Welche Rolle spielt Erotik im Sport?
Sex sells. Auch im Sport. Die Höschen von Beachvolleyballerinnen sind kaum zu sehen, Tennisspielerinnen zeigen bewusst ihre Formen unter hautengen Trikots, Fußballer ihre nackten, muskelbepackten Oberkörper, Fußballerinnen ziehen sich für den Playboy aus.
Leidenschaft, Lust und lautes Stöhnen – die Tennisspielerin Monica Seles brachte die Klänge des Beischlafs auf den Centre-Court. Spätestens seit ihren unüberhörbaren Auftritten ist die ächzende Ekstase im Profitennis salonfähig geworden – auf Sand, Rasen oder Hartplatz.
Sport und Sex, Athletik und Erotik, Körper und Attraktion – nicht nur bei der Geräuschkulisse des Tennissports entsteht diese Analogie. Sport und Sex sind ein, nun ja, untrennbares, fast innig verschmolzenes Paar. Sport ist nicht denkbar ohne den Körper, Leistungssport ist nicht machbar ohne den trainierten Körper.
Schon die alten Griechen pflegten den Körperkult
Es liegt in der Natur des Sports, dass muskulöse Körperteile zur Schau gestellt werden. Und es hat – nicht allein, aber vorrangig – praktische Gründe, dass Sportler und Sportlerinnen in der Regel knapp bekleidet sind. Und das bereits seit zwei Jahrtausenden: Im antiken Griechenland haben sich die Athleten komplett nackt präsentiert. Auch hier gibt es Berichte darüber, dass die Nacktheit für die Beweglichkeit und Schnelligkeit der ausschließlich männlichen Sportler von Vorteil gewesen sei. Aber schon die alten Griechen pflegten einen Körperkult und genossen es, schöne Menschen zu präsentieren und sie anzuschauen.
"Ich habe das Gefühl, wenn man ein bisschen in die Kulturgeschichte schaut des Sports, also die vielen Abbildung von Skulpturen von Sportlern aus dem Olympischen Zusammenhang in Griechenland früher, dass da ein erotisches, libidinöses Interesse, ein Schönheits- und Sexualgefallen eine Rolle spielt."
John von Düffel ist Schriftsteller und Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin. Er war früher Leistungsschwimmer und hat seine Leidenschaft für den Sport literarisch verarbeitet:
"Zeit ist die Zahl der Bewegung, heißt es bei Aristoteles, aber in der Zwiesprache von Wasser und Körper gibt es ein anderes Maß, das sich einstellt auf den langen, unzählbaren Strecken. Und es macht mich vielleicht nicht besser, aber glücklich, die Zeit zum Verschwinden zu bringen in dem unaufhörlichen Ineinander von Wasser, Bewegung und Atem – für die dauerlosen Momente in einem anderen Element." (Aus: "Wasser und andere Welten")
"In gewisser Weise spürt man seinen Körper im Wasser sehr, man ist umhüllt, man wird gestreichelt, geschmeichelt, hat eine flächendeckende Haut-Wasser-Erfahrung und spürt auch sehr stark in der Bewegung die Geschmeidigkeit, den Fluss, die Strömung und ist in so einem ständigen Sinnenreiz. Das lässt man im Wettkampf natürlich beiseite, aber man kann dem nachspüren, und es steckt ja im Sport selbst eine gewisse Sinnlichkeit, durch die Rhythmik, beim Laufen, das ist ja nicht per se eine erotische Tätigkeit, aber das wiederkehrende Rhythmuselement, die Art und Weise, wie man doch in seinem Körper irgendwie ankommt, ist schon 'ne starke Sinnenerfahrung."
Das Sinnliche des Sports erlebt also nicht nur der Zuschauer, sondern auch der Sportler, wenn er eins ist mit seinem Körper, in Anstrengung und Erschöpfung. Doch die eigentliche Erotik des Sports liegt im Auge des Betrachters.
