Simone Schmollack: "'Und er wird es wieder tun' - Gewalt in der Partnerschaft"
Westend Verlag, Frankfurt am Main 2017
240 Seiten, 18 Euro
Auswege aus der häuslichen Konfliktspirale
Gewalt in der Partnerschaft lässt Betroffene vor Scham oft sprachlos werden. Die Journalistin Simone Schmollack will ihnen mit ihrem neuen Buch eine Stimme und Hilfeangebote geben. Ihre Recherchen haben gezeigt: Das Thema braucht mehr Öffentlichkeit und nicht nur mediale Aufschreie.
Shelly Kupferberg: Mehr als 100.000 Frauen werden in Deutschland pro Jahr Opfer von häuslicher Gewalt, so ein BKA-Bericht, und das ganz ohne Dunkelziffern. Das ist eine schockierende Zahl. Die Journalistin und Autorin Simone Schmollack hat für ihr neues Buch das Gespräch gesucht, unter anderem mit Betroffenen und Opfern häuslicher Gewalt: "Und er wird es wieder tun: Gewalt in der Partnerschaft", so der Titel des eben erschienen Buches. Simone Schmollack, einen schönen guten Tag, hallo!
Simone Schmollack: Guten Tag!
Kupferberg: Jährlich erleben 100.000 in Deutschland lebende Frauen Gewalt in der Partnerschaft*. War es diese Zahl, die Sie dazu gebracht haben, dem Thema häusliche Gewalt noch einmal auf den Grund zu gehen? Sie verfolgen dieses Thema seit vielen, vielen Jahren, überhaupt feministische Themen, Frauenthemen sind eine Ihrer Schwerpunkte in Ihrer journalistischen Arbeit. Aber was genau war es diesmal, was Sie dazu brachte?
"Es gibt kein Buch, was die Frauen direkt anspricht"
Schmollack: Sie sagten es schon: Ich beschäftige mich schon seit Langem mit diesem Thema. Und bei diesen Recherchen habe ich gemerkt oder wenn ich immer wieder auf dieses Thema stoße, dass es eigentlich kein Buch gibt, was die Frauen direkt anspricht, also die betroffenen Frauen.
Jede vierte Frau ist betroffen, das sagten Sie auch schon, und es gibt Fachbücher für Sozialpädagoginnen, für Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern, sozialwissenschaftliche Studien, all das gibt es, aber es gibt eigentlich nichts, was Frauen, die das selber zu Hause erleben, lesen können, dass sie erfahren können, aha, ich bin nicht die Einzige, die das erlebt – das glauben nämlich viele Frauen –, und ich weiß auch gar nicht, wo ich mir Hilfe holen kann.
Es gibt zwar ein Hilfetelefon und es gibt Beratungsstellen, es gibt Frauenhäuser, das gibt es alles, aber viele Frauen haben davon keine Kenntnis, und ich wollte mit dem Buch bewirken, dass diese Frauen eine Stimme bekommen, dass sie erzählen, was ist ihnen passiert, und dass sie in dem Buch lesen können, wo sie Hilfe bekommen.
Auch psychischer Druck kann Gewalt sein
Kupferberg: Im Anhang des Buches, da finden sich auch Adressen und Anlaufstellen für von häuslicher Gewalt Betroffene, und Sie fassen auch einige der wichtigsten Gesetze in diesem Sachverhalt sozusagen zusammen. Wenn wir von häuslicher Gewalt sprechen, Simone Schmollack, was verstehen wir denn darunter? Wie weit muss der Bogen sozusagen thematisch gespannt werden? Wo fängt sie an, wo hört sie auf?
Schmollack: Für mich beginnt Gewalt schon, wenn man jemanden anbrüllt oder bloß vielleicht schubst oder herabwürdigt, in der Öffentlichkeit schlecht über jemanden spricht, also wenn Partner schlecht übereinander sprechen, das ist für mich schon häusliche Gewalt. Oder dieser psychische Druck, nun mach doch mal, und wieso kannst du nicht, und gib mal her, und du kannst das nicht, ich mach das besser – da beginnt das für mich schon, und Untersuchungen, die schätzen das genauso ein, und natürlich geht es dann über Schlagen, Tritte, Bedrohen mit Messer, mit Pistolen, bis hin zum Mord.
Der Streit um Gewalt gegen Männer
Kupferberg: Nun geht es in Ihrem Buch nicht nur um Gewalt gegen Frauen, sondern auch um Gewalt gegen Männer. Wer sind denn hier die Täter?
