aufgebaut. Wenn man sich das unterschiedliche Publikum, das Equipment und das alles anschaut, ist es ein bisschen roher und nicht so schick wie heute.
Der Typ, der meine Kameras repariert, einer von Nikon, der das schon seit Jahren für mich macht, sagt mir immer, dass meine Kameras am zerschlissensten sind. Und er ist der größte Kamera-Reparatur-Typ an der ganzen Westküste. Also ein gewisses Maß an Kampf ist in dieser Arbeit schon mit dabei.
Ich war nie einer, der gern "Baby Bands" fotografiert hat. Ich weiß nicht, ob Sie den Begriff bei sich kennen. Es gab zwar immer ein Paar gute Newcomer-Bands, aber die Musik ist erbärmlich geworden, wenn Sie mich fragen. Wenig von dem, was ich im Radio höre, kann ich wirklich noch genießen, oder länger als 15 Sekunden hören.
Ich weiß nicht, warum das so geworden ist. Es gibt nicht mehr so viel Kreativität in der Musik, vor allem was die Texte betrifft. Ich bin kein Fan von Hip Hop, und ich denke, dass die Leute unglaublich faul geworden sind, was das Songwriting angeht.
Andreas Müller: Um bei der Weltkriegs-Analogie zu bleiben, fehlt den Leuten also ein Stück weit der Mut, so sehe ich das.
Neal Preston: Ja, vielleicht. Und um die Analogie zu vervollständigen, sitzen die Musiker heute im Lager, spielen Karten und rauchen Zigaretten.