"Eisprinzessin, Golden Girls, Goldmädel"
Manchen Sportarten liegt das verführerische Moment bereits in ihrer Natur: zum Beispiel Turnen oder Rhythmische Sportgymnastik, wo Übungen mit gespreizten Beinen und perfekter Körperspannung zum Programm gehören. Oder natürlich die kunstvollen Bewegungen im Eiskunstlauf - ob Einzel- oder Paarlauf -, die koketten oder reizvollen Ausdruck haben. Perfektioniert hat dieses Zusammenspiel von Leistungssport auf dem Eis und erotischer Ausstrahlung Katarina Witt.
"Poesie auf dem Eis…"
Aber auch in Sportarten, die koordinativ so rein gar nichts mit Erotik oder Sex zu tun haben, können Athleten und Athletinnen für ihren Körper und ihre Ausstrahlung bewundert werden. Evi Simeoni, Sportjournalistin und Buchautorin, findet zum Beispiel einen Fußballer attraktiv:
"Zlatan Ibrahimovic. Das ist ein bisschen peinlich, weil man sagt, das lässt tief blicken, ich weiß auch nicht, ob ich in der Realität so für ihn schwärmen würde. Aber er ist halt so unheimlich stark, ein Kämpfer. Und es imponiert mir sehr, Starksein ist auch wahnsinnig sexy."
(Reporter: Ein magisches Tor....)
"Sport ist körperlich, Sport ist Körper. Und das Aussehen, die Körperlichkeit, die Erotik ist ja der große rote Faden, den der Sport hat. Nicht nur für Leute, die Leistungssport treiben. Nehmen sie mal diese Zeitschrift: Fit für fun, der Titel, der viel sagt. Und der meint ja auch: Habe einen schönen Körper, damit du besseren Sex haben kannst. Das zieht. Warum soll’s das nicht tun, es ist ja nicht verkehrt, auf seinen Körper zu achten. Ich finde, da ist überhaupt nichts dabei. Wir kommen nur immer wieder an den Punkt Vermarktung, Verwurschtung, Verramschung eines Körpers."
Der Körper als Litfasssäule
Der Körper eines Sportlers muss heutzutage nicht nur sportliche Höchstleitung erbringen, sondern zugleich eine enorme Öffentlichkeitsarbeit leisten – vor allem in den Fernsehsportarten. Er wird zur Litfasssäule der eigenen Persönlichkeit. Foto-Shootings, Werbespots, Filmauftritte – moderne Athleten und Athletinnen müssen auch abseits des Rasens, der Laufbahn, des Schwimmbeckens und des Centre Courts glänzen. Bundesligaspielerin Julia Simic kennt diese Anforderungen. Sie holte gerade mit dem VfL Wolfsburg die Meisterschaft und den Pokal.
"Tatsächlich ist es ganz individuell, wie man als Sportler mit solchen Nebengeräuschen umgehen kann und will. In erster Linie muss man es auch mögen, zum Beispiel auch Social Media. Da wehren sich einige auch klar dagegen, weil sie sagen, das ist ihr Privatsphäre und dann wollen sie keinen Einblick geben. Ich mache es tatsächlich ganz gerne, weil ich finde, man kann so ein bisschen seinen Sport zeigen, gerade beim Frauenfußball."
Auf ihren Accounts bei Facebook, Twitter und Instagram postet Julia Simic regelmäßig Bilder - nicht nur aus ihrem sportlichen, sondern auch aus ihrem privaten Leben. Und immer wieder sind Fotos dabei, auf denen man sie im Bikini sieht.
Dass spärlich bekleidete Sportlerinnen für mehr Prominenz und Aufmerksamkeit sorgen, hat natürlich auch die Werbung erkannt. Biathletin Magdalena Neuner modelt halbnackt in Unterwäsche, Franziska van Almsick steigt nixengleich aus einem Bergsee, um in einen Schoko-Riegel zu beißen, Britta Steffen wirbt mit nackten Beinen für einen Ladyshaver, Bastian Schweinsteiger steht für ein Duschgel mit nacktem Oberkörper unter der Dusche. Und Cristiano Ronaldo läuft in einem Werbespot in Schwarz-Weiß für eine Jeansmarke erst einmal nur mit Unterhose bekleidet durch sein Hotelzimmer.
