Marcel Fratzscher: "Geld oder Leben"

Ein Plädoyer gegen das Sparen

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Eine Sparkassen Filiale in der Dunkelheit.
Der Hang zum Sparen ist in der deutschen Gesellschaft tief verwurzelt, aber es gibt gute Argumente dafür, warum man besser investieren sollte. © imago / Wedel / Kirchner-Media
Marcel Fratzscher im Gespräch mit Dieter Kassel  · 10.03.2022
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Im Verhältnis zum Sparen sollte der Einzelne ebenso umdenken wie der Staat, fordert der DIW-Präsident Marcel Fratzscher in seinem neuen Buch "Geld oder Leben". In sinnvolle Vorhaben zu investieren, sei zumeist sinnvoller und nutze auch anderen.
Die Tradition der Sparer habe eine lange Geschichte in Deutschland, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Schon im 18. und 19. Jahrhundert habe der Staat übermoralisch überhöht dafür geworben, in guten Zeiten zu sparen.
Auch das Wort Schulden sei negativ behaftet und komme vom Begriff Schuld. "Wer möchte schon gerne in der Schuld anderer stehen", sagt Fratzscher. "Dieses Schulden ist schlecht, etwas Böses, das sitzt so ganz tief drin." Auch für ihn selbst klinge es nicht gut, wenn jemand sage, dass er Schulden habe.

Investieren statt sparen

Dabei sei es eigentlich die falsche Frage, so der Ökonom. "Nicht habe ich wenig oder viel Erspartes, sondern was mache ich mit dem Ersparten?" Wenn jemand beispielsweise Schulden aufnehme, um in die Bildung seiner Kinder zu investieren oder sich ein Eigenheim zuzulegen, dann seien das eigentlich gute Schulden.
Mit seinem neuen Buch "Geld oder Leben" wolle er aber bestimmte Überlegungen bewusster machen: "Was heißt es eigentlich, zu sparen? Wofür sparen wir? Lohnt sich das?"

Sparen kann sich rächen

Sparen bedeute, dass man heute auf Wohlstand verzichte, damit es einem in der Zukunft besser gehe, erläutert der Wirtschaftsprofessor. Aber es könne sich umgekehrt auch rächen, wenn man zu wenig in die Zukunft investiere und zulasten anderer lebe. "Das tun wir in Deutschland in vielen Bereichen seit geraumer Zeit", kritisiert Fratzscher. Es sei oft besser, in den Klimaschutz oder in Sicherheit zu investieren , wie man jetzt im Ukraine-Krieg sehe.
Investieren sei oft besser, weil auch andere dann von dem Geld profitierten, sagt der Ökonom. Wer ein Haus baue, schaffe Beschäftigung. Unternehmen verschuldeten sich, aber es entstünden auf diese Weise neue Arbeitsplätze. "In Bildung zu investieren, heißt, wir werden produktiver, wir werden besser."

Versäumnisse des Staates

Dass der Staat zu viel gespart habe in den vergangenen Jahren, zeige sich in den schlecht ausgerüsteten Schulen, dem Lehrermangel, aber auch im Gesundheitssystem oder maroden Infrastruktur, kritisiert Fratzscher.
Wenn die Politik in den vergangenen zehn Jahren mehr in erneuerbare Energien investiert hätte, wäre Deutschland heute nicht so abhängig von russischem Gas. "Das rächt sich jetzt, da brauchen wir ein grundlegendes Umdenken."
(gem)

Marcel Fratzscher: Geld oder Leben. Warum wir über Geld reden müssen
Piper-Verlag 2022
256 Seiten, 22 Euro

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