Die Schwangere Auster feiert 60. Geburtstag
Der filigrane Bau erinnert an eine aufgeklappte Muschel und bekam deshalb den Spitznamen "Schwangere Auster": Die Berliner Kongresshalle, die am 26. April 1958 von den USA an den Senat übergeben wurde, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.
"Die Architektur ist schon herausfordernd auf der einen Seite, aber gleichzeitig von einer ungeheuren Kraft. Ein Gebäude, das an zwei dünnen Balken hängt, an dem ein hauchdünnes Dach als Haut hängt, das ist eine Architektur gewesen, die in ganz Europa revolutionär war. Das muss man sich erstmal trauen. Und dann überhaupt keine senkrechte Stütze außen, das muss man sich auch trauen. Das war in gewisser Weise ein Symbol des Kalten Krieges, war ja ein Geschenk der Vereinigten Staaten an die Stadt Berlin."
Gemeint ist die Kongresshalle – wie sie damals hieß. Oder das Haus der Kulturen der Welt – wie es heute heißt. Oder die Schwangere Auster – wie das muschelförmige Gebäude im Volksmund heißt – angeblich. Mit dem Namen können jedenfalls nicht allzu viele Menschen am Berliner Hauptbahnhof etwas anfangen, obwohl das Gebäude, um das es geht, nur etwa 500 Meter entfernt steht.
"Schwangere Auster, nein." "Irgendwie so ein Gebäude." "Ein Musikgebäude irgendwas." "Eine Muschelform, ne, komme ich jetzt nicht drauf." "Weiß ich nicht." "Schwangere Auster ist ein Ausdruck für und, ja, aber was das genau ist, keine Ahnung." "Ist doch bestimmt ein Lokal oder sowas oder so ein Treff oder sowas." "Also ich glaube, das Haus der Kulturen oder sowas ähnliches." "Haus der Kulturen, kennen wir Taxifahrer alle."
Gemeint ist die Kongresshalle – wie sie damals hieß. Oder das Haus der Kulturen der Welt – wie es heute heißt. Oder die Schwangere Auster – wie das muschelförmige Gebäude im Volksmund heißt – angeblich. Mit dem Namen können jedenfalls nicht allzu viele Menschen am Berliner Hauptbahnhof etwas anfangen, obwohl das Gebäude, um das es geht, nur etwa 500 Meter entfernt steht.
"Schwangere Auster, nein." "Irgendwie so ein Gebäude." "Ein Musikgebäude irgendwas." "Eine Muschelform, ne, komme ich jetzt nicht drauf." "Weiß ich nicht." "Schwangere Auster ist ein Ausdruck für und, ja, aber was das genau ist, keine Ahnung." "Ist doch bestimmt ein Lokal oder sowas oder so ein Treff oder sowas." "Also ich glaube, das Haus der Kulturen oder sowas ähnliches." "Haus der Kulturen, kennen wir Taxifahrer alle."
Ein Interface zwischen Berlin und der Welt
Also das Haus der Kulturen der Welt. Am Rande des großen Tiergartens, direkt an der Spree. Ein luftiger Bau mit einem hängenden Dach zwischen zwei großen weit nach vorne überstehenden Rundbögen. Intendant Bernd Scherer geht durch die weitläufige helle Halle mit der geschwungenen Treppe zwischen lärmenden Kindern, die heute hier zu Besuch sind, weil das Haus auch einen Teil der Berliner Filmfestspiele beherbergt.
"Ich verstehe das Haus heute als Interface zwischen der Stadt Berlin und der Welt. Als ein Ort, wo kulturelle Produktionen, Themen, die einerseits global sind und sich andererseits in einer Stadt wie Berlin reflektieren, thematisiert werden. Das geht von Stadtentwicklung, sozialer Wohnungsbau, was ja ein Thema weltweit ist, bis hin zu Fragen von Flucht und auch Identitätsfragen innerhalb der Gesellschaft, die uns heute alle bedrängen."