Nicht immer sind die Auftritte der Sportler glücklich. Steffi Graf zum Beispiel warb Anfang der 1990er-Jahre für einen Nudelhersteller - im kleinen Schwarzen, bemüht lasziv auf einer glänzenden schwarzen Couch liegend, die Kamera fährt langsam und voyeuristisch an ihrem Körper entlang. Alles verführerisch im Weichzeichner.
(Steffi Graf:) "Der Beginn einer kochenden Leidenschaft."
Die erotische Überzeugungskraft war dann allerdings nur mäßig. Sportler, bleib bei deinen Leisten, möchte man meinen. Doch die Realität sieht längst anders aus. Der Kommunikationswissenschaftler Jörg-Uwe Nieland beschreibt sie:
"Es ist grundsätzlich so, dass Sport sich in den letzten 50, 60 Jahren natürlich zu einem großen Geschäft entwickelt hat. Der Sport generiert Aufmerksamkeit. Der Sport braucht auch diese Aufmerksamkeit, um sich finanzieren zu können. Und da wird wie in anderen Bereichen der Körper als erotisches Kapital eingesetzt, und das führt dazu, dass die Medien die Antreiber der Sexualisierung des Sports sind."
Serena Williams: Schwanger auf dem Cover der "Vanity Fair"
Sex sells. Der Körper wird also zur Werbefläche und sorgt für zusätzliche Einnahmen für Sportler und Sportlerinnen. Aber auch außerhalb von Werbeverträgen zeigen sich vor allem Athletinnen immer wieder in erotischen Posen: Die US-amerikanische Zeitschrift "Sports Illustrated" bildet seit 1964 einmal jährlich in ihrer Sonderausgabe "Swimsuit Issue" Models und Sportlerinnen in Bikinis an exotischen Orten ab. Die schwangere Tennisspielerin Serena Williams hat gerade für das Cover der "Vanity Fair" nackt posiert.
Und die Liste der deutschen Athletinnen, die sich für den Playboy auszogen haben, ist lang: Tanja Szewczenko, Regina Halmich, Britta Heidemann und noch viele mehr. 1998 ließ sich Eiskunstläuferin Katarina Witt als erste deutsche Sportlerin nackt im Playboy ablichten, der danach zum zweiten Mal nach einer Ausgabe von 1953 mit Marilyn Monroe weltweit ausverkauft war.
John von Düffel, Schriftsteller:
"Also ich finde schon, es hat was von Prostitution, und es ist natürlich eine absolut grausame und ungerechte Prostitution."
Evi Simeoni, Journalistin:
"Das geht mir zu weit, aber ich würde eher sagen, eine Art von Zuhälterei. Man wird vermarktet auf dem Fleischmarkt. Es ist ja nicht so, dass man als Sportler in vorderster Linie posiert, natürlich ist das immer dabei, aber in erster Linie übt man seinen Sport aus und ist stolz auf seine Leistung und hat trainiert und natürlich kommt durch dieses Training ein schöner Körper. Und natürlich ist es schön, diesen Körper zu haben und sich zu zeigen. Aber das ist nicht das Ziel. Wir kommen ja da in eine andere Kategorie. Es gibt ja auch so einen Beruf: Model, Schauspieler, wo diese Dinge bewusst eingesetzt werden."
Der "spornosexuelle" Sportler
Modeln und schauspielern, und das möglichst verführerisch – das sind Zusatzkompetenzen, die Sportler und Sportlerinnen offenbar brauchen, wenn sie nicht nur durch Zeiten, Weiten, Punkte oder Tore glänzen wollen. Und die Geschlechterklischees halten sich im Sport: Frauen zum Anbeißen als Objekte männlicher Begierde, Männer als kraftstrotzende Sexsymbole. Dieses Phänomen beschrieb auch der britische Journalist Mark Simpson und schöpfte dafür das Wort: "Sporno", Sport und Porno. Der spornosexuelle Mann präsentiert selbstbewusst seinen perfekt getunten Körper, und er will vor allem: gesehen und begehrt werden.
