Gemeinschaftsgefühl in Deutschland reaktivieren
Schon lange bereitet die Initiative kulturelle Integration eine Debatte zum Zusammenleben in Deutschland vor. Die Leitkultur-Thesen des Innenministers lösten ein Krisentreffen der Arbeitsgruppe aus. Kulturrat-Chef Olaf Zimmermann, einer der Initiatoren, spart nicht mit Kritik am Vorgehen Thomas de Maizières.
Mit seinen zehn Thesen für eine Deutsche Leitkultur, veröffentlicht am vergangenen Sonntag in der Bild am Sonntag, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine gemeinsame politische Initiative für eine kulturelle Wertedebatte verprellt, an der auch sein eigenes Haus beteiligt ist. Seit einem Jahr arbeitet ein breites Bündnis aus Politik und Kultur unter dem Namen "Initiative für kulturelle Integration" daran, Vorschläge für gemeinsame kulturelle Werte und Tugenden als Basis für das Zusammenleben in Deutschland anstoßen.
Beteiligt sind unter anderem Kulturstaatsministerin Monika Grütters, das Bundesinnenministerium, das SPD-geführte Bundesarbeitsministerium, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz, die Kultusministerkonferenz der Länder, sowie Vertreter der Religionsgemeinschaften, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Städten und Gemeinden und der Zivilgesellschaft.
Initiative für Integration und Zusammenhalt
Der Initiative gehe es nicht nur um die Integration von Zuwanderern und Geflüchteten, sondern auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrates, der die Initiative mit angestoßen hat:
"Sondern da geht es auch um die Frage, wie wir eigentlich in Deutschland in der Zukunft zusammenleben wollen. Und da haben sich viele gesellschaftliche Bereiche zusammengesetzt, haben 15 Thesen entwickelt, und in diesen Thesen kommt nicht einmal das Wort Leitkultur vor, und wir versuchen, gemeinsam zu überlegen, wie man letztendlich dieses Gemeinschaftsgefühl in Deutschland wieder reaktiviert."
Am 16. Mai sollen die 15 Thesen an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben und anschließend öffentlich diskutiert werden. De Maizière sollte dabei eine Keynote über Werte, Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt halten. Allerdings hatte man sich explizit darauf geeinigt, den Begriff Leitkultur nicht zu verwenden, um eine sachliche Debatte zu ermöglichen.
Die gesamte Debatte verbrannt?
Durch die Verwendung des Begriffes "Leitkultur" könnte nun sogar die gesamte Debatte verbrannt sein, so die Befürchtung unter den Initiatoren.
Olaf Zimmermann: "Die Leitkulturdebatte hat in die verkehrte Richtung geführt, weil auch Thomas de Maizière letztendlich diesen verbrannten Begriff benutzt hat, der nur dazu geführt hat, dass alle Welt über den Begriff der Leitkultur debattiert und eigentlich niemand über seine Thesen gesprochen hat, das wäre viel wichtiger gewesen, und deswegen muss man diesen Begriff endlich auf den Müllhaufen der Geschichte schmeißen, er ist nicht mehr rettbar, er bringt uns nicht weiter."
Dass eine Wertediskussion in diesem Land geführt werden muss, darüber sei man sich einig. Dies sei in den letzten Jahren versäumt worden.
Olaf Zimmermann: "Wir haben, wenn Sie so wollen, die Lufthoheit über diese Debatte den neuen Rechten überlassen, die haben die nämlich geführt, sind damit sogar ganz erfolgreich gewesen, und wir haben uns aus dieser Diskussion ausgeklinkt. Das war ein Fehler, und wir wollen jetzt mit diesem neuen Aufschlag versuchen wieder in die Diskussion mit reinzukommen und sagen, wir haben da ein gesamtgesellschaftliches Angebot zu machen und wollen da gerne mit euch drüber reden."
Über Gemeinsames und Trennendes nachdenken
Der Hinweis auf das Grundgesetz als Basis des Zusammenlebens reiche nicht aus, sagte Zimmermann. Die Grundrechte gewährleisteten die elementaren Bürgerrechte, aber ersetzten keine Debatte über kulturelle Werte. Die Initiative richte sich an alle Menschen die in der Gesellschaft zusammenleben, "egal, welchen Pass sie in der Hand halten", man müsse sich über das Gemeinsame und auch über das Trennende Gedanken machen. Unter den 15 Thesen sei vieles, was de Maizière vorgestellt habe, wie Bildung und Geschichte, aber auch manches, was er weggelassen habe, wie Gleichheit der Geschlechter, Freiheit der Kunst und der Medien und Meinungsfreiheit. Am 17. Mai werde die "Initiative kulturelle Integration" auch im Kulturausschuss des Bundestages gehört werden, kündigte Zimmermann an.