Schmollack: Na ja, das ist wirklich eine gute Frage. Da gibt es einen großen Streit seit vielen Jahren zwischen zwei Fraktionen, würde ich es mal nennen: Auf der einen Seite sind es die sogenannten Männerrechtler, die da sagen, dass Männer genauso häufig von häuslicher Gewalt, Partnerschaftsgewalt betroffen sind wie Frauen und dass Frauen ebenso häufig Täterinnen sind. Das ist mittlerweile widerlegt.
Die Zahlen, die Sie vorhin angesprochen haben, nämlich jede vierte Frau ist betroffen, und die polizeiliche Kriminalstatistik im letzten Jahr hat das auch noch mal ganz intensiv ausgeweitet. Die besagt, dass 80 Prozent der Täter Männer sind und 82 Prozent der Opfer Frauen, so, und der Rest der Opfer Männer.
Diese Zahl liegt ganz klar, wie das Täter-Opfer-Verhältnis ist. Und wenn wir über die Gewalt an Männern sprechen, dann sind natürlich auch Partnerinnen Täterinnen – das muss man schon so sagen –, aber in einem geringen Umfang. Und die größte Gewalt an Männern wird von Männern ausgeführt, nämlich auch von Männern, die die Opfer in der Regel gar nicht kennen und den Täter auch gar nicht kennen, und im öffentlichen Raum, auf Sportplätzen, Kneipen, am Arbeitsplatz, also wenn es da irgendwie eskaliert im Streit. Dieses, dass Frauen genauso häufig und so, da bin ich sehr, sehr vorsichtig.
Häusliche Gewalt findet sich in jedem sozialen Milieu
Kupferberg: Vorsichtig sind Sie: Sie schreiben an einer Stelle in Ihrem Buch, Gewalt gegen Frauen ist Männergewalt, Gewalt gegen Männer auch. Das sind ja doch sehr deutliche Worte.
Schmollack: Genau, genau, und alle Zahlen belegen das, wie gesagt.
Kupferberg: Das Thema, das ist stark tabuisiert, häusliche Gewalt, Gewalt in der Partnerschaft, es gibt auch viele Vorurteile von wegen häusliche Gewalt finde nur bei sogenannten bildungsfernen Familien statt. Aber das Thema, das findet sich egal in welchem sozialen Milieu, auch das weisen Sie noch mal nach in Ihrem Buch.
Warum sprechen Opfer häuslicher Gewalt so selten davon, was ihnen genau wiederfährt? Was macht das Sprechen darüber so schwierig? Wie haben Sie das in den Begegnungen mit Frauen und Männern empfunden?
Schmollack: Einerseits ist es so, dass sich die Betroffenen schämen. Also niemand geht mit privaten Problemen – das ist sehr vage oder sehr salopp ausgedrückt –, mit privaten Problemen nach außen. Niemand möchte, dass jemand anderes weiß, was bei einem zu Hause los ist. Und schon gar nicht möchte man darüber sprechen, dass man auf dieser Ebene, auf der Gewaltebene, Probleme mit dem Partner oder mit der Partnerin hat. Da schämen sich die meisten.
Dann kommt noch dazu, dass, wenn man da drin steckt, also in dieser Gewaltspirale, dann können die meisten Betroffenen sowieso nicht darüber reden. Und die Frauen, die ich in meinem Buch, und die zwei Männer, die ich getroffen habe, die hatten es alles schon hinter sich gelassen, und erst dann, wenn sie das alles reflektiert haben und sich das noch mal genau angeschaut haben von außen, dann konnten sie auch darüber erzählen, dann konnten sie auch erklären, was eigentlich passiert ist, als sie da drin steckten in diesem Gewaltmodus. Da waren die gar nicht dazu in der Lage.
Wie sich die Gewaltspirale hochschraubt
Kupferberg: Sie haben sich mit Ursachen, Struktur, Verlauf, Ausmaß und Folgen von Gewalt in Partnerschaften in diesem Buch auseinandergesetzt. Lassen sich hier typische Muster erkennen über den Verlauf häuslicher Gewalt?
Schmollack: Ja, das kann man schon sagen. Also das fängt an, also … oder sagen wir mal so: Ein Paar lernt sich kennen, alles ist wunderbar, ist Honigmond, die lieben sich beide, die finden sich attraktiv und anziehend, und dann ist das so ein Verlauf, das beginnt mit verbalen Angriffen, mit Verleumdungen, mit Kontrolle – darüber haben wir noch gar nicht gesprochen –, Handy kontrollieren, Geld wegnehmen, zu sagen, du bleibst heute zu Hause.
Kupferberg: Auch das klassische Stalken spielt eine Rolle in dem Buch.