(Reporter über Harting: "Zerreißt das Trikot")
Starke Sportler und sexy Sportlerinnen werden berühmt. Nichtsdestotrotz müssen sie auch Leistung erbringen, sie ist die Abschussrampe für das erotische Feuerwerk. Doch manchmal kommt die Popularität durch das äußere Erscheinungsbild erst so richtig in Fahrt. Das sieht man am Beispiel der Tennisspielerin Anna Kurnikowa.
"Die Kollegin Gertrud Pfister spricht tatsächlich von Kurnikowa-Syndrom, um damit zu beschreiben, dass es Sportlerinnen gibt, die für ihr Aussehen von den Medien und von den Fans geliebt werden und weniger für ihre sportliche Leistung. Das heißt also, sie hat kein Grand-Slam-Turnier gewonnen und hat aber durch ihre Werbeeinnahmen viel, viel mehr Geld verdient, das Vielfache generiert gegenüber ihren Konkurrenten auf der Tennis Tour."
Das Aussehen ist aber nicht nur das Bonbon zur sportlichen Performance, sondern steht manchmal auch in einem direkten Zusammenhang dazu. Das wird besonders im Beachvolleyball der Frauen deutlich. Die Sportart ist seit 1996 olympisch, acht Jahre später legte der Internationale Volleyballverband fest, dass die Bikini-Hosen der Frauen an der Seite höchstens sieben Zentimeter breit sein dürften. Diese Bekleidungsvorschrift wurde 2012 wieder aufgehoben – allerdings mit dem Ergebnis, dass der knappe Bikini weiterhin von fast allen Spielerinnen getragen wird.
Evi Simeoni, Journalistin:
"Ich denke, das ist die Attraktion von Beachvolleyball, so hat alles angefangen. Volleyball gab's schon vorher mit nicht so knappen Trikots, und irgendwann wurde entdeckt, dass man mehr Quote machen kann mit den Bikinis. Und die Frauen, auch die Männer, die spielen eben Volleyball, und diese Kostüme, ja, das ist unangenehm der Gedanke, warum die eigentlich eingeführt worden sind, weil das eben so einen Ausbeutungscharakter hat."
Spärlich bekleidete, hübsche Sportlerinnen bedienen nicht nur die Lust am Betrachten schöner Körper, sondern auch einen unangemessenen Voyeurismus der Zuschauer. Aber eine Beachvolleyballerin, die in Shorts und T-Shirt antreten würde, wäre für Sponsoren und Werbepartnern nicht so attraktiv wie ihre leichter bekleideten Konkurrentinnen. Außer muslimischen Sportlerinnen, die sich komplett bedecken, gibt es keine erfolgreichen Beachvolleyballerinnen, die nicht im Bikini spielen. Ob das tatsächlich freiwillig geschieht oder ob nicht doch ein unterschwelliger sexistischer Kleiderzwang dahinter steht, bleibt offen. Männer übrigens spielen in Shorts und Achselshirt – und nicht in Badehosen...
Frauenfußballerinnen: von "Mannweibern" zu "Nationalelfen"
Während wir Beachvolleyballerinnen nicht anders kennen als im Bikini, hat sich in einer anderen Sportart das Erscheinungsbild der Sportlerinnen immens verändert: im Frauenfußball. Waren Fußballerinnen einst überwiegend burschikos und wurden daher auch als "Mannsweiber" verunglimpft, hat sich spätestens seit der Weltmeisterschaft in Deutschland im Jahr 2011 ein ganz neues Bild der Sportlerinnen etabliert: Die Spielerinnen der Nationalmannschaft traten in Werbespots und Fotoshootings bewusst feminin auf.