"Ich verstehe das Haus heute als Interface zwischen der Stadt Berlin und der Welt. Als ein Ort, wo kulturelle Produktionen, Themen, die einerseits global sind und sich andererseits in einer Stadt wie Berlin reflektieren, thematisiert werden. Das geht von Stadtentwicklung, sozialer Wohnungsbau, was ja ein Thema weltweit ist, bis hin zu Fragen von Flucht und auch Identitätsfragen innerhalb der Gesellschaft, die uns heute alle bedrängen."
Dazu gibt es dann Lesungen und Filmvorführungen, Ausstellungen, Workshops, Vorträge und Diskussionen.
Ein Haus für interkulturelle Beziehungen war die Kongresshalle von Anfang an – zunächst für die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA: Konzipiert von einem amerikanischen Architekten, zum Teil erbaut mit amerikanischem Geld, fertiggestellt 1957, übergeben an die Stadt Berlin im April 1958. Ein auffällig und architektonisch herausragendes Gebäude im Berliner Tiergarten auf West-Berliner Seite - aber dicht an der Grenze zu Ost-Berlin und von dort gut sichtbar. Das war kein Zufall, sagt Bernd Scherer.
Ein Symbol für den freien Westen
"Das war richtig gegen den Osten gebaut. Das Haus war ja damals Teil dieser Internationalen Bauausstellung, zu der auch das Hansaviertel gehörte, und dieses Gesamtprojekt war ein Gegenprojekt zur damaligen Stalinallee im Osten der Stadt. Also wirklich in jeder Hinsicht dazu angetan, den Ostteil zu ärgern."
Die USA erklärten die Kongresshalle anlässlich der Eröffnung zu einem Symbol des freien Westens. Franz Amrehn, der damalige Bürgermeister von West Berlin, konnte da nur zustimmen:
"In der Nähe der Sektorengrenze kündet dieses Haus unseren Landsleuten im östlichen Berlin und in der Zone draußen von unserer Gewissheit, dass in dieser Stadt die Gesinnung eines freiheitlichen Geistes lebendig bleiben wird."
Im eingemauerten West-Berlin waren Kongresse eine Art Überlebenshilfe, die Kongresshalle ein Zeichen für eine lebendige Stadt. Innen orientiert sich das Gebäude an den Vereinten Nationen, in allen Sälen gab es Dolmetscherkabinen. Auch der Bundestag sollte hier tagen können. Im April 1965 fand eine einzige Sitzung statt, was für erhebliche politische Spannungen sorgte. Die damalige Sowjetunion betrachtete diese Tagung als eklatanten Bruch des Vier-Mächte-Status, weil der Westteil Berlins nicht zur Bundesrepublik gehöre. Als Reaktion darauf donnerten am Tag der Sitzung sowjetische Tiefflieger über der West-Berliner City, außerdem wurde der Transitverkehr von und nach West-Berlin massiv behindert. Dennoch fand die Sitzung wie geplant statt:
"Das Recht des deutschen Bundestags in Berlin zu tagen ist unantastbar."
Die USA erklärten die Kongresshalle anlässlich der Eröffnung zu einem Symbol des freien Westens. Franz Amrehn, der damalige Bürgermeister von West Berlin, konnte da nur zustimmen:
"In der Nähe der Sektorengrenze kündet dieses Haus unseren Landsleuten im östlichen Berlin und in der Zone draußen von unserer Gewissheit, dass in dieser Stadt die Gesinnung eines freiheitlichen Geistes lebendig bleiben wird."
Im eingemauerten West-Berlin waren Kongresse eine Art Überlebenshilfe, die Kongresshalle ein Zeichen für eine lebendige Stadt. Innen orientiert sich das Gebäude an den Vereinten Nationen, in allen Sälen gab es Dolmetscherkabinen. Auch der Bundestag sollte hier tagen können. Im April 1965 fand eine einzige Sitzung statt, was für erhebliche politische Spannungen sorgte. Die damalige Sowjetunion betrachtete diese Tagung als eklatanten Bruch des Vier-Mächte-Status, weil der Westteil Berlins nicht zur Bundesrepublik gehöre. Als Reaktion darauf donnerten am Tag der Sitzung sowjetische Tiefflieger über der West-Berliner City, außerdem wurde der Transitverkehr von und nach West-Berlin massiv behindert. Dennoch fand die Sitzung wie geplant statt:
"Das Recht des deutschen Bundestags in Berlin zu tagen ist unantastbar."
