Vater des deutschen Free-Jazz wird 80
Der Multi-Instrumentalist Gunter Hampel bricht immer wieder zu neuen Ufern auf. Die Musiker seiner aktuellen Band könnten seine Enkel sein. Er war Mitbegründer der Jazz-HipHop-Band "Jazzkantine". Als er als junger Musiker keine akzeptable Plattenfirma fand, hatte er eine geniale Idee.
Gunter Hampel: "Ich habe als Jazzmusiker gelernt – Freiheit gibt dir keiner, die musst du dir nehmen!"
Sagt einer der konsequentesten und individuellsten Jazzmusiker, den es je in Deutschland gegeben hat: Gunter Hampel. Seit Jahrzehnten bricht der Multi-Instrumentalist zu neuen musikalischen Ufern auf. Als in Deutschland in den 60er-Jahren fast alle Jazzmusiker noch Swing oder Bebop spielten, ließ Hampel sämtliche Konventionen sausen und spielte Sachen, die man so bislang noch nie gehört hatte.
Gunter Hampels Album "Heartplants" von 1965 gilt als Keimzelle der europäischen Jazz-Emanzipation und ist bis heute ein begehrtes Sammlerobjekt. Darauf zu hören ist u.a. ein damals noch völlig unbekannter Pianist namens Alexander von Schlippenbach. Hampel wurde mit "Heartplants" auch in den USA wahrgenommen.
"In Amerika ist das so: da kommt immer einer aus Europa und spielt genauso gut wie der. Und dann finden alle Kritiker ihn gut, aber die Musiker sagen: Er kopiert uns ja nur."
Gründung eines eigenen Labels
Gunter Hampel kopierte nicht. Er ging seinen eigenen Weg. Aber, sagt Gunter Hampel, wenn man neue Musik in die Welt setzt, dann habe man es auch deutlich schwerer. Von vielen für seine eigenständige Musik hochgelobt, hatte allerdings keine akzeptable Plattenfirma den Mut, Hampels progressive Aufnahmen zu veröffentlichen. Deswegen – und ermutigt von berühmten Kollegen wie Duke Ellington oder Charles Mingus - gründete Hampel sein Label "Birth Records", auf dem seit 1969 um die 120 Alben erschienen sind, die meisten unter eigenem Namen.
"Wir sind eigentlich die Generation von Jazzmusikern, die auch selber zu Produzenten werden mussten, weil wir ja nicht nur das wiederkauten oder wieder neu auflegten, was vorher schon mal da war, sondern wir haben neue Musik in die Welt gesetzt."
Mehrfach wurde Hampel in den USA als Vibraphonist des Jahres gewählt. Auch auf seinen beiden anderen Instrumenten – der Flöte und der Bassklarinette - vollbrachte er Erstaunliches. Lange Zeit unzertrennlich an seiner Seite: die afroamerikanische Sängerin Jeanne Lee, die er später heiratete und mit der er unter anderem das Duoformat im Jazz völlig neu interpretierte.
"Time is Now" - Gunter Hampel mit John McLaughlin, 1968:
Sanft und kompromisslos
Auch wenn Gunter Hampel oft dem Free Jazz zugeordnet wird: Was er mit seinen musikalischen Konzepten verfolgt, hat nichts mit Provokation oder mit "Kaputtspielen" zu tun. Hampel ist bei aller Radikalität und Kompromisslosigkeit auch sanft und äußerst feinsinnig. Hampel möchte die Welt aber ein wenig bunter machen und seine Musik sei durchaus herausfordernd und komplex.
"Ich will jetzt nicht sagen, ich bin der Größte – aber ich habe ein ganz schön hohes Level. Meine Musik verlangt schon das Äußerste des Äußersten von einem Musiker, das überhaupt zu spielen. Mit anderen Worten: Du musst von dir aus überhaupt schon Musik gestalten können, dass du überhaupt mitmachen kannst. Kinder können das eher als die ausgebildeten Musiker, die von den Hochschulen kommen, denn die sind festgelegt auf diese ganzen Licks."
In den 90er-Jahren feierte Hampel große Erfolge als Gründungsmitglied der deutschen Jazz-HipHop-Band "Jazzkantine" und war mit einmal sogar auf MTV zu sehen. Mit Sprache habe er auch schon vorher gearbeitet, sagte Hampel damals, es ging nicht darum sich anzubiedern.
Bis heute arbeitet der Unruhegeist immer wieder mit Rappern, Sängern, Breakdancern und Tänzern zusammen, kommuniziert auf diese Art und Weise mit nachfolgenden Generationen. Die Musiker seiner aktuellen Band könnten alle seine Enkel sein. Aber dem großen Visionär geht es nicht nur um den Dialog zwischen den Generationen, er hat mit seiner Musik immer schon etwas Größeres vorgehabt. Ganz wichtig: Er will die Menschen mit seiner Musik glücklich machen. Im Jazz finde er die Summierung unglaublicher Energien.
"Die Welt braucht so etwas, der Welt fehlt das. Darum ist diese Welt so ein Gleichmaß geworden. Schrecklich. Und wir wollen diese Energie, die in der Jazzmusik steckt, gerne allen Menschen zugänglich machen."