Gretchen Dutschke: 1968. Worauf wir stolz sein dürfen
edition kursbuch, Hamburg 2018
224 Seiten, 22 Euro
Stolz auf die 68er
Sie erlebte die Studentenbewegung an der Seite Rudi Dutschkes. Nach dessen Tod ging Gretchen Dutschke zurück in ihre Heimat USA – um der Traurigkeit zu entkommen. Ihr Buch "Worauf wir stolz sein dürfen" ist dem geistigen Erbe ihres Mannes gewidmet – 50 Jahre nach 1968.
Als sie Anfang der 60er-Jahre in den USA einen Frachter bestieg, um nach Europa zu reisen, trieb sie die Neugier, die Welt zu entdecken, und sie wollte ihrer evangelikalen Familie entfliehen. Dabei konnte die junge Frau, die damals noch Gretchen Klotz hieß, nicht ahnen, welche schicksalhafte Begegnung auf sie wartete.
An der Seite des charismatischen Studentenführers
In Berlin lernte sie Rudi Dutschke kennen. Als verheiratete Gretchen Dutschke erlebte die Amerikanerin die Hochphase der Studentenbewegung an der Seite des charismatischen Studentenführers. Sie studierte damals Theologie und erinnert sich, dass die Frauen von den linken Aktivisten nicht gerade ernst genommen wurden:
"Also ich habe erlebt, dass Frauen, die überhaupt wagten etwas zu sagen, ausgelacht wurden. Also das fand ich unverschämt. Und was die Frauen sagten, fand ich gut. Aber die Frauen wurden nicht wahrgenommen, also sie sollten nur schön sein und vielleicht Kaffee machen oder auch tippen."
Dass der Protest gegen eine verkrustete Gesellschaft bei vielen Menschen in Deutschland Ängste, ja geradezu Aggressionen auslöste, musste sie auf bittere Weise erfahren.
Hass gegen ihren Mann als bittere Erfahrung
"Im Gespräch" erzählt die heute 76-Jährige wie Rudi Dutschke in einer Kirche zusammen geschlagen wurde, weil er ein Plakat hochhielt, das die Besucher eines Weihnachtsgottesdienstes an den Vietnamkrieg erinnern sollte:
"Die waren überhaupt nicht bereit an das Leid der Menschen auf der anderen Seite der Welt zu denken. Und dann kam ein Mann, er war ein Kriegsveteran und er hat Rudi so blutig geschlagen, dass er ins Krankenhaus musste."
Der Hass auf ihn ging so weit, dass Rudi Dutschke am 11. April 1968 von einem Mann niedergeschossen wurde. Er überlebte knapp. Das erste Kind der Dutschkes war damals gerade mal drei Monate alt. Die Familie zog nach Dänemark.
"Der eine Grund war, dass wir natürlich unheimlich viele Drohungen bekommen haben. Also hunderte von Drohbriefen, die sagten, schade, dass Ihr nicht tot seid. Wir bringen Euch um."
Zehn Jahre hatte das Ehepaar noch zusammen. Doch als Gretchen Dutschke mit dem dritten Kind schwanger war, starb ihr Mann an den Spätfolgen des Attentats.
"Ich kam aus der Traurigkeit nicht heraus"
Die Witwe beschloss nach einiger Zeit, zurück in die USA zu gehen:
"Irgendwie kam ich aus der Traurigkeit nicht heraus. Ich konnte zwar alles machen in Dänemark, also die finanzielle Situation war ganz gut und mit den Kindern war es gut. Aber ich war sehr deprimiert irgendwie seit Rudi gestorben war. Und ich hatte das Gefühl, ich muss neu anfangen, damit ich einen neuen Sprung machen könnte. Und deswegen habe ich mich entschieden nach Amerika zu gehen."
Rudi Dutschke hat sie dennoch ihr ganzes weiteres Leben begleitet. 1996 veröffentlichte sie seine Biografie. Und auch ihr neuestes Buch "Worauf wir stolz sein dürfen" widmet sie dem geistigen Erbe ihres Mannes:
"Inzwischen sind 50 Jahre vorbei gegangen und es gibt viele Menschen, die einfach nichts mehr wissen und dann kommt nur dieses negative Zeug."
Gretchen Dutschkes findet, dass Deutschlands Demokratie den 68ern bis heute sehr viel zu verdanken habe und die Beteiligten von damals allem Grund hätten stolz darauf zu sein.