Auch John F. Kennedy trat in der Kongresshalle auf
Weil die Westalliierten aber keine Konfrontation wollten, erhoben sie bei der Bundesregierung Einspruch gegen weitere Sitzungen des Bundestags in West-Berlin. Es blieb also bei dieser ersten und zugleich letzten Bundestagssitzung in der Kongresshalle.
Dafür war John F. Kennedy zu Gast. Bernd Scherer steht im großen Auditorium, mit 1200 Plätzen, türkisblaue Sessel, helle Hölzer an den Wänden, neu aufgearbeitet, hier steht alles unter Denkmalschutz:
"Das ist ein Ort mit einer großen Vergangenheit, hier hat zum Beispiel 1963 John F. Kennedy auf seiner letzten Reise nach Berlin seine letzte Rede gehalten, bevor er dann zurück in die USA gefahren ist und dort ermordet wurde."
Dafür war John F. Kennedy zu Gast. Bernd Scherer steht im großen Auditorium, mit 1200 Plätzen, türkisblaue Sessel, helle Hölzer an den Wänden, neu aufgearbeitet, hier steht alles unter Denkmalschutz:
"Das ist ein Ort mit einer großen Vergangenheit, hier hat zum Beispiel 1963 John F. Kennedy auf seiner letzten Reise nach Berlin seine letzte Rede gehalten, bevor er dann zurück in die USA gefahren ist und dort ermordet wurde."
Ganz anders in die Schlagzeilen geriet das Haus im Mai 1980, als der südliche Betonbogen des Dachs abbrach.
"Hier ist der Sender Freies Berlin mit Nachrichten. Im Berliner Tiergarten ist am Vormittag kurz vor elf Uhr aus bisher ungeklärter Ursache ein Teil der Kongresshalle eingestürzt: Das rummste und rieselte und dann sind wir alle raus. – Die hohe Kragung, die Brüstung, die sich hochschwang an der Frontseite dieser Halle fast bis zum Dach, diese Brüstung ist heruntergedonnert, 30 Meter ungefähr und hat den Eingang erschlagen."
Im Mai 1980 stürzt ein Teil des Gebäudes ein
Ein Mensch kam bei dem Unglück ums Leben, fünf weitere wurden verletzt - in der Halle tagte gerade der Maklerverband. Ob die ungewöhnliche Architektur die Ursache des Einsturzes war oder ob die Idee des Architekten nur mangelhaft ausgeführt worden war, darüber wurde lange spekuliert. Gerade erst öffentlich zugänglich geworden ist die Fotodokumentation der Baufirma, der Philipp Holzmann AG. Björn Berghausen, verwahrt diese Bilder jetzt im Berlin-Brandenburgischen Wirtschaftsarchiv und zeigt auf ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem zu sehen ist, wie Arbeiter die Holzkonstruktion errichten:
"Man sieht hier auf dem Bild auch den äußeren Bogen, wie die Verschalung vorbereitet wird, man sieht aber auch, dass es einen inneren Bogen gibt. Also das ist der innere Ring des Auditoriums, auf dem ein Teil des Dachs liegt. Also man muss sich das vorstellen wie einen Gartenstuhl mit einer Stoffsitzfläche, den man aufspannt und der hört dann irgendwann auf, der ist dann fest, weil der Stoff die beiden Bügel zusammenhält. Und genau so funktionieren die beiden Bögen der Kongresshalle, wobei in der Mitte natürlich kein Stoff ist, sondern Beton."
"Man sieht hier auf dem Bild auch den äußeren Bogen, wie die Verschalung vorbereitet wird, man sieht aber auch, dass es einen inneren Bogen gibt. Also das ist der innere Ring des Auditoriums, auf dem ein Teil des Dachs liegt. Also man muss sich das vorstellen wie einen Gartenstuhl mit einer Stoffsitzfläche, den man aufspannt und der hört dann irgendwann auf, der ist dann fest, weil der Stoff die beiden Bügel zusammenhält. Und genau so funktionieren die beiden Bögen der Kongresshalle, wobei in der Mitte natürlich kein Stoff ist, sondern Beton."