"Doing Gender" nennen das die Gender Studies, die Betonung des Geschlechts und damit der Geschlechterklischees. In einem Spot für eine große Sportartikelfirma benutzte die Spielerin Lira Alushi, geborene Bajramaj, gezielt weibliche Accessoires: Stöckelschuhe, Schmuck, Wimperntusche und Lippenstift. Der Spot heißt "Liras Manifest" und ist weniger Werbung für Turnschuhe als für das sportliche UND weibliche Image von Fußballerinnen:
"Mit Kraft für jeden Laufweg, der Platz ist unser Laufsteg, meine Mädels und ich wir werden an die Spitze ziehen…"
Jörg-Uwe Nieland, Kommunikationswissenschaftler:
"Was wir hier beobachten, nennt die Forschung eine doppelte Disziplinierung des Frauenkörpers. Sportlerinnen müssen auf der einen Seite einen funktionierenden Sportlerkörper haben, also müssen ihren Körper so trainieren, dass sie in der jeweiligen Sportart Wettbewerbsvorteile haben beziehungsweise ihre Leistung bringen können. Sie müssen aber gleichzeitig einen weiblichen Körper präsentieren."
Wo wird die Grenze zur Sexualisierung überschritten?
Während der WM in Deutschland 2011 war Julia Simic U23-Nationalspielerin. Zusammen mit vier weiteren Nachwuchsspielerinnen ließ auch sie damals für den Playboy die Hüllen fallen. "Weltmeisterlich! So schön sind Deutschlands Fußball-Nationalspielerinnen", lautete die Schlagzeile.
"Ich habe gesagt, pass auf, das ist eine Sache, die ist einmalig für mich, die Chance wird so schnell auch nicht mehr kommen, am Ende bin ich entweder stolz darauf oder werde es bereuen, aber ich habe gerade Lust das zu machen. Es gab auch kritische Stimmen dazu, ich fand einfach gut, junge, dynamische, athletische attraktive Spielerinnen, Fußballerinnen für den Playboy abzulichten. Mal den Frauenfußball von einer ganz anderen Seite beleuchten."
Jörg-Uwe Nieland, Kommunikationswissenschaftler:
"Was ist dagegen einzuwenden, wenn sich Sportlerinnen auch schminken oder in der Freizeit im Abendkleid präsentieren? Bedenklich wird es in meinen Augen, wenn sie dann tatsächlich in eher softpornografischen Stellungen außerhalb des Platzes fotografiert werden. Wenn also wirklich die Grenze zur Sexualisierung deutlich überschritten wird, dann kann man aus medien- und sportpädagogischen Aspekten sagen: Hier wird eine Grenze überschritten und hier wird vielleicht auch über eine Gefährdung im Bezug auf den Vorbildcharakter gegeben."
Ob eine Sportlerin sich dem Playboy nackt und als Objekt der Begierde präsentiert, ist natürlich allein ihre Privatsache. Doch die zunehmende Sexualisierung im Sport, das Zur-Schau-Stellen von in der Regel annähernd perfekten Sportlerkörpern setzt gerade junge Mädchen unter Druck, diesem Schönheitsideal ebenso entsprechen zu müssen. Da wird der Sport im Grunde zu einer zweiten Ausgabe von Heidi Klums Show "Germany's Next Top Model", die suggeriert, dass junge Frauen nur mit schlanken Beinen und flachem Bauch attraktiv sein können.
Auch die Sportberichterstattung trägt zu Sexualisierung bei
Doch nicht nur die visuelle Inszenierung von Athleten und Athletinnen sorgt dafür, dass - vor allem Frauen - im Sport immer wieder auf ihr Aussehen und auf ihre Sexyness reduziert werden. Auch die herkömmliche Sportberichterstattung trägt dazu bei.
