Ilija Trojanow: "verwurzelt in Stein. Gedichte"
Aus dem Englischen von José F. A. Oliver u. a. Wunderhorn. Heidelberg2017
56 Seiten, 17,80 Euro
Poetischer Reiseführer des Schreckens
Ilija Trojanow hat sein lyrisches Debüt "verwurzelt in stein" vorgelegt. Seine Gedichte entführen uns an Orte wie Kapstadt, Angkor Wat oder Phnom Pen - wo einst Gewalt und Grauen herrschte.
Kapstadt, Angkor Wat, Phnom Penh, Mina in Saudi-Arabien – Ilija Trojanow ist auch in seinem lyrischen Debüt ein "Weltensammler". Seine Gedichte entführen uns an Orte, deren Blüte- und Schreckenszeit "verwurzelt in Stein" vor dem Besucher liegt. Hier hat sich Trojanow inspirieren lassen, hat Geschichte und Geschichten kurzgeschlossen zu Gedanken im Zeilenfall wie die vom Reiseführer, der ihm in Kambodscha die "Killing Fields" zeigt, wo die Roten Khmer in den 1970-er Jahren an die Hunderttausend Menschen ermordet haben:
Wolle sehen Leichenfelder, mista?
Kriege billig bei mir, mista!
Tod billig?
Kluge brechen keine Knochen.
Nur Kopf oder Zahl.
Der groteske Kontrast zwischen dem radebrechenden Reiseführer und dem, was er feilbietet, soll das unfassbare Grauen steigern. Fühlt sich Trojanow von Erhabenem berührt, wie in seinem Kapstadtgedicht, das den Band eröffnet, malt er große Bilder:
Schließ die Augenlider, Fremder,
schenk mir Zuflucht in deiner Träne.
Wo Knochen verstreut herumliegen,
kriecht die Küste ins Gebet.
Wolle sehen Leichenfelder, mista?
Kriege billig bei mir, mista!
Tod billig?
Kluge brechen keine Knochen.
Nur Kopf oder Zahl.
Der groteske Kontrast zwischen dem radebrechenden Reiseführer und dem, was er feilbietet, soll das unfassbare Grauen steigern. Fühlt sich Trojanow von Erhabenem berührt, wie in seinem Kapstadtgedicht, das den Band eröffnet, malt er große Bilder:
Schließ die Augenlider, Fremder,
schenk mir Zuflucht in deiner Träne.
Wo Knochen verstreut herumliegen,
kriecht die Küste ins Gebet.
Poetisches Plädoyer für die Vielfalt
Trojanow, der seinen bislang größten Erfolg mit einer Art Reiseliteratur im Stil eines Abenteuerromans gefeiert hat, erhält in diesem Jahr den Heinrich-Böll-Preis: "Kaum ein anderer hiesiger Schriftsteller setzt das politische Engagement von Heinrich Böll so konsequent und literarisch ambitioniert fort wie Ilija Trojanow", begründet die Jury ihre Entscheidung im 100. Geburtsjahr des Kölner Literaturnobelpreisträgers. Wenig überraschend, dass Trojanow diesen Ehrgeiz auch in der Lyrik verspürt. In seinem poetischen Plädoyer für die Vielfalt zum Beispiel personifiziert Trojanow Orchesterinstrumente, die in einem emanzipatorischen Akt den Dirigenten entführt haben, denn "diese Zwangsvorstellung / nur er hätte den Takt anzugeben, / überzeugte uns nie".
Leider überzeugt uns diese Auswahl der Gedichte nicht. Das liegt nicht nur an den zum Teil fragwürdigen Übersetzungen – Trojanow dichtet auf Englisch.
Das Problem vieler dieser Texte ist, dass sie gleichzeitig zu viel und zu wenig anbieten. Zu wenig, weil beispielsweise ein Gedicht, das die Stille preist, schon Enormes leisten muss, um zweihundert Jahre nach Keats‘ berühmten Zeilen "Heard melodies are sweet, but those unheard / Are sweeter" nicht wie der x-te Aufguss eines romantischen Topos zu klingen. Zu viel, weil geschichtsträchtige Orte in sich schon ein mächtiges poetisches Potenzial haben. Trojanow lädt die Atmosphäre aber oft noch einmal sprachlich auf und überfrachtet auf diese Weise das Gedicht:
Er war hier
unter diesen Balken,
wo die Schüler nach Klarheit schürften,
eine wortgeschliffene Seite vom Himmel entfernt.
Große Lyrik wird nicht aus großen Worten gemacht.
Das Problem vieler dieser Texte ist, dass sie gleichzeitig zu viel und zu wenig anbieten. Zu wenig, weil beispielsweise ein Gedicht, das die Stille preist, schon Enormes leisten muss, um zweihundert Jahre nach Keats‘ berühmten Zeilen "Heard melodies are sweet, but those unheard / Are sweeter" nicht wie der x-te Aufguss eines romantischen Topos zu klingen. Zu viel, weil geschichtsträchtige Orte in sich schon ein mächtiges poetisches Potenzial haben. Trojanow lädt die Atmosphäre aber oft noch einmal sprachlich auf und überfrachtet auf diese Weise das Gedicht:
Er war hier
unter diesen Balken,
wo die Schüler nach Klarheit schürften,
eine wortgeschliffene Seite vom Himmel entfernt.
Große Lyrik wird nicht aus großen Worten gemacht.