Schmollack: Genau, klassisches Stalking auch. Du bleibst zu Hause, ich will nicht, dass du deine Freundin siehst, die redet vielleicht schlecht über mich. Und dann gibt es natürlich Auseinandersetzungen, die Frau wehrt sich oder auch der Mann wehrt sich – wollen wir es mal so sagen. Dann ist es das wie so eine Spirale. Dann kann sich diese Gewaltspirale hochschrauben bis hin zu schwersten Schlägen, bis zum Verprügeln, bis Vergewaltigung in der Beziehung, in der Ehe, und dann, wie gesagt, in wenigen Fällen auch bis zu Mord.
Opfer leiden unter herabgesetztem Selbstwertempfinden
Kupferberg: Und Sie haben es gerade angesprochen: körperliche Gewalt ist das eine, aber eben auch das Psychische, wie so ein Mechanismus eintreten kann. Die psychischen Folgen, über die schreiben Sie auch in Ihrem Buch. Unter welchen Dingen leiden Opfer häuslicher Gewalt noch Jahre später?
Schmollack: Na ja, die haben Angst, die sind in ihrem Selbstwertempfinden sehr herabgesetzt. Sie können sich selber oft gar nicht mehr leiden. Sie gehen kaum auf die Straße, können nicht arbeiten, zweifeln an sich, zweifeln an allem, haben kein Vertrauen mehr. Das sind so die psychischen Langzeitfolgen, und da wieder rauszukommen, das ist ganz, ganz schwierig, und da brauchen die meisten Frauen professionelle Hilfe.
Das mit den körperlichen Folgen, die sieht man zwar, die sind auch dramatisch, teilweise mit Knochenbrüchen und Schädelfrakturen, Blutergüssen, gebrochenen Armen, Nasenbein und so, das schon, aber das heilt, aber auch die psychischen Folgen von körperlichen Angriffen, die sind auch sehr langwierig.
Kupferberg: Die Journalistin und Buchautorin Simone Schmollack ist zu Gast im Deutschlandfunk Kultur in der "Lesart". Über ihr neues Buch "Und er wird es wieder tun: Gewalt in der Partnerschaft" werden wir uns gleich weiter unterhalten.
Lob für das Gewaltschutzgesetz
Ich bin im Gespräch mit der Journalistin und Buchautorin Simone Schmollack, die sich in ihrem neuen Buch mit häuslicher Gewalt in Deutschland auseinandergesetzt hat. Sie hat mit Betroffenen gesprochen, mit Institutionen wie der Polizei, mit Frauenhäusern, mit Frauen und Männern. Simone Schmollack, seit 2002 gilt das Gewaltschutzgesetz und seit einem knappen Jahr das Sexualstrafrecht noch mal neu, in dem – "Ein Nein heißt Nein" – eine sexuelle Handlung auch dann als Vergewaltigung gewertet wird, wenn sich das Opfer nicht aktiv wehrt. Wie sieht denn die rechtliche Situation heute in Deutschland in Sachen häuslicher Gewalt aus? Kann es ausreichend greifen?
Schmollack: Das ist wirklich auch eine gute Frage. Wie gesagt, das Gewaltschutzgesetz ist sehr progressiv. Das kann den Täter der Wohnung verweisen, also wenn die Polizei dahin kommt, sie stellt eindeutig fest, der Mann hat die Frau geschlagen, dann kann er sagen, so, du kommst jetzt mit, und du gehst jetzt zehn Tage nicht in die Wohnung, das verbieten wir dir. Das ist soweit sehr gut, und auch das Sexualstrafrecht, was Sie angesprochen haben, das also klar sagt, also wenn eine Grenze überschritten wird, dann ist hier Schluss.
"Manchmal hebelt das Umgangsrecht des Vaters den Gewaltschutz aus"
Das Problem ist dabei, dass dieses Gewaltschutzgesetz, sagen wir mal, einen guten Schutz für Frauen bietet, die keine Kinder haben oder schon erwachsene Kinder, die nicht zu Hause sind. Wenn wir darüber reden, dass – das passiert ja in den meisten Fällen – die Frauen kleinere Kinder haben, die mit im Haushalt leben, dann wird es schwierig. Dann kann der Vater nämlich sagen, ja, okay, ich darf jetzt zwar nicht nach Hause, und ich darf vielleicht überhaupt gar nicht mehr nach Hause, weil sich die Frau von mir getrennt hat, und die hat Kinder mitgenommen, aber ich möchte meine Kinder sehen, ich habe ein gutes Recht auf meine Kinder, ich bin der Vater der Kinder, und da sagen die Beraterinnen und Expertinnen, sagen wir mal, da hebelt das Umgangsrecht den Gewaltschutz aus. Das ist dramatisch für die betroffenen Frauen.
