Harmloser erster Fall
Mäßig spannender Auftakt zu Martin Suters neuer Krimi-Serie: Ein Hochstapler verpulvert das väterliche Erbe und macht sich auf die Suche nach neuen Einnahmequellen, um seine teuren Hobbys zu finanzieren.
Es ist eine der Stärken des schweizer Bestsellerautors Martin Suter, dass er seine Figuren oft schon durch kleinste Details zu charakterisieren vermag. So hat der gut 40-jährige Held des neuesten Romans, der den Auftakt zu einer Krimi-Serie bildet, seinen Namen auf bezeichnende Weise verändert. Geboren als Hans Fritz von Allmen, nennt er sich Johann Friedrich von Allmen und lässt auf seiner Visitenkarte das gravitätische "von" zu einem scheinbar bescheidenen "v." schrumpfen.
Dass dieser Held, der das Millionenerbe seines Vaters verpulvert hat und dringend neue Einnahmequellen benötigt, ein Hochstapler ist, sieht man also auf den ersten Blick. Wer so geschickt mit den Zeichen von Reichtum und Grandezza spielt und Bonität selbst dann noch vortäuschen kann, wenn der Durchschnittsbürger nicht einmal mehr einen Kleinkredit bekäme, will sein Leben nicht mit schnöder Arbeit fristen. Doch Allmen braucht Geld. Er hat eine Menge "offener Posten", wie er seine Schulden vornehm nennt, nicht nur bei Carlos, seinem aus Guatemala stammenden Butler. Die ersten Gläubiger beginnen an seiner Liquidität zu zweifeln, allen voran ein Antiquitätenhändler namens Dörig.
Die väterliche Villa hat Allmen längst an eine Treuhand-Firma verkauft, immerhin mit der Klausel, im Gärtnerhaus lebenslanges Wohnrecht zu haben. Dort hat er alles untergebracht, was ihm wichtig ist: seine Bibliothek, seine High-Tech-Hi-Fi-Anlage, seinen Bechstein-Flügel. Auch das Opernpremieren-Abonnement gehört zu den unverzichtbaren Lebensnotwendigkeiten. Bei einer Madame-Butterfly-Premiere begegnet ihm die zwar nicht besonders schöne, wohl aber reiche und sexuell zupackende Millionärstochter Joelle. Durch sie bekommt er Zugang zu einer Sammlung kostbarer Jugendstil-Schalen mit Libellenmotiv ihres Vaters. Sie sind die fiktiven Duplikate jener Schalen des berühmten Émile Gallé, die am 27. Oktober 2004 bei einem Einbruch im Château Gingins tatsächlich aus einer Ausstellung gestohlen wurden.
Allmen lässt sich in seiner Not dazu hinreißen, die Schalen zu entwenden. Er wäre kaltblütig erschossen worden, hätte die Schnalle seines Hosen-trägers die Kugel nicht abgelenkt. Doch für den Helden, der mit seinem Butler Carlos schließlich als Ermittler-Duo in Serie gehen soll, geht die Sache gut aus. Am Ende hat er sogar eine Geschäftsidee: Er will sich fortan der Wiederbeschaffung verlorener Dinge widmen.
Als käme er vor lauter Vorsicht, seinen Helden nur ja keine Option für die Zukunft zu verbauen, erst gar nicht richtig in Fahrt, scheint Martin Suter seinen Roman in Watte zu packen. "Allmen und die Libellen" ist erstaunlich spannungslos. Selbst seine Sprache wirkt matt und ein wenig abgegriffen. Das graue Licht einer stillstehenden Morgendämmerung, das er am Anfang evoziert, schwebt beständig über ihm.
Der Roman ist seinem Adoptivsohn Toni gewidmet, der 2009 bei einem Unfall ums Leben kam. Er wolle seinen Schmerz auf keinen Fall zu Literatur werden lassen, hat er in einem Interview bekannt. Die Harmlosigkeit von Allmens erstem Fall hat vermutlich damit zu tun.
Besprochen von Meike Feßmann
Martin Suter: Allmen und die Libellen
Diogenes Verlag, Zürich 2011
195 Seiten, 18,90 Euro
Dass dieser Held, der das Millionenerbe seines Vaters verpulvert hat und dringend neue Einnahmequellen benötigt, ein Hochstapler ist, sieht man also auf den ersten Blick. Wer so geschickt mit den Zeichen von Reichtum und Grandezza spielt und Bonität selbst dann noch vortäuschen kann, wenn der Durchschnittsbürger nicht einmal mehr einen Kleinkredit bekäme, will sein Leben nicht mit schnöder Arbeit fristen. Doch Allmen braucht Geld. Er hat eine Menge "offener Posten", wie er seine Schulden vornehm nennt, nicht nur bei Carlos, seinem aus Guatemala stammenden Butler. Die ersten Gläubiger beginnen an seiner Liquidität zu zweifeln, allen voran ein Antiquitätenhändler namens Dörig.
Die väterliche Villa hat Allmen längst an eine Treuhand-Firma verkauft, immerhin mit der Klausel, im Gärtnerhaus lebenslanges Wohnrecht zu haben. Dort hat er alles untergebracht, was ihm wichtig ist: seine Bibliothek, seine High-Tech-Hi-Fi-Anlage, seinen Bechstein-Flügel. Auch das Opernpremieren-Abonnement gehört zu den unverzichtbaren Lebensnotwendigkeiten. Bei einer Madame-Butterfly-Premiere begegnet ihm die zwar nicht besonders schöne, wohl aber reiche und sexuell zupackende Millionärstochter Joelle. Durch sie bekommt er Zugang zu einer Sammlung kostbarer Jugendstil-Schalen mit Libellenmotiv ihres Vaters. Sie sind die fiktiven Duplikate jener Schalen des berühmten Émile Gallé, die am 27. Oktober 2004 bei einem Einbruch im Château Gingins tatsächlich aus einer Ausstellung gestohlen wurden.
Allmen lässt sich in seiner Not dazu hinreißen, die Schalen zu entwenden. Er wäre kaltblütig erschossen worden, hätte die Schnalle seines Hosen-trägers die Kugel nicht abgelenkt. Doch für den Helden, der mit seinem Butler Carlos schließlich als Ermittler-Duo in Serie gehen soll, geht die Sache gut aus. Am Ende hat er sogar eine Geschäftsidee: Er will sich fortan der Wiederbeschaffung verlorener Dinge widmen.
Als käme er vor lauter Vorsicht, seinen Helden nur ja keine Option für die Zukunft zu verbauen, erst gar nicht richtig in Fahrt, scheint Martin Suter seinen Roman in Watte zu packen. "Allmen und die Libellen" ist erstaunlich spannungslos. Selbst seine Sprache wirkt matt und ein wenig abgegriffen. Das graue Licht einer stillstehenden Morgendämmerung, das er am Anfang evoziert, schwebt beständig über ihm.
Der Roman ist seinem Adoptivsohn Toni gewidmet, der 2009 bei einem Unfall ums Leben kam. Er wolle seinen Schmerz auf keinen Fall zu Literatur werden lassen, hat er in einem Interview bekannt. Die Harmlosigkeit von Allmens erstem Fall hat vermutlich damit zu tun.
Besprochen von Meike Feßmann
Martin Suter: Allmen und die Libellen
Diogenes Verlag, Zürich 2011
195 Seiten, 18,90 Euro