Ein Polizist gibt nicht auf
In "Suff und Sühne" muss sich Insepktor Dieuswalwe Azémar mit seinen Dämonen herumschlagen: dem Alkohol, seiner Vergangenheit und den wahren Mächtigen von Haiti. Eine Explosion von Kriminalroman, von Null auf Platz 1 der Krimibestenliste im Mai gelandet.
"Suff und Sühne" ist der dritte Roman von Gary Victor, der ins Deutsche übersetzt wurde und wieder dreht sich alles um Inspektor Dieuswalwe Azémar. Er, der einzige Polizist auf Haiti, der nicht korrupt ist, muss sich mit seinen Dämonen herumschlagen: dem Alkohol, seiner Vergangenheit und den wahren Mächtigen des Inselstaates.
Haiti, eines der ärmsten Länder der Erde, ist ebenso berühmt für die erste Selbstregierung ehemaliger schwarzer Sklaven wie berüchtigt für seine Diktatoren, Naturkatastrophen und flirrende Schönheit. Im dort herrschenden Chaos eines failed state schreibt Gary Victor, 1958 in der Hauptstadt Port-au-Prince geboren, Kriminalromane, die zu den wildesten unserer Zeit gehören.
Dieuswalwe, der Name des Inspektors, klingt wie Hohn. Ausgesprochen wird er "Dieu-soit-loué" - Gott sei gelobt. Doch Inspektor Azémar kann in seinem Land nichts entdecken, wofür man Gott loben könnte. Aus Trotz und um einen Rest von Ehre zu verteidigen, schreibt er seinen Namen deshalb im haitischen Kreol mit zwei W. Die Ehrlosigkeit und das Elend, denen er täglich begegnet, erträgt er nur mit Unmengen des billigen Schnapses Soro im Blut.
Der Polizist wird zum Beschuldigten
Doch jetzt, im dritten Roman, muss Dieuswalwe entziehen, sonst wird er endgültig aus dem Polizeidienst entlassen. Der Entzug wird zum Kampf mit den Dämonen. Allein in einer düsteren Absteige, von Riesenspinnen bedrängt und körperlich geschwächt, erscheint eine Frau, die ihn beschuldigt, ihren Vater, einen brasilianischen General der quasi das Land regierenden UNO-Truppe MINUSTAH, ermordet zu haben. Als Beweise legt sie Fotografien der Tat vor und will ihn töten. Doch Dieuswalwe gelingt die Flucht. Und damit beginnt ein Höllentrip. Denn Dieuswalwe wird nicht nur von abtrünnigen Milizen und Angehörigen einer Guerilla verfolgt, sondern auch von der Polizei. Er - und mit ihm die Leser – tauchen immer tiefer in die Verstrickungen mehrerer Komplotte ein und lernen, wer die wahre Macht im Land hat. Zumindest ansatzweise.
Gary Victor kennt den Karibikstaat wie seine Westentasche, er ist Chefredakteur einer der wenigen unabhängigen Tageszeitungen und ein beliebter Radiokolumnist. Seine stärkste Waffe im Kriminalroman ist seine Sprache: deftig, rasend schnell, kompakt und so irre wie die Verhältnisse. Denkt man. Als Gary Victor kürzlich gefragt wurde, ob die Lage in Haiti wirklich so schlimm sei wie in seinen Büchern, antwortete er: "Schlimmer".