Manchmal gibt es Fälle, die an die Öffentlichkeit dringen, wenn es zu gewaltsamen Übergriffen kommt, wenn die Frau dem Vater die Kinder übergeben muss. Und es gibt so zwei Fälle, die in den letzten Jahren sehr öffentlich geworden sind: Da hat der Vater nämlich bei der Übergabe die Frau, also in dem einen Fall, die Frau erstochen und in dem anderen Fall auch die Frau körperlich angegangen, und da waren die Kinder dabei. Das ist hochdramatisch, und da ist das Recht leider noch nicht so weit. Und Expertinnen und Experten fordern seit Langem, dass das nachgebessert wird.
"Begleiteter Umgang" als Lösung des Problems?
Kupferberg: Nachgebessert in welche Richtung?
Schmollack: Dass ganz klar gesagt wird, okay, hier hat es häusliche Gewalt gegeben; die Kinder sind zwar nicht geschlagen worden oder psychisch unter Druck gesetzt worden, aber Kinder kriegen das ja auch immer mit. Insofern sind Kinder immer betroffen, auch wenn sie selber nicht angegriffen werden.
Dass dann das Gesetz sagt, okay, es hat hier Gewalt gegeben gegen die Mutter, dann muss man die beiden trennen. Und die Kinder muss man auch schützen, und die Kinder sollten dann keinen Umgang mit dem gewalttätigen Vater haben, und wenn, dann begleitet. Das gibt es zwar auch schon, begleiteten Umgang – das legt das Jugendamt fest –, aber das passiert eigentlich viel zu selten.
Deutschland liegt statistisch im Mittelfeld
Kupferberg: Also hier existiert offenbar eine Lücke im Gewaltschutz in Deutschland. Im internationalen und im europäischen Vergleich, wo steht denn Deutschland in Sachen häuslicher Gewalt?
Schmollack: Man sagt immer so Mittelfeld. Das ist aber immer sehr schwierig zu vergleichen. Es gibt internationale Studien, die genau das besagen, und eine interessante Studie, die ist von der europäischen Menschenrechtskommission, also die Fallstudie, die sagt, zum Beispiel, dass Schweden, unser Vorbildland in feministischen Dingen, dass Schweden da schlechter abschneidet als zum Beispiel Polen.
Das Problem dabei ist aber, dass Parameter, also dass abgefragt wurde nach häuslicher Gewalt, aber dass in Schweden zum Beispiel Anbrüllen oder Schubsen schon zu häuslicher Gewalt zählt und in Polen nicht. In Polen meinetwegen geht es um schwere körperliche Gewalt, da geht es vielleicht auch um Vergewaltigung, da geht es um Mord und Schläge, und da sagen dann die Frauen, ja, hat es gegeben, aber dieses Schubsen oder Anschreien, das wird dort gar nicht aufgeführt. Schweden führt es aber auf. Deshalb sind die Fälle in Schweden sehr viel mehr als in Polen – deshalb schneidet Schweden schlechter ab –, das ist total kurios.
Nicht nur Familienkonflikt, sondern auch gesellschaftliches Problem
Kupferberg: Es ist also ausdifferenzierter in der Definition. Häusliche Gewalt sei kein privates, sondern ein gesellschaftliches Problem schreiben Sie in Ihrem Buch. Warum?
Schmollack: Ja, also das glauben eben auch viele Betroffene, dass sie sagen, es ist ja irgendwie ein Familienkonflikt. Aber es gibt ja Gründe, warum Männer gewalttätig sind und warum Frauen auch teilweise gezwungen sind, in der Beziehung zu bleiben. Wenn sie zum Beispiel finanziell abhängig sind, wenn sie einen Migrationsstatus haben, der ihnen nicht erlaubt, diese Beziehung zu verlassen, weil sie dann zurückgewiesen werden in ihr Land, weil die Kinder da sind, weil das Umgangsrecht – darüber sprachen wir gerade schon – also vorgibt, dass der Vater die Kinder sehen muss. Deshalb ist es ein gesellschaftliches Problem.