Letztlich haben die Firmen den Bau nicht ganz genau so ausgeführt, wie der Architekt geplant hatte. Es drang Wasser ein, Eisenverstrebungen rosteten durch und das Dach stürzte ein. Andere Architekten hatten sich zu diesem Zeitpunkt von dem Entwurf längst inspirieren lassen. Die zur Internationalen Bauausstellung entstandene Kongresshalle gilt als ein architektonischer Meilenstein bis heute, meint Björn Berghausen:
"Den Beginn der zweiten Nachkriegsmoderne, wie man so schön sagt, setzt man eigentlich mit der Interbau an. ´Seht mal, was man mit dem schweren Werkstoff Beton eigentlich noch machen kann, der schwebt.` Die Leute haben sich danach getraut, auch die Architekten, luftiger zu bauen, was der Architektur auch gut bekommen ist."
Ein Ort für interkulturelle Begegnungen
Ob das Gebäude nun nach dem teilweisen Einsturz wieder aufgebaut werden sollte oder nicht, wurde lange in Berlin diskutiert. Es fehlte ein Nutzungskonzept. Für Kongresse gab es inzwischen das riesige ICC, das Internationale Congress Centrum. Die oppositionelle Alternative Liste wollte die Ruine deshalb einfach weiter vergammeln lassen. CDU-Senator Volker Hassemer plädierte für Wiederaufbau:
"Ich bin sehr erstaunt, dass jetzt plötzlich wieder so eine Abrisslust entsteht. Dieses Haus ist eben für eine relativ geringe Summe wieder funktionsfähig zu machen. Dass wir aktuelle Entwicklungen im Bereich der Kultur in dieses Haus hineinlassen wollen, wie es ja auch in der Vergangenheit immer war, etwa im Bereich der Literatur, Lesungen, Präsentationen, vielleicht auch kleine Ausstellungen, bis hin zur Musik."
Und so kam es schließlich auch. Die Kongresshalle wurde wieder aufgebaut und Ende der 80er-Jahre in Haus der Kulturen der Welt umbenannt. Inzwischen ist es ein Haus für vorwiegend jüngere Berliner aus West und Ost, betont Intendant Bernd Scherer:
"Wir hatten jetzt gerade ein Projekt zum Kalten Krieg und der Rolle der CIA im Kalten Krieg, und da kamen auch sehr viele der älteren Generation aus Ost-Berlin hierher. Für die jüngere Generation spielt diese Ost/West-Sache keine Rolle mehr. Ich denke, für Leute unter 50 ist es das Haus der Kulturen der Welt."
Und nicht die schwangere Auster, obwohl das Bernd Scherer schon fast ein bisschen schade findet:
"Die ja in sich, wie wir alle wissen, Perlen trägt. Und deshalb ist das eigentlich ein wunderbares Bild für den Ort."
"Ich bin sehr erstaunt, dass jetzt plötzlich wieder so eine Abrisslust entsteht. Dieses Haus ist eben für eine relativ geringe Summe wieder funktionsfähig zu machen. Dass wir aktuelle Entwicklungen im Bereich der Kultur in dieses Haus hineinlassen wollen, wie es ja auch in der Vergangenheit immer war, etwa im Bereich der Literatur, Lesungen, Präsentationen, vielleicht auch kleine Ausstellungen, bis hin zur Musik."
Und so kam es schließlich auch. Die Kongresshalle wurde wieder aufgebaut und Ende der 80er-Jahre in Haus der Kulturen der Welt umbenannt. Inzwischen ist es ein Haus für vorwiegend jüngere Berliner aus West und Ost, betont Intendant Bernd Scherer:
"Wir hatten jetzt gerade ein Projekt zum Kalten Krieg und der Rolle der CIA im Kalten Krieg, und da kamen auch sehr viele der älteren Generation aus Ost-Berlin hierher. Für die jüngere Generation spielt diese Ost/West-Sache keine Rolle mehr. Ich denke, für Leute unter 50 ist es das Haus der Kulturen der Welt."
Und nicht die schwangere Auster, obwohl das Bernd Scherer schon fast ein bisschen schade findet:
"Die ja in sich, wie wir alle wissen, Perlen trägt. Und deshalb ist das eigentlich ein wunderbares Bild für den Ort."