"Sie sind nicht nur heiß, sie sind auch erfolgreich: die drei Renn-Miezen aus Yorkshire" ("Bild" über drei Motorsportlerinnen)
"Eine betörende Badenixe" ("Welt am Sonntag" über die Schwimmerin Laure Manaudou)
"Bum-Bum-Bine". Sexy, sportlich erfolgreich, frisch verliebt und mit Talent für den roten Teppich." ("Bunte" über Sabine Lisicki)
"Das Sex-Symbol auf Skiern" ("Sports" über Alberto Tomba)
"Der Mann, der den Fußball sexy macht" ("Süddeutsche Zeitung" über David Beckham)
John von Düffel, Schriftsteller:
"Letztlich dient diese Sprache ja einer Art Beschwörung. Man versucht auch die Helden zu konstruieren oder die Helden oder das erotische Objekt zu konstruieren und so was herauszukitzeln in der ganz hässlichen Bedeutung des Wortes. Und die Bilder, die man dafür prägt, sind ja teilweise extrem übergriffig. Also es sind ja Beschreibungen, die gehen, wenn nicht unter die Gürtellinie, dann schrammen sie die Gürtellinie doch ganz schön und man merkt natürlich das Obsessive daran auch, dass jemand sozusagen fast sprachlich onanierend an diese Körperbilder der Sportler herangeht."
Chauvinismus in der Sportberichterstattung
Der Chauvinismus in der Sportberichterstattung spiegelt sich nicht nur in der Sprache. Ebenso wenig wie Texte und Kommentare können Sportler und Sportlerinnen kontrollieren, wann ein Sportfotograf abdrückt oder in welcher Pose die Fernsehkamera den eigenen Körper einfängt.
"Und das stört mich sehr, wenn solche Momente so ausgeschlachtet werden. Wir haben das nicht nur bei so prallen Figuren wie Serena Williams, sondern zum Beispiel ganz oft bei Turnerinnen, wo Übungen so konzipiert sind, dass Beine gespreizt werden oder sie eben hochgehoben werden. Da gibt es Fotos, die voll in den Schritt fotografiert sind und die ganz normal als Sportfotos durchgehen."
Grenzüberschreitungen gibt es also von vielen Seiten, und es wird deutlich, wie sehr Athleten und Athletinnen zum Spielball eines großen Geschäfts, zum Mittelpunkt einer großen Show werden. Sind wir schon auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung angelangt?
"Durch die sozialen Medien ist das noch mal auf eine ganz neue Umlaufbahn gekommen. Und das ist ja noch längst nicht ausgeschöpft. Also ich denke, es wird viel oberflächlicher werden, der Umgang mit Menschen, mit Bildern. Es wird Gewinner geben, die unglaubliche Hebel ansetzen können, was Popularität angeht. Und dann wird die Leistung immer weniger bedeutend, wird zurücktreten hinter der Optik und den Bauchgefühlen."
Die Ware Sportlerkörper – aus dem Kontext der sportlichen Leistung gerissen, erscheint das hochgetunte Geschäft und die permanente Zur-Schau-Stellung schnell pervers. Dabei ist es doch ein Genuss, schönen Athleten und Athletinnen bei der Ausübung ihrer Kunst zuzuschauen – egal in welchem Outfit. Das hat einst der US-amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace in seinem schwärmerischen Essay über Tennisspieler Roger Federer beschrieben.
David Foster Wallace-Essay über Roger Federer
"Im Leistungssport geht es nicht um Schönheit, aber der Spitzensport ist ein Ort, an dem sich menschliche Schönheit zeigt. Diese Schönheit, um die es hier geht, ist von besonderer Art; man könnte sie als kinetische Schönheit bezeichnen, als eine Schönheit der Bewegung. Ihre Anziehungskraft ist universell, und sie hat nichts mit Sex zu tun, nichts mit kulturellen Normen, sondern mit den anscheinend grenzenlosen Möglichkeiten eines menschlichen Körpers."
Die Schönheit der Bewegung – wenn sich Sportler und Sportlerinnen, aber vor allem Journalisten und PR-Manager wieder mehr darauf besinnen würden, dann wäre die Welt des Sports vielleicht weniger sexualisiert – aber kein bisschen weniger sexy.