Wenn wir auf die Täter schauen, das gibt ja auch einen Grund, warum die so sind. Eine Polizistin sagte mal, es gibt keine Gewalttätigen. Jeder Täter kann gewaltfrei sein oder gewaltfrei werden. Und da muss man mit den Tätern arbeiten. Und die Täterarbeit, die hat zwar einen hohen Stellenwert auf dem Papier, aber wenn wir in die Praxis schauen: es gibt zwar Täterberatungsstellen, die sind aber zu schlecht ausgestattet, und gerade eine hier in Berlin, der sind die Mittel komplett gestrichen worden. Da frage ich mich dann, gut, dann gibt es die Täter, das Problem ist erkannt, aber was sollen die machen. Alleine können sie sich nicht therapieren oder behandeln. Die müssen irgendwo hingehen, und das muss bezahlt werden.
Forderung nach mehr Täterberatungsstellen
Kupferberg: Das muss bezahlt werden, in der Tat, und dennoch zeigen Sie auch ein paar Angebote auf, die es dann doch gibt unter den wenigen. Es gibt auch tatsächlich, wie Sie schon sagten, Täterhilfe, Hilfe für Männer zum Beispiel, die Gewalt ausüben. Werden denn die wenigen Angebote, die es gibt, wahrgenommen?
Schmollack: Ja, die werden wahrgenommen. Die sind auch überlaufen, die Täterberatungsstellen. Man muss allerdings unterscheiden: Es gibt sogenannte Selbstmelder, also Männer, die einen Leidensdruck haben, die wissen, dass sie was Unrechtes getan haben, die das auch gar nicht wollen. Aber die sich nicht beherrschen können, wenn sie von der Arbeit kommen und der Chef war irgendwie blöd, und die sind unter Druck, sie standen im Stau und sind total aggressiv. Und dann ist der erste Mensch, der ihnen dann irgendwie begegnet, wenn sie zu Hause sind, die Frau oder es sind die Kinder, und dann geht es dann los.
Die wissen, dass das falsch ist, und die wollen lernen, damit umzugehen mit ihrer Aggression, mit ihrer Wut. Das sind die sogenannten Selbstmelder, die gehen dahin. Das ist aber nur ein kleiner Prozentsatz. Die meisten werden, wenn es also eine Polizeianzeige gab oder sie schon vor Gericht standen, vom Jugendamt geschickt oder vom Gericht, und die müssen dann dahingehen, und da sind auch natürlich welche dabei, die sagen, was soll ich denn hier, also ich bin ja hier beauflagt worden, hierher zu kommen, okay, dann mach ich das jetzt mal. Das ist auch ein Problem, also die Einsicht muss da sein.
Mediale Aufschreie - und dann ist das Thema wieder verschwunden
Kupferberg: Nachdem Sie sich nun so eingehend noch einmal mit diesem Thema häusliche Gewalt beschäftigt haben, Simone Schmollack, welches Fazit ziehen Sie aus alledem, und wo würden Sie gerne noch weiter graben und recherchieren?
Schmollack: Ich würde mir wünschen, wenn das Thema noch stärker in der Öffentlichkeit wäre. Es ist ja so, dass immer wieder über häusliche Gewalt, über Partnerschaftsgewalt gesprochen und geschrieben wird. Das ist dann manchmal ein Text in einer Zeitung, dann gibt es einen großen Aufschrei, es waren die Zahlen letztes Jahr, die BKA-Zahlen letztes Jahr im November, die gezeigt haben, wie hoch die häusliche Gewalt ist. Dann gibt es – und das ist kurzfristig – macht das Thema so eine Karriere, und dann ist es wieder weg.
Das ist im Journalismus so, ich weiß ja, wovon ich rede, und ich würde mir wünschen, dass es dauerhaft im Gespräch ist und dass auch die Beratungsstellen, die Frauenhäuser, dass sie ausreichend finanziert werden, denn das ist auch ein großes Problem: die sind komplett überlaufen, betroffene Frauen werden manchmal abgewiesen, weil sie gar nicht aufgenommen werden können. Da muss es so eine Art gesellschaftliches Umdenken oder weiterdenken geben. Dass es ein Problem ist, das ist bekannt, aber es muss weiter intensiv verfolgt werden.
Kupferberg: Das neue Buch der Journalistin und Buchautorin Simone Schmollack: Es heißt "Und er wird es wieder tun: Gewalt in der Partnerschaft", erschienen ist es im Westend Verlag, 240 Seiten, 18 Euro. Simone Schmollack, danke für Ihren Besuch bei uns hier in der "Lesart" im Deutschlandfunk Kultur!
Schmollack: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
(*) Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurden zwei Zahlen in einen falschen Bezug gesetzt. Nicht jede vierte Frau erlebt in Deutschland innerhalb eines Jahres Gewalt in der Partnerschaft, es sind laut BKA 100.000 Frauen